Schließlich landete das scheibenförmige, metallische Objekt nach der Art eines fallenden Blattes – es schaukelte hin und her – und setzte samtweich mit seinem Rumpf auf.
Drei kleine, fremdartige Wesen stiegen aus und gingen zur Sternwarte. Obwohl es stockfinster war, bewegten sich die Alien wie bei Tageslicht.
Markus hatte sich soeben auf die Heimfahrt vorbereitet, als plötzlich zwei angsteinflößende Gestalten vor ihm standen.
Er war so erschrocken, dass er beinahe in Ohnmacht gefallen war. Er musste sich am Küchentisch abstützen und rang nach Luft …
Als er wieder einen klaren Gedanken fassen konnte, griff er nach dem Aschenbecher und wollte ihn einem der Scheusale auf den Kopf hauen. – Doch noch bevor er den schweren Aschenbecher greifen konnte, stand er erstarrt da, unfähig, sich zu bewegen.
Er schrie die beiden Eindringlinge an:
„Macht, dass ihr verschwindet. Ich will mit euch nichts zu tun haben!“
Die Alien zeigten keinerlei Reaktion. – Vielleicht hatten sie ihn nicht verstanden?
Nachdem Markus erkannt hatte, dass es zwecklos war, sich zu wehren, setzte er auf das Wohlwollen der ungebetenen Gäste und fragte höflich:
„Was wollt ihr von mir?“
Da trat ein etwas größerer Alien durch die geschlossene Tür in den Raum, kam auf Markus zu, sah ihn an und Markus hörte eine mechanisch klingende Stimme im Kopf:
„Fürchte dich nicht. – Es ist nicht gut, wenn der Mensch Angst hat!“
„Ihr habt mir einen gehörigen Schreck eingejagt“, sagte er so, als wären sie alte Bekannte. – Schweigen.
Markus bat schließlich darum, sich wieder bewegen zu können, was augenblicklich geschah. Erleichtert setzte er sich auf das untere
Ende des Sofas und musterte die Drei von oben bis unten: Sie hatten übergroße kahle Köpfe, eine winzige Nase und an Stelle von Ohren nur Löcher. Ihre Körper waren schlank, dünne Arme und Beine. Ihre rosagraue Haut war nicht vergleichbar mit einer menschlichen Haut.
Markus sah in ihre großen, starrenden schwarzen Augen. Sie glänzten und schienen ein bisschen feucht, wie die Augen eines Menschen, bevor er anfängt zu weinen.
Markus gewann den Eindruck, dass die Alien seine Gedanken lesen konnten, denn er rätselte, was dieser Besuch zu bedeuten habe –.
„Wir werden dich mitnehmen“, hörte er die eigenartige Stimme im Inneren des Kopfes.
Markus lehnte ab. Seine Gedanken drehten sich im Kreise, so lange, bis er einsehen musste, dass er keine Chance hatte, einer Entführung zu entfliehen.
„Wohin bringt ihr mich?“
„Das bestimmen unsere ‚Meister’.“
„Wenn es unabwendbar ist, dann komme ich mit, aber nicht heute. – Gebt mir Zeit!“
„Einverstanden. In ein paar Wochen werden wir dich abholen. Wann das sein wird, wirst du bei einem unserer Überflüge erfahren.“
Dann gab sein Gesprächspartner zu verstehen, dass sie weiterfliegen müssten. Er lud ihn ein, dem Start beizuwohnen.
Wie normale Menschen traten sie aus der Sternwarte heraus und spazierten gemächlich durch die Nacht, dem hochglanz-polierten, außerirdischen Fluggerät entgegen.
In einiger Entfernung war Markus stehen geblieben und wartete gespannt auf den Start des mächtigen Ufos.Nachdem die Aliens in ihm verschwunden waren, ging ein Geräusch wie ein Dynamo vom Flugkörper aus und ein ungewöhnlicher Schimmer umgab ihn.
Alsbald hob das Raumschiff wie von Geisterhand gesteuert vom Boden ab. Es beschleunigte bis zu einer bestimmten Höhe, hielt inne und flog dann mit einer unglaublichen Geschwindigkeit davon …
Markus war tief beeindruckt. Auf dem Rückweg durch den Wald beschlichen ihn auf einmal unerklärliche Ängste – er flüchtete geradezu in die Sternwarte.
Hellwach, auf dem Sofa liegend, quälte ihn der Gedanke, von den Außerirdischen auf unbestimmte Zeit an einen unbekannten Ort entführt zu werden. Auch die Frage, warum sie ihn so gut behandelten. Ihm war bekannt, dass viele Entführungsopfer die kleinen Grauen als „gemein oder böse“ bezeichneten. Bevor Markus am nächsten Morgen in sein Auto stieg, um nach Hause zu fahren, besichtigte er die Landestelle des Ufos auf dem Felde. Was er sah, ließ ihn erstaunen: Das Weltraumfahrzeug der Alien hatte auf dem Rapsacker einen großen Kreis von versengten Pflanzen, Steinen und Erde hinterlassen. Der Landeplatz schien auf mehrere Hundert Grad Celsius erhitzt worden zu sein.
Anfang Dezember.
Gewöhnlich brachte der November den ersten Schnee in den Mittelgebirgen. In diesem Jahr waren die Herbsttage ausge-sprochen mild und der Schnee ausgeblieben.
Ein stabiles Hochdruckgebiet bescherte allen Kreaturen vor dem Wintereinbruch anhaltend schönes Wetter. Der Tagbogen der tief stehenden Sonne reichte vom Springkopf im Südosten bis zum Lipsberg im Südwesten.
Um jenen Tag noch etwas Sinnvolles abzugewinnen, schnürte Markus nach dem Mittagessen seine Wanderschuhe und machte sich auf den Weg.
Vom Wohnblock, in dem er eine kleine Eigentumswohnung besaß, bis zum Dorfausgang in Richtung des Nachbarortes Kalteneber war es nicht weit. Jenseits des rauschenden, schnell fließenden Lutterbaches war nach einem verheerenden Brande der ziegelrote Backsteinbau der Hackemühle errichtet worden – sein Elternhaus. Hier hatte er während des 2. Weltkrieges das Licht der Welt erblickt.
Zu jener Zeit wurde der Bach oberhalb des Wasserfalles gestaut und gelangte in einer Rohrleitung zur Turbine, die das Mahlwerk der Mühle, als auch das Horizontalgatter antrieb. Wenn die Mühle außer Betrieb war, floss die Lutter in einem tiefen Graben und dann
unterirdisch unter dem hohen, von allen Seiten offenen Dreschschuppen hindurch, um auf dem Nachbargrundstück wieder an die Oberfläche zu treten. In der Erntezeit herrschte auf dem weitläufigen Mühlengrundstück Hochbetrieb, wenn Tag und Nacht die Erntewagen vorfuhren und das Getreide der Bauern und „Kleinen Leute“ gedroschen wurde …
Markus hatte längst seinen Weg fortgesetzt und den sehr breiten, befestigten Feldweg, Ölweg genannt, erreicht. Es ging immer steiler bergan. Er musste hin und wieder eine Pause einlegen und ging dabei seinen Kindheitserinnerungen nach:
In den ersten Lebensjahren wuchs er nicht im Elternhaus auf, sondern wohnte mit seiner Mutter bei der ortsansässigen Hebamme. Sie war in den schweren Kriegs- und Nachkriegsjahren bei vielen Kindern Geburtshelferin und sorgte so für den Lebensunterhalt. Erst als sein Vater aus der französischen Kriegsgefangenschaft heimgekehrt war, zogen sie in die Hackemühle zurück. Ein Jahr später wurde seine Schwester geboren – ein Sonntagskind …
Vom Waldrand des Lipsberges fiel der Blick auf die mehrere Hundert Meter entfernte Springmühle am Fuße des Springkopfes – ein unvollendeter Neubau, an der Stelle der geschichtsträchtigen alten Mühle aus Fachwerk.
Markus genoss diesen Ausblick eine geraume Zeit. Vom Sportplatz, oberhalb der Springmühle und dicht an der Landstraße gelegen, drangen Laute herauf, wie sie Kinder von sich gaben, wenn sie Fußball spielten.
Die Wasseroberfläche der beiden großen Forellenteiche unterhalb der Springmühle kräuselte der Wind. Als die Fischteiche noch nicht vorhanden waren, ernährten saftige Wiesen die Milchkühe des Nachbarn. In den Sommermonaten hatte Markus oft mit dem Nachbarjungen seines Alters hier die Kühe gehütet und stundenlang im kalten Lutterbach gespielt. Nur wenige Meter oberhalb der Mühle entspringt der Bach.
Im Schatten der hinter dem Berghang stehenden Sonne wurde es allmählich kühl. Markus setzte seine Wanderung auf dem vom letzten Regen durchweichten Randweg des Lipsberges fort.
Am