„Diese plumpe Täuschung gelingt ihnen nicht. Wir waren bei Euch und wissen, dass Ihr es nicht getan habt", versicherte Wolfram.
„Da wäre ich nicht so sicher. Traut Rigbert Euch denn?" Hartmut war besorgt.
Wolfram schüttelte den Kopf.
„Wir müssen vorsichtig sein", gab Wolframs Frau Helma zu bedenken. „Womöglich steckt Rigbert mit den Halunken unter einer Decke."
„Rigbert liebt seine Schwester und würde ihr niemals etwas antun“, verteidigte Wolfram seinen Vetter. Nach einer Pause fügte er nachdenklich hinzu: „Es ist allerdings ungewöhnlich, dass er Sigrun nicht selbst nach Brig geleitet. Vielleicht laufen einige Dinge an ihm vorbei. Ich werde mit Rigbert reden!"
„Das ist keine gute Idee", wandte Frau Helma ein. „Ihr seid der denkbar schlechteste Unglücksbote. Rigbert fürchtet Euch. Lasst mich gehen. Auf eine Frau wird er eher hören!"
Zwei Tage später ging Helma mit den beiden überlebenden Kindern in Rigberts Lager. Die Zauberer Yvo, Iorghe und Sascha begleiteten sie unauffällig. Yvo klinkte sich in Helmas Kopf ein, um zu erfahren, was im Lager vor sich ging.
Rigbert empfing Helma mit Häme: „Ei, sieh da, Wolframs Gattin kehrt zu uns zurück. Hat Dein Mann eine Jüngere gefunden, dass Du ihm den Rücken kehrst?"
Helma reagierte nicht auf die Unverschämtheiten. Sie erstattete Bericht. Rigbert hörte schweigend zu. Als sie geendet hatte, rief Rigbert zwei halbwüchsige Jugendliche zu sich. „Diese Frau behauptet, die beiden Kinder hier hätten das Gemetzel überlebt. Kennt Ihr sie?"
Die beiden Halbwüchsigen schüttelten den Kopf: „Die gehören nicht zu unserer Sippe. Wir haben sie nie gesehen."
Auch die Kinder in Helmas Begleitung kannten die anderen beiden nicht.
„So ist das also", sagte Rigbert mit zorniger Stimme. „Wolfram steckt mit den Mördern unseres Oheims unter einer Decke. Er liefert uns falsche Beweise, möchte uns von der Schweinefurth weglocken, damit wir den Weg für Hartmut freimachen. Daraus wird nichts."
„Herr, er sorgt sich um das Wohl unseres Stammes. Wir dürfen Raub und Mord nicht dulden!" plädierte Helma eindringlich.
„Er sorgt sich um das Wohl unseres Stammes. Er will wohl an meiner Stelle König werden? Das ist Hochverrat."
„Ihr beide wart nicht immer einer Meinung. Doch ihn des Verrats zu bezichtigen, das hat mein Gatte nicht verdient!" rief Helma leidenschaftlich aus.
„Er ist ein Verräter! Denn diese beiden Kinder hier sind die einzigen Überlebenden der Bluttat. Sie haben mit angesehen, wie Dietrich von Hartmuts Bärenjägern abgeschlachtet wurde.“
„Nehmt Vernunft an, Vetter Rigbert", flehte Helma. „Macht Euch frei von dem Zauber, der Euch gefangen hält. Eure Schwester Sigrun ist in den Händen der Verbrecher. Sie braucht Eure Hilfe!"
„Meine Schwester Sigrun ist auf dem Wege zu ihrem Bräutigam nach Brig. Das hat mit Fürstin Morriell persönlich versichert. Sie ist wohlbehalten, ihr fehlt gar nicht. Bald wird sie in den Armen ihres Gemahls liegen. Eines Gemahls, den ich mit Sorgfalt ausgewählt habe."
„Sie ist eine Gefangene. Und sie ist nicht die einzige Eurer Verwandten, die den Banditen in die Hände fiel. Auch Eure Base Ortrud... Rettet sie!"
Doch Rigbert hörte nicht auf sie. Er wandte sich den beiden Jugendlichen zu: „War auch Wolfram unter den Mördern?“ fragte er. Die beiden bejahten. „Seht her“, rief er seinen Stammesbrüdern zu, „hier ist Helma, die Gattin des Verräters Wolfram. Sie steckt mit den Mördern vom Birkensee unter eine Decke. Hiermit erkläre ich sie und ihren feinen Gemahl für vogelfrei. Steinigt sie!“
Die Dorfbewohner quittierten seine Worte mit zornigen Rufen. Der feige Mord an Dietrich hatte sie über die Maßen erzürnt. Sie hatten nicht verstanden, warum Rigbert so lange untätig blieb. Nun endlich präsentierte ihr Häuptling ihnen eine Schuldige. Sie hoben Steine auf und begannen, diese zu werfen. Helma fasste die Kinder an den Händen und rannte, so schnell sie konnte.
Yvo und seine Zauberer hielten die Geschoße von den Fliehenden ab, so gut es ging. Als sie weit genug vom Lager entfernt waren, entzog Iorghe sie durch eine Nebelwand. Blutüberströmt und weinend kehrten sie zu Wolfram und Hartmut zurück.
Als sie weit genug weg waren, fanden sie sich zur Beratung zusammen. „Rigbert glaubt den Banditen, dass wir die Missetäter sind“, rief Hartmut aufgebracht. „Dabei bringt Dietrichs Tod uns überhaupt keinen Nutzen. Im Gegenteil: in ihm verlieren wir einen berechenbaren Verhandlungspartner und die Almanen einen großen Häuptling.“ Hartmut hielt große Stücke auf den Verstorbenen.
„So denkt Rigbert nicht“, wandte Wolfram ein. „Er sah in ihm einen Konkurrenten. Dietrichs Tod und meine Verbannung festigen seine Macht. Warum er Euch mit hineinzieht, begreife ich allerdings nicht. Er sollte wissen, dass er damit den Erain Maur herausfordert.“
„Darüber hat er sich gewiss keine Gedanken gemacht. Mir scheint eher, er ist durch einen üblen Zauber betört“, meinte Hartuin. „Wahrscheinlich gehörten die beiden Jugendlichen zu den Banditen!“
„Die beiden sind Jungzauberer. Ich konnte deutlich die destruktiven Schwingungen fühlen, die von ihnen ausgingen“, pflichtete ihm Yvo bei. „Und in Yelvas Gedanken fand ich eine wahre Schlangengrube. Mir schien, als hätte sie die Sache ausgeheckt und wäre mit dem Verlauf überaus zufrieden.“
„Immerhin sind wir am Leben“, tröstete sich Wolfram. „Das ist mehr, als Dietrich vergönnt war.“
„Am Leben ja, doch wir sitzen in der Falle. Rigbert sperrt mit seinen Leuten die Schweinefurth. Was tun wir jetzt?“ Selbst Hartmut war ratlos.
"Ich frage meine Mutter um Rat", schlug Hartuin vor.
"Gute Idee. Erst jedoch ziehen wir uns tiefer in die Berge zurück. Sie werden uns suchen", wies Hartmut an. "Wir bleiben auf jeden Fall beisammen", bot er Wolfram an.
Dieser nickte nur traurig. Weit war es mit den Rigländern gekommen, dass sie ihre eigenen Leute steinigten.
Hartuin nahm Kontakt zu seiner Mutter Giwileth auf. Es dauerte nicht lange, und die schöne Elfenfrau materialisierte sich in ihrer Mitte. Sie war hocherfreut, Hartmut und ihren Sohn wiederzusehen. Nachdem man einander ausgiebig umarmt und aufs herzlichste begrüßt hatte, erstattete Hartmut Bericht.
Yvo betrachtete die Elfe voller Faszination. Er kannte Feen und Halbelfen, jedoch eine richtige Elfe war ihm noch nie begegnet. Rasch merkte er, dass er sich bei ihr nicht so einfach in die Gedanken einklinken konnte wie bei den Menschen. Ihre Schwingungsfrequenz war viel zu hoch.
Als Hartmut mit seinem Bericht geendet hatte, sagte Giwileth: „Der arme junge Rigbert. Ein düsterer Zauber verwirrt ihn.“
„Ich denke eher, der Alkohol und seine junge Gattin verwirren gemeinsam seine Sinne“, mutmaßte Yvo. Ihm war aufgefallen, dass Rigbert keinen klaren Gedanken fassen konnte.
„Was sollen wir jetzt machen?“ fragte Hartuin seine Mutter.
„Bleibt einfach ein paar Tage bei mir und kehrt dann über den Gilgor heim. Ich regle das mit Königin Innath. Sie gibt euch sicher freies Geleit durch das Elvellon!“
„Aber Tellia?“ warft Yvo ein. „Wir können sie doch nicht in Stich lassen…“
„Die Wahrscheinlichkeit, dass sie durch Lösegeld frei kommt, ist höher, als wenn wir sie mit Waffengewalt befreien“, entschied Hartmut. „Jedenfalls lasse ich Euch auf keinen Fall alleine in diesen Wäldern herumspazieren. Was meint Ihr, was Euer Bruder mir erzählt, wenn Euch etwas zustößt?“
Yvo fügte sich grollend. Er war mit der Lösung nicht zufrieden. Sie folgten Mutter