Brautwerbung. Solveig Kern. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Solveig Kern
Издательство: Bookwire
Серия: Furuks Erbe
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742781840
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eines, den er kannte. Mauro wusste nicht gleich, woher, bis er ihn zwischen den Bäumen umhergehen sah. Es war Malwin, mit dem er auf seiner Reise von Brig in den Süden mehrmals aneinandergeraten war. „Malwin hat Euch aus Dietrichs Lager entführt? Was hat dieser Bandit mit Euch zu schaffen? Sorgt Euch nicht, Liebste, ich werde Euch befreien! Gegen diesen Schurken kämpfe ich nicht das erste Mal…“ rief er und wollte sich schon auf Malwin stürzen.

      Doch Schlobart bremste ihn: „Ein Astralkörper ist ein viel zu fragiles energetisches Gebilde. Damit könnt ihr nicht in den Kampf ziehen wie mit Eurem richtigen Körper. Der Gegner würde Euch auf tausend kleine Partikel zerstäuben, die sich nie mehr zusammenfinden. Das dürft Ihr nicht einmal denken! Außerdem wird es allmählich Zeit, zurückzukehren. Ihr verbraucht Eure Energiereserven viel zu schnell!“

      „Ein bisschen noch“, bat Mauro. „Sprecht, Liebste, was ist geschehen?“

      „Malwin kam als Brautwerber im Auftrag meines Bruders zum Birkensee. Fürstin Morriell und Rigbert haben sich darauf verständigt, dass ich einen Verwandten von ihr ehelichen soll. Nun bringt Malwin mich nach Brig.“

      „Nach Brig“, wiederholte Mauro. Eiskalte Gewissheit erfasste ihn: „Morriell macht mit diesem Banditen gemeinsame Sache. Sie weiß, dass Ihr niemals freiwillig nach Brig kommt. Darum lässt sie Euch mit Gewalt entführen. Ich hätte sie töten sollen, als ich die Chance dazu hatte. Nur Mut, Allerliebste. Niemals lasse ich zu, dass meine missratene Tochter sich zwischen uns stellt!“

      „Herr, Ihr versteht nicht… Mein Bruder hat entschieden, und ich muss gehorchen. Ihr könnt nichts mehr tun“, wehrte Sigrun ab. Als sie merkte, dass Mauro ihre Einschätzung nicht teilte, beschwor sie ihn: „Wolltet Ihr die Braut eines Anderen rauben, wäre der Bräutigam verpflichtet, Vergeltung zu üben. Darauf wartet Morriell nur. Sie will Krieg, und ich kann nicht verantworten, dass meinen Freunden ein Leid geschieht. Stets habt Ihr mich gewarnt, dass Ihr mächtige Feinde habt. Ich dachte, ich kann ihnen wehren. Doch ich bin nicht stark genug. Drum lebt denn wohl, mein König. Es war wunderschön, von Euch geliebt zu werden. Alle schönen Dinge haben Ihren Preis. Ich bezahle jetzt für die Vermessenheit, Eure Frau werden zu wollen!“ Sie streckte die Hand nach ihm aus. Im letzten Moment besann sie sich, dass sie seinen Astralkörper nicht berühren konnte. So winkte sie ihm wehmütig zu und wandte sich zum Gehen.

      Wenig später standen Mauro und Schlobart, wieder in ihre Körper zurückgekehrt, auf einem sonnenbeschienen Hang unter blühenden Bäumen. Unter ihnen ragten die Zinnen der Stadt Alicando in den makellos blauen Himmel. Doch die beiden hatten keinen Blick für die Schönheit, die sie umgab.

      „Ich fürchtete Barren, meinen erbittertsten Feind in diesem Lande. Doch meine Tochter Morriell ist eine mindestens ebenso hinterhältige Gegnerin“, haderte Mauro. „Sie hat mir das Liebste genommen. Durch mein Zaudern habe ich ihr in die Hände gespielt. Hätte ich Sigrun gleich in Moringart bei mir behalten, wäre das alles nie geschehen. Nun zahlt die Geliebte den Preis für meine Unentschlossenheit.“

      „So ist es wohl“, konstatierte Schlobart trocken. „Das Schicksal wollte sie nicht an Eurer Seite sehen…“

      Mauro wandte sich verzweifelt an Schlobart: „Seht Ihr einen Weg? Gibt es irgendetwas, was ich jetzt noch tun kann? Ihr seid ein weiser Mann, Schlobart. Wisst Ihr mir Rat?“

      Schlobart wiegte bedächtig sein Haupt: „Was wolltet Ihr tun?“

      Mauro war knapp dran, eine Antwort hinauszuschleudern, doch im letzten Augenblick entschied er sich, zu schweigen. Stattdessen sah er Schlobart in stummer Verzweiflung an.

      „Schreit es ruhig hinaus“, meinte Schlobart. „Ihr wollt Euren Zorn in Blut ertränken. Ihr wollt jeden verfügbaren Mann aufbieten, wie ein Rachedämon durch das Winterland brausen und Brig dem Erdboden gleich machen. Ihr wollt Gunwalds und Morriells Kopf auf einer Lanze vor dem Stadttor aufstellen. Nachdem Ihr sie sorgfältig gevierteilt habt.“

      Mauro senkte betreten den Kopf. So in etwa hatte er gedacht.

      „Und ich kann es Euch nicht einmal verdenken“, fuhr Schlobart fort. „Dieses Schurkenstück schreit nach Rache.“

      Mauro sah den alten Meister erstaunt an. Doch Schlobart war noch nicht am Ende: „Was würde diese Rache bringen?“ fragte er. Noch ehe Mauro antworten konnte, fuhr er fort: "Die Almanen würden sich mit den Ostkethen verbünden und Euch den Krieg erklären. Eine Woge von Schmerz und Leid würde durch das Land brausen. Wackere Krieger büßten ihr Leben ein. Hunger und Not kämen in Städte und Dörfer, auf beiden Seiten.“

      Mauro nickte: „Um diesen Krieg zu verhindern, bin ich von Brig ausgezogen. Rache kann nicht die Lösung sein. Sie ist keine gute Antriebskraft für einen König, der ein zerstörtes Land wieder aufbauen soll. Gerade jetzt möchte ich meinem ausgelaugten Volk keinen weiteren Feldzug aufbürden!“

      „Schlimmer noch: Euch persönlich würde es gar nichts bringen“, mahnte Schlobart. „Selbst ein Meer von Blut verhindert nicht, dass Sigrun bald eines anderen Mannes Frau sein wird.“

      Mauro begriff: „Es gibt also keinen Weg?“

      „Keinen, der sie Euch zurückbringt!“ erwiderte Schlobart.

      Mauro fühlte, wie die Kälte von ihm Besitz ergriff. Er ging ein paar Schritte nach vorne und stützte sich auf den nächsten Baum. Verzweifelt krallte er seine Finger in dessen Rinde und schlug den Kopf gegen den Stamm. Alles in ihm schien zu erfrieren.

      Wie der König fiel auch der Baum in eine eisige Starre. Als Mauros Hand ihn berührte, erfroren auf einen Schlag alle Blüten – als wäre der Winter zurückgekehrt.

      Nach dem Abschied von Mauro kehrte Sigrun mit wehem Herzen ins Lager zurück. Malwin stand mit seinen Männern im Kreis und sprach zu ihnen. Sigrun meinte, die Wortfetzen >Tellia von Moringart< und >Lösegeld< aufgeschnappt zu haben. Ihr schien, als erläutere Malwin einen Plan. Die Männer lachten derb, als hätte er ihnen einen anzüglichen Witz erzählt. Sigrun schlich näher. Malwin sagte irgendetwas über Hartmut von Bärenheim, und die Männer signalisierten grölend ihr Einverständnis.

      Mehr konnte sie nicht herausfinden, denn Malwin bemerkte sie. „Es gibt gute Neuigkeiten!“ rief er ihr zu. „Ich habe Nachricht von Eurem Bruder bekommen. Er gibt nun doch dem Angebot des Erain Maur den Vorzug. Hartmut von Bärenheim ist unterwegs zum Birkensee, um Euch dort abzuholen. Wir kehren um!“

      Sigrun glaubte ihm kein Wort. Die Mienen seiner Männer zeigten mehr als deutlich, dass er sie belog. Wahrscheinlich war er dahinter gekommen, dass Tellia sich in Dietrichs Lager aufhielt, und wollte für sie Lösegeld erpressen. „Das kommt gar nicht in Frage“, sagte sie von oben herab. „Wenn Ihr tatsächlich ein Bote aus Brig seid, dann bringt Ihr mich ohne Verzug zu meinem Gemahl. Dafür bezahlt Fürstin Morriell Euch schließlich.“

      „Fürstin Morriell ist nicht die einzige Herrin, der ich diene!“ lachte Malwin. „Ich habe soeben ein besseres Angebot erhalten. Das müsste Euch doch freuen: Ihr dürft wieder heim!“

      Bald standen sie wieder am Birkensee. Doch Dietrichs Winterlager war leer. Die Almanen waren fortgezogen.

      „Sagt uns, wo wir sie finden“, verlangte Malwin von den drei Frauen. „Ihr wollt doch so schnell wie möglich bei den Euren sein. Zeigt uns den Weg zu ihrem Quartier!“

      „Sagt es ihnen nicht“, beschwor Sigrun die Gefährtinnen. „Sie wollen das Lager überfallen, um Tellia in ihre Gewalt zu bekommen. Ihr dürft Malwin nicht trauen!“

      „Das ist lächerlich“, erwiderte Ortrud. „Wegen Tellia wäre Malwin niemals umgekehrt. Ihr seid viel wertvoller als sie. Ich möchte nach Hause. Darum werde ich ihm sagen, wohin Dietrich üblicherweise zieht, wenn sein Stamm das Winterquartier verlässt.“

      Sigrun versuchte verzweifelt, Ortrud von ihrem Vorhaben abzubringen: „Schlag ihnen vor, uns hier zurückzulassen. Wir werden Dietrichs Lager schon finden!“

      „Euch hier lassen, ganz allein in der Wildnis?“ sagte Malwin mit gespieltem Entsetzen. „Wo die Wölfe