Vier Jahre für Lincoln. Stillwell Leander. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Stillwell Leander
Издательство: Bookwire
Серия: Zeitzeugen des Sezessionskrieges
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783738072662
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von Pulverrauch geschwärzt waren. "Welches Regiment ist das?" fragte ich einen jungen Sergeant, der die Marschkolonne flankierte. Er antwortete vergnügt: "Wir sind das 36th Indiana, die Vorhut von Buells Armee."

      Als ich dies hörte, hütete ich mich, meine Mütze in die Luft zu schleudern und zu jubeln, denn somit hätte ich diesen Burschen aus Indiana nur einen Anlass geliefert, mich zu necken und mit Spötteleien zu überziehen, was ich natürlich tunlichst vermeiden wollte. Also verschluckte ich einen tiefen Seufzer der Erleichterung und blieb scheinbar seelenruhig an Ort und Stelle stehen, während mir innerlich ob dieser sagenhaften Neuigkeit das Blut in der Halsschlagader hämmerte und mein Herz vor Freude schier durch meine enge Uniformjacke bersten wollte. Einem Soldaten muss ich die unbeschreibliche Freude beim Anblick nahender Waffenbrüder in der finstersten Stunde einer Schlacht wohl nicht erst zu erklären versuchen. Was mich persönlich betrifft, so kann ich mit absoluter Sicherheit sagen, dass mir während meiner gesamten bescheidenen Soldatenlaufbahn der Anblick von Verstärkungen niemals wieder so ersehnt und willkommen war wie an jenem Sonntagabend, als die Strahlen der sinkenden Sonne an den Bajonetten von Buells Vorhut blitzten, während die Männer an den Abhängen von Pittsburg Landing Aufstellung nahmen.

      Hiermit ist mein Bericht über die Schlacht so gut wie beendet. Meines Wissens wurde an jenem Abend nach Buells Überquerung des Flusses kaum noch gekämpft. Wir hatten wohl noch etwa eine volle Stunde Tageslicht, als alles, was man als organisierte und stetige Schusswechsel bezeichnen könnte, gänzlich erstarb. Was hätte passieren können, wenn Beauregard seine Truppen an unserer Linken konzentriert und versucht hätte, noch am späten Sonntagabend eine Entscheidung zu erzwingen, muss notwendigerweise reine Spekulation bleiben und hierbei hätte die Meinung eines einfachen Soldaten wohl kein sonderliches Gewicht.

      Am folgenden Tage wurde mein Regiment in Reserve gehalten und griff nicht mehr in die Kämpfe ein, weswegen ich über diesen Tag keine persönlichen Erlebnisse mitzuteilen habe. Nach der Schlacht von Shiloh wollte es das Schicksal, dass ich noch zu weiteren hitzigen Waffengängen meinen bescheidenen Beitrag leisten sollte, aber Shiloh war meine Feuertaufe. Hier sah ich erstmals, wie eine Muskete in tödlicher Absicht abgefeuert wurde, hier hörte ich erstmals das Pfeifen einer fliegenden Kugel und hier sah ich erstmals einen Menschen eines grausigen Todes sterben. All meine Erfahrungen, Gedanken, Eindrücke und Gefühle während jenes blutigen Sonntages werden mich zeit meines Lebens nicht mehr verlassen.

      Kapitel IV

       -

       Einige Ereignisse während der Schlacht von Shiloh.

      Bei Shiloh wurde ich Zeuge zahlreicher kleiner Ereignisse, die im vorangegangenen Artikel keine Erwähnung fanden. Meine Seitenzahl war begrenzt und so musste ich einige Dinge auslassen, doch nun steht mir beliebig viel Platz zur Verfügung, weswegen ich hier noch einige Vorkommnisse erwähnen möchte, die ich für einigermaßen nennenswert erachte.

      Ich erinnere mich noch genau an den ersten Schuss, den ich bei Shiloh abfeuerte. Es geschah, während wir unsere erste Stellung verteidigten, worüber ich ja bereits in dem Artikel berichtet habe. Ich glaube, als die Jungs den anrückenden Feind erblickten, begannen sie von alleine zu feuern, ohne auf den Befehl zu warten, zumindest kann ich mich an keinen Befehl erinnern. Obwohl ich in der vordersten Reihe stand, gab ich anfangs keinen einzigen Schuss ab. Ich wartete auf eine Gelegenheit, einen deutlich sichtbaren feindlichen Soldaten sorgfältig aufs Korn nehmen zu können, doch als unser Regiment seine erste Salve abfeuerte, blieben die Konföderierten wie angewurzelt stehen und begannen zurückzuschießen. Bald waren beide Gefechtslinien in dichte Rauchschwaden gehüllt. Ich hielt meine Muskete schussbereit und versuchte, durch den Rauch einen Feind zu erspähen, als ich plötzlich hinter meinem Rücken den aufgeregten Ausruf hörte: "Stillwell! Schieß! So schieß doch! Warum schießt du nicht?" Ich blickte mich um und sah, dass es Bob Wylder, unser Second Lieutenant, war, der mir dieses Kommando entgegenschrie. Er war ein junger Mann von wohl etwa 25 Jahren und während er an seinem Platz einige Schritte hinter der Gefechtslinie stand, hüpfte er vor Aufregung auf und ab wie ein aufgescheuchtes Huhn.

      "Aber Lieutenant" sagte ich, "Ich sehe nichts, auf das ich schießen könnte."

      "Schieß trotzdem! Schieß!"

      "In Ordnung" antwortete ich, "Wenn Sie wollen, dass ich schieße, dann schieße ich natürlich."

      Mit diesen Worten legte ich meine Muskete an, zielte niedrig in die Richtung des Feindes und jagte meine Kugel durch den Rauch. Ich bezweifele sehr, dass mein erster Schuss irgendwelchen Schaden anrichtete, aber ich kann es natürlich nicht mit Sicherheit sagen. Trotzdem hatte der Lieutenant natürlich recht. Unsere Feinde standen in geringer Entfernung direkt vor uns und wir konnten nichts anderes tun, als niedrig zu zielen, in ihre ungefähre Richtung zu feuern und den Rest dem Zufall zu überlassen. Damals erschien mir der Gedanke jedoch absurd, dass man blindlings in einen Rauchschleier schießen solle, ohne ein konkretes Ziel vor Augen zu haben. Schon seit ich groß genug war, eine Muskete zu halten, hatte ich zuhause in den dichten Wäldern hinter unserer entlegenen Farm Eichhörnchen, Kaninchen und anderes kleines Getier geschossen. Tatsächlich jagte ich schon, als ich noch zu klein war, um eine Muskete anzulegen und stattdessen von einer Stütze (wie etwa einem Baumstumpf, Baumstamm oder Busch mit starken Ästen) aus feuern musste. Die Waffe, die ich damals benutzte, war ein altes, langläufiges Gewehr mit Perkussionsschloss, das Kugeln verschoss, die wohl um die 15 Gramm wiegen mochten. Wir Kinder mussten damals unsere eigene Munition herstellen, wofür wir Blei (aus dem wir die Kugeln gossen), Zündhütchen und Schwarzpulver benötigten. Unsere Haupteinnahmequelle für das notwendige Geld bestand aus Haselnüssen, die wir einsammelten, schälten und für fünf Cents pro Quart verkauften. [Anm. d. Übers.: Das Quart ist ein US-amerikanisches Trockenmaß. 1 Quart entspricht etwa 1,1 Liter.] Das Sammeln und Schälen eines Quarts Haselnüsse war eine entschieden mühselige Arbeit, aber es erzog uns zum wohlüberlegten Gebrauch unserer Munition und wir verschwendeten niemals leichtfertig oder unnötigerweise einen Schuss. Auch war es bei uns ein ungeschriebenes Gesetz, einem Eichhörnchen stets nur in den Kopf zu schießen, sofern keine ungünstigen Umstände es nötig machten, auf einen anderen Körperteil der kleinen Tierchen zu zielen. Deswegen dachte ich zu Beginn meiner militärischen Laufbahn, dass ich meine Muskete in der Schlacht wohl ebenso wohlerwogen abfeuern sollte wie bei der Eichhörnchenjagd, allerdings wurde ich bei Shiloh schon innerhalb der ersten fünf Minuten eines Besseren belehrt. Nichtsdestotrotz zielte ich in den folgenden Gefechten weiterhin sorgfältig, wenn sich die Gelegenheit dazu bot, aber häufig zwangen mich die Umstände dazu, einfach niedrig zu zielen und mein Blei durch die Rauchschwaden in Richtung des Feindes zu schleudern. An dieser Stelle muss ich anmerken, dass das Ausmaß an Fehlschüssen in einer Schlacht, besonders bei unerfahrenen Truppen, absolut verblüffend ist und dem Außenstehenden kaum verständlich erscheint. Während wir uns bei Shiloh auf unsere zweite Stellung zurückzogen, hörte ich über unseren Köpfen ein konstantes Summen, gleich einem Bienenschwarm. In meiner Unwissenheit wusste ich diesen Lärm zuerst nicht zu deuten, aber bald wurde mir klar, dass dieses Geräusch von Kugeln verursacht wurde, die zwischen sechs und 30 Metern über unseren Köpfen vorbeizischten. Nach der Schlacht bemerkte ich, dass die großen Bäume in unserem Lager (unmittelbar hinter unserer zweiten Stellung) zahlreiche Einschusslöcher von Musketenkugeln aufwiesen, welche bis zu 30 Meter über dem Boden eingeschlagen waren. Und dies, obwohl wir nur durch ein kleines, schmales Feld von den Konföderierten getrennt gewesen waren und der Boden zwischen uns vollkommen eben war. Man darf allerdings nicht vergessen, dass diese Jungs ebenso unerfahren waren wie wir und zweifelsohne nicht minder aufgeregt. Die konföderierte Armee bei Shiloh bestand größtenteils aus Soldaten, die erstmals unter feindliches Feuer gerieten und ich schätze, sie müssen genauso nervös und verängstigt gewesen sein wie wir.

      Ich werde niemals vergessen, wie erbärmlich ich mich fühlte, als ich erstmals einen Mann im Kampfe sterben sah. Es ereignete sich bei unserer bereits erwähnten zweiten Stellung. Unsere Gefechtslinie dort war einigermaßen unregelmäßig und die Männer standen nicht an ihren vorgesehenen Positionen. Es gab etliche Baumstämme und -stümpfe, die wir so gut wie möglich als Deckung benutzten. Ich stand hinter einem Baum. Er war von beklagenswert kümmerlichem Wuchs, aber doch besser als nichts. Später