Vier Jahre für Lincoln. Stillwell Leander. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Stillwell Leander
Издательство: Bookwire
Серия: Zeitzeugen des Sezessionskrieges
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783738072662
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versetzt worden.

      Die Zeitspanne, während der wir dort herumstanden und auf die Attacke warteten, kann nicht mehr als fünf Minuten betragen haben. Plötzlich flackerte schräg zu unserer Rechten eine lange, gewellte Reihe von kleinen Blitzen auf, dann eine weitere und noch eine! Es war dies das Sonnenlicht, das von Musketenläufen und Bajonetten reflektiert wurde. Und dann … da waren sie schließlich! Eine langgezogene, braune Linie, die Musketen an der rechten Schulter, in makelloser Formation – so kamen sie direkt durch den Wald auf uns zu.

      Wir eröffneten sofort das Feuer. Eine Welle roter Flammen rollte vom einen Ende des Regiments zum anderen und der Lärm, den wir am Rande unseres Feldes veranstalteten, klärte General Prentiss zweifellos darüber auf, dass die Rebellen die äußerste Linke seiner Linie erreicht hatten. Wir hatten erst zwei oder drei Salven abgefeuert, als wir aus irgendeinem Grunde (ich habe niemals erfahren, weshalb) den Befehl erhielten, uns über das Feld zurückzuziehen, was wir auch prompt taten. Unsere gesamte Linie, soweit ich nach rechts sehen konnte, wich zurück. Am Waldrand auf der gegenüberliegenden Seite des Feldes, in der Nähe unserer Zelte, nahmen wir wieder Aufstellung und eröffneten erneut das Feuer. Die Rebellen waren uns natürlich gefolgt und nahmen nun jene Stellung ein, die wir gerade verlassen hatten. Hier fochten wir unseren ersten harten Kampf des Tages aus. Nach dem Ende der Schlacht sagten unsere Offiziere, wir hätten diese Position eine Stunde und zehn Minuten lang gehalten. Ich selbst vermag darüber nichts zu sagen. Ich konnte die Zeit nicht schätzen, da ich anderweitig beschäftigt war.

      Von unserer zweiten Stellung zogen wir uns zurück, da (wie unsere Offiziere später sagten) die Truppen zu unserer Rechten nicht mehr standhalten konnten und unsere Flanke bedroht war. Wahrscheinlich bedienten sich diese Burschen zu unserer Rechten der gleichen Entschuldigung und womöglich stimmte sie sogar. Wie dem auch sei, wir zogen uns keine Minute zu früh zurück. Als ich mich hinter dem gestürzten Baumstamm aufrichtete, von dem aus ein Grüppchen von uns gefeuert hatte, sah ich bereits Männer in grauer und brauner Kleidung mit ihren Musketen durch das Lager zu unserer Rechten rennen. Ich sah noch etwas anderes, das mir ein Schauern über den Rücken jagte: eine Flagge, wie ich sie noch niemals zuvor gesehen hatte. Sie war ein farbenfrohes Ding mit roten Streifen und sofort durchblitzte mich die Erkenntnis, dass dies eine Rebellenflagge sein müsse. Sie flatterte nicht weiter als 50 Meter von mir entfernt. Der Rauch um sie herum hing niedrig und dicht und so konnte ich den Mann, der sie trug, nicht sehen, aber die Fahne selbst war deutlich zu erkennen. Sie bewegte sich in abrupten Sprüngen vorwärts, woran ich erkannte, dass ihr Träger im Laufschritt vorstürmte. Ziemlich genau zu diesem Zeitpunkt setzten wir uns nach hinten ab. Wir hielten dabei keinerlei Formation ein und waren nur bestrebt, schnellstmöglich das Weite zu suchen. Ich rannte unsere Kompaniestraße entlang und als ich das große Sibley-Zelt meiner Messe erreichte, kam mir der Gedanke, meinen Tornister mit all meinen Habseligkeiten, darunter mein unersetzlicher, kleiner Packen von Briefen meiner Eltern, zu bergen. Ich sagte mir: "Ich rette meinen Tornister, komme, was da wolle!" aber nach einem raschen Blick über meine linke Schulter besann ich mich eines Besseren und eilte weiter. Weder meinen Tornister noch seinen Inhalt habe ich jemals wieder gesehen.

      Unsere arg zerzausten Truppen formierten sich schließlich einen knappen Kilometer hinter unserem Lager auf dem Kamm eines sanften Hügels, der mit dichtem Gehölz bewachsen war. Ich erkannte mein Regiment an dem kleinen, grauen Pony, das unser alter Colonel ritt und rannte an meinen Platz in der Linie. Während wir dort standen und einmal mehr dem Feinde entgegensahen, bemerkte ich eine scheinbar endlose Kolonne von Soldaten in blauen Uniformen, die an unserer Flanke vorbeimarschierten und nach rechts in den Wald verschwanden. Ich hörte, wie unser alter, deutscher Adjutant namens Cramer in seinem unverkennbaren Zungenschlag zum Colonel sagte: "Das sin' die Truppe vom Gen'ral Hurlbut. Er bild' 'ne neue Linie dort im G'hölz." Als ich dies hörte, jubelte ich innerlich: "Ein Hoch auf General Hurlbut und seine Jungs im Gehölz! Vielleicht reißen wir die ganze Sache ja doch noch herum!" Dieses Gefühl der Hoffnung werde ich niemals vergessen. Unser erster Rückzug am Morgen über das Feld an den Rand unseres Lagers hatte mich verwirrt, aber dann dachte ich, dass all dies wohl nur irgendeine "höhere Strategie" gewesen sein mochte und planmäßig so geschehen sei. Als wir dann allerdings unser Lager aufgeben und einen knappen Kilometer weit davonrennen mussten, war ich überzeugt, wir seien auf ewig entehrt und in meinem Kopf kreiste die eine Frage: "Was werden die Leute zuhause nur hierzu sagen?"

      Ich litt elendigen Durst und da wir gerade untätig waren, schlüpfte ich aus der Formation und rannte auf der Suche nach Wasser zu einer kleinen Senke hinter unserer Linie. Ich fand eine Pfütze, warf mich vor ihr auf die Erde und trank mit gierigen Schlucken. Als ich mich wieder erhob, sah ich in etwa fünf Metern Entfernung einen Offizier, der ebenfalls seinen Durst stillte, wobei er sein Pferd am Zügel festhielt. Er stand auf und ich erkannte in ihm unseren alten Adjutanten. Normalerweise hätte ich es niemals gewagt, ihn ohne einen dienstlichen Anlass zu belästigen, aber die gegenwärtige Lage der Dinge hatte mich mit der nötigen Tapferkeit erfüllt. "Herr Adjutant" sagte ich, "Was bedeutet das alles? Warum rennen wir davon? Sind wir etwa geschlagen?" Er blies einige Wassertropfen aus seinem Schnauzbart und antwortete rasch in unbekümmertem Tonfalle: "Oh nein, das hat scho' alles seine Ordnung. Wir sin' nur zurück, um hier die Reserve zu bilden. Gen'ral Buell is' mit 50.000 Mann auf dem Weg über'n Fluss und wird bald hier sein. Und Gen'ral Lew Wallace kommt von Crump's Landing mit weit'ren 15.000. Wir wer'n sie dreschen, wir wer'n sie dreschen. Geh zurück zu deiner Kompanie." Ich eilte frohen Herzens und im Laufschritt zurück. Als ich meinen Platz neben meinem guten Freund Jack Medford wieder einnahm, erzählte ich ihm: "Jack, ich habe mich gerade mit dem alten Adjutanten unterhalten, während ich mir unten am Rinnsal einen Schluck Wasser gegönnt habe. Er sagt, Buell käme mit 75.000 Mann und jeder Menge Kanonen über den Fluss und irgendein anderer General sei mit weiteren 25.000 Männern von Crump's Landing auf dem Weg hierher. Er hat mir erklärt, dass wir uns absichtlich hierher zurückgezogen haben und dass wir die Rebellen ordentlich verdreschen werden, gar keine Frage. Ist das nicht großartig?" Ich hatte die Zahlen des Adjutanten ein wenig nach oben korrigiert, da mir diese Neuigkeit so fantastisch erschien, dass ich dachte, 25.000 bis 30.000 Mann mehr oder weniger würden kaum ins Gewicht fallen. Als sich die weiteren Stunden des Tages dann jedoch in die Länge zu ziehen begannen, ohne dass Buell oder Wallace erschienen wären, begann mein Vertrauen in die Aufrichtigkeit des Adjutanten beträchtlich zu bröckeln.

      Zu diesem Zeitpunkt wurde mein Regiment aus Prentiss' Division ausgegliedert und sollte für den Rest des Tages nicht mehr bei ihr kämpfen. Man schickte uns nach rechts, um dort eine Geschützbatterie zu unterstützen, deren Namen ich bis heute nicht erfahren konnte. (Einige Jahre nach der Niederschrift dieses Textes erfuhr ich, dass es sich um Richardson's Battery, Co. D, 1st Missouri Light Artillery gehandelt hatte.) Die Kanonen waren auf der Kuppe einer Anhöhe aufgestellt und als wir sie erreichten, waren sie schon lebhaft bei der Arbeit. Unsere neue Stellung befand sich etwa 100 Meter hinter der Batterie, wo wir uns flach auf die Erde legen sollten. Von der Stellung der Geschütze zu unserer Position hin fiel das Gelände sanft ab und da wir uns so flach wie möglich an die Erde pressten, sausten die Kugeln und Granaten der Rebellen über uns hinweg.

      Hier war es auch, dass ich gegen 10.00 Uhr morgens erstmals Grant sah. Er saß natürlich zu Pferde, war von seinem persönlichen Stabe umgeben und war offensichtlich unterwegs, um sich mit eigenen Augen einen Überblick über seine Linien zu verschaffen. Er stürmte an der Spitze seines Stabes im Galopp zwischen uns und den Geschützen an uns vorbei. Die Batterie lieferte sich noch immer ein hitziges Gefecht mit der feindlichen Artillerie und so zischten Kugeln und Granaten über uns hinweg und rissen Äste aus den Bäumen, aber Grant ritt vollkommen gleichmütig durch diesen Sturm. Er schien die Geschosse so wenig zu beachten, als seien sie Papierkügelchen.

      Unsere Bewachung dieser Batterie dauerte bis 14.00 Uhr an. Dann wurden wir nach rechts geschickt, schwenkten nach links um, überquerten die zu unserer Linken gelegene Corinth Straße und formierten uns in Gefechtslinie. So kletterten wir durch einen kleinen Graben und eine Anhöhe hinauf, wo wir ein Regiment an der linken Flanke von Hurlbuts Linie ablösten. Die Truppen hier waren in erbitterte Kämpfe verwickelt und das bereits, wie wir später erfuhren, seit über vier Stunden. Ich erinnere mich noch, wie wir die Anhöhe hinauf vorrückten und zu schießen begannen. Ich schaute mich um und der erste Anblick, der mir ins Auge sprang, war eine "Schwade" (wie wir im Westen sagen) von toten Männern in blauen