Geschichten aus Friedstatt Band 2: Flammendurst. Christian Voss. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christian Voss
Издательство: Bookwire
Серия: Geschichten aus Friedstatt
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742781253
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mit vereinten Kräften ging es. Einen zaghaften Blick riskierte er von einer Erhebung aus.

      Eine gelbe Flüssigkeit floss in die See – das Gestein der Bucht war eingefärbt und es roch faulig, beißend – ziemlich ungesund. Wer leitete hier was hinein? Kreto schüttelte seinen Kopf. Es wurde immer verrückter. Wenn er es nicht besser wüsste, würde er glatt behaupten: Magie. Doch er war nur ein einfacher Fischer, belesen zwar und von guter Herkunft, aber dennoch in solchen Dingen unerfahren. Kreto erinnerte sich an den Vorfall vor gut drei Monaten – die Stadt im Ausnahmezustand. Und auch hier war ungebändigte Magie am Werk gewesen. Viele behaupteten das Wasser sei schuld an dieser Misere.

      Kretos Neugierde trieb ihn an den Rohrleitungen zu folgen, zumal sie nach Süden verliefen, also in Richtung Stadt. So schlenderte das ungleiche Paar schwer beladen nach Süden. Die Rohre flankierten sie weiterhin gut sichtbar, sie waren stellenweise angerostet, doch nirgends war ein nennenswertes Leck auszumachen, ganz offensichtlich wurden sie gewartet – sie befanden sich in einem außergewöhnlich guten Zustand.

      Nach ungefähr einer Stunde beschrieben die Rohrleitungen einen Bogen und verschwanden vor ihnen im Boden. Der Fischmarkt war im vollen Gange und das Geschrei der Propagandisten flog lautstark heran.

      Eine Mauer war aus der Ferne gut sichtbar. Sie war baufällig und stellenweise eingebrochen.

      „Wenn ich mich nicht irre, hier beginnt eines der schwarzen Viertel.“ Triate nickte. „Gut zu erkennen an den kaputten Mauern – niemand bei Menschenverstand wagt sich dort hinein. Es heißt die Magie spielt in diesen Arealen verrückt und alle Ausgestoßenen finden dort eine Bleibe.“, führte der Fischer seinen Monolog zu einem Ende.

      "Und anscheinend pumpt jemand Gift aus diesem Viertel in die Bucht.", fügte er verblüfft hinzu.

      Kreto ließ seinen Blick nicht von den Mauern ab, während er sprach. Bedrohlich ragten sie auf und verdeckten die Spätnachmittagssonne mit ihren grob behauenen, schwarzen Steinen. Triate genoss diesen Ausflug – er war lange nicht mehr in der Stadt gewesen.

      Doch Kreto nahm ihm augenblicklich seine Illusion und wies ihn, an dieser Stelle, entschlossen zurück. "Geh mein Junge – das letzte Stück mach ich allein – du weißt, wie die Menschen sind." Seine Stimme klang müde und abgespannt.

      Der Kleine atmete tief und bewusst ein, sein grotesker Blick wanderte von der Mauer zu seinem Herrn und dann zum Meer. Seine Nase tropfte und seine Mundwinkel senkten sich. Einen Moment befürchtete der Fischer seinen Widerspruch, doch der Kleine drehte sich um und watschelte los gen Heimat, einem kleinen Schuppen, nicht mehr als ein Holzverschlag, gezimmert aus dem, was die Gezeiten am Strand anschwemmten.

      Es war Zeit diesen Kopf loszuwerden. Er stank allmählich, genau wie Kreto selbst. Er entschloss sich beizeiten den Truchsess oder irgendeinem anderen Beamten, der es hören wollte, die Entdeckung der Rohre mitzuteilen. Sicher würde er eine königliche Belohnung für seine Mühe bekommen.

      Offenbarung

      Glutherz war es leid. Ewig stellten ihr irgendwelche Männer nach. Aber nicht nur die, auch so manch eine Frau erwies sich als sehr zudringlich. Ihre Rasse war kein Geheimnis mehr – wie auch? Man konnte nicht den lieben langen Tag Masken tragen oder gar den Helm ihres Vaters. Ihre zarten Bewegungen, die für einen Außenstehenden fast katzenhaft wirkten, für einen Menschen also außergewöhnlich, taten das ihre dazu. Seit bekannt war, dass sie ein Erdelf, ein Demarow war, liefen ihr die weniger beschlagenen und gutgläubigen Bürger nach – man sagte ihr sogar heilende Kräfte nach. Wie absurd – sie war eine Tötungsmaschine. Bei den hiesigen Instanzen fiel sie glatt durch – sie bekam sofort zu spüren, dass sie eine Außenseiterin war, in maskierter Anonymität war ihr Leben leichter gewesen – sie sehnte sich nach diesen Tagen. Selbst der Herr der Arena Gutmayer mied ihre Nähe, wo es nur ging. Sie war einträglich, daher hier in der Arena bis auf weiteres nicht in Gefahr.

      Es nieselte, als sie unter rauschendem Beifall ihre Kammer aufsuchte. Der beginnende Winter war dieses Jahr lausig – kein Schnee – nur Regen, Regen und nochmals Regen. Der Boden war rutschig, stellenweise matschig und vollkommen aufgelöst. Unter diesen Umständen war es, selbst für sie schwierig die Balance zu halten.

      Selgarno, der Arena Doktor hatte alle Hände voll zu tun in diesen Tagen des Regens – wie die Zwergenhelfer die anhaltend schlechte Wetterperiode bezeichneten. Schena saß auf ihrem Lager und atmete lautstark aus.

      Der Bellerasir schritt gerade an ihrer Kammer vorbei. Er war unheimlich, seine schwarze Maske, die mit weit ausladenden Hörner versehen war, verlieh diesem ein dämonisches Aussehen. Der langstielige Hammer hing in seiner Schlaufe, blutgierig an seinem Gürtel hinab. Er würde gleich seiner todbringenden Leidenschaft folgen und ein Zeichen setzen, geschrieben in Blut. Verletzte gab es in jüngster Zeit nicht mehr – Gutmayer ordnete an, dass der Bellerasir eingeführt werden sollte, seine Aufgabe war es den Schwerverletzten den Schädel mit dem Hammer "Stahlfaust" einzuschlagen. Es sollte die Stimmung heben und die Menge gütlich stimmen – denn viele enttäuschte Bürger machten nach wie vor, den Gladiatoren zum Vorwurf, dass sie sich in den Stunden der Krise in der Arena verschanzten und nur ihrem räudigen Leben gedachten.

      Diese Hunde sollten wissen, wo sie in der Gesellschaft standen und der Bellerasier sollte sie daran erinnern. Viele Zuschauer stimmte diese grausame Zeremonie gütlich und sie ließen kurzerhand ihre Anfeindungen ziehen. Wer war dieser Bellerasir? – ein Mensch? Es gab berechtigte Zweifel, er tauchte aus dem Nichts auf und verschwand genauso geheimnisvoll wieder. Schena sah den roten Umhang an der Tür vorüberziehen. Er bauschte sich auf, das Haupttor öffnete sich kreischend. Blut war der Zoll für jeden nur erdenklichen Fehler, so war ihr Leben.

      Lustlos warf sie ihre ledernen Armschützer von sich und zog unter Schmerzen an ihrem Stiefel. Der Ork war gut gewesen – ein respektabler Gegner. Er hatte ihr mit der Keule eins auf die Rippen versetzt. Der Bluterguss war gut erkennbar im sanften Kerzenschein. Auszumachen waren auch diverse blaue Flecken am Schienbein, die aber weitaus weniger schmerzhaft ausfielen als befürchtet.

      Schena fühlte sich schwach. Sie musste es sich eingestehen – das Kämpfen Tag ein Tag aus schlauchte ungemein. Sie sehnte die Tage herbei, wo sie unbelastet trainieren konnte mit ihrem so geliebten Ziehvater. Dem Blick allzu neugieriger Fremder entzogen, anonym und ohne nennenswerte Sorgen.

      Und vor allen Dingen, musste sie damals nicht jeden Tag um ihr Leben bangen. Schena drehte ihren Kopf kontrollierend langsam, der Nacken schmerzte. Eine Massage in einem der zahlreichen Badehäuser wäre jetzt eine Wohltat. Sie konnte sich gar nicht mehr entsinnen, wann sie sich das letzte Mal derart verwöhnt hatte – oder hat verwöhnen lassen von den vierarmigen Kresahn Frauen.

      Die Statue der Göttin Selanir stand abwartend und stumm an ihrem angestammten Platz. Einer gut ausgeleuchteten Nische, an der Stirnseite ihres Bettes. Sie wollte beten – für bessere, leichtere Zeiten.

      Das Kraut hieß Rehwisch, man konnte es in Friedstatt an jeder Ecke, bündelweise erstehen. Jeder Tempel verwendete es, um ein Rauchopfer zu vollziehen und somit den Göttern huldvoll zu dienen.

      Götter – warum trug man ihnen nichts nach? Sie hatten sich verschanzt und die Lebenden aufgegeben. Die Gladiatoren hingegen überschauten nur die Situation, für jeden Kämpfer war klar – ein Ausfall war sinnlos und selbstmörderisch. Schena kniete sich langsam und vorsichtig vor den Altar, nahm ein Bündel Rehwisch aus einem Becher und entzündete es mit einem glühenden Span. Die Feuerstelle befand sich gleich neben der Nische. Ihre Katzenaugen glänzten, sie versuchte sich zu konzentrieren. Ihre Litanei begann immer mit demselben einleitenden Satz: Dunkel schützt und eicht, im Schatten lebt der Geist – Vorfahren horcht auf, im Bauch der glühenden Mutter.

      Das Kraut zündelte ausgesprochen gut. Rauch stieg auf und vernebelte die Kammer. Es roch würzig und erregend nach Baumharz. Die Halme waren schwärzer als sonst, die Farbe verriet, dass es länger gereift war, also später geerntet. Kostspielig war es – doch Schena war bereit mehr zu investieren, nachdem der Verkäufer sein Talent bewies und ihr weismachte, dass die berauschende Wirkung anhaltender wäre, also – länger als gewöhnlich. Es lag in der Natur dieses Gewächs seinen