Die Niesattacke des Superintendenten war vorprogrammiert und kam lediglich für die philippinischen Neulinge überraschend, die mit grossen Augen verfolgten, wie er sich das Taschentuch aus der Hosentasche zerrte und lautstark hineinnieste, die Brille sich dabei auf dem breiten Nasenrücken schief rutschte, dass das rechte Brillenglas unter dem rechten Auge hing und man sich hätte schief lachen können, wenn der Anlass nicht ein so ernster gewesen wäre. Die Attacke klang ab, die Brille wurde in die Waagerechte zurück und auf dem Nasenrücken hoch geschoben, dass die geröteten Augen hinter den Gläsern noch grösser wurden und den Eindruck des Heraustretens gaben, als er mit dem Taschentuch vor der Nase Dr. Ferdinand fragte, wie er denn darauf käme, dass es die Koevoet gewesen wäre, die das Einfahrtstor zertrümmert hatte. Dr. Ferdinand wunderte sich zunächst über die politisch motivierbare Blindheit und berichtete von der breiten Reifenspur mit dem groben Profil, die bis an den weggeknickten Torpfosten heranging. "Davon hatte mir keiner etwas gesagt", begann die Verteidigung des Superintendenten. "Das konnten Sie von dem Pförtner auch nicht erwarten, dem sein Leben näher steht als Ihnen zu sagen, was er gesehen hat. Das hätten Sie an dem betreffenden Morgen schon selbst machen müssen, als die Reifenspuren noch frisch in den Sand gedrückt waren, und das Lesen dieser Spuren jeden Zweifel ausschloss, wie es zur Abknickung des Torpfostens und zum Ausriss des Torflügels gekommen ist." Der Superintendent hatte das Taschentuch wieder weggesteckt und wollte die Ausführungen des Dr. Ferdinand mit dem Spurennachweis nicht glauben, als er ihn fragte, wie er denn von den Reifenspuren auf einen 'Casspir' schliessen und der Koevoet den Schaden anlasten könne. Dr. Ferdinand wunderte sich nun über die politisch motivierte Denkblindheit nicht mehr. Für eine Sekunde überfiel ihn die Stimmung eines 'Dann leck mich doch kreuzweise' und konterte mit der Gegenfrage, ob der Superintendent schon einmal ein Zivilfahrzeug mit so breiten, grobprofiligen Reifen gesehen hätte. Nun gab sich der Superintendent geschlagen und seiner Selbstverteidigung beraubt. So unterliess er aus Gründen des eigenen Überlebenwollens die weitere Erörterung, um aus dem Fangnetz zu entkommen und der kurzen Antwort mit dem Wort "Nein" zu entgehen.
Der Superintendent wollte eigentlich das Thema um die 'Sicherheit' des Hospitals abgeschlossen haben, wenn nun nicht Dr. Witthuhn mit der Frage nachgesetzt hätte, wie es denn um die neue Toreinfahrt stünde. Der Superintendent schaute ihn an, wobei er die Brille mit dem linken Zeigefinger am Nasenbügel zurückschob. Entrüstung und Entwaffnung hielten sich die Waage, Konkretes konnte er nicht sagen, als er von der Administration sprach, die er noch am selben Tage von der zertrümmerten Einfahrt in Kenntnis gesetzt hatte. Dr. Witthuhn sah auf irgendeinen Punkt oder Fleck am Fussboden, da er mit seinen Erfahrungen und falschen Versprechungen vonseiten der Administration noch voll eingedeckt war. "Da können Sie lange warten", meinte Dr. Nestor, und Dr. Ferdinand dachte dabei an den 'Sankt Nimmerleinstag' in Brechts 'Der gute Mensch von Sezuan', als er sagte: "Solange können Sie aber diesmal nicht warten." Der Superintendent hörte es sich an. An was er dachte, was er da hörte, das wusste in diesem Augenblick keiner, denn er sagte kein Wort mehr dazu.
Die Sirenen heulten über dem Dorf auf, dass keiner das Klopfen an der Tür hörte, und ein Offizier vom Range eines Majors den Raum betrat, der diesmal nicht als Spezialist vom modern eingerichteten Lazarett des Militärcamps in Ondangwa mit dem angeschlossenen Flughafen kam, sondern vom Brigadegeneral aus dem Dorf geschickt wurde, um den Superintendenten zu sprechen, dem er eine Botschaft von höchster Stelle zu überbringen hatte. Damit war die Morgenbesprechung beendet, obwohl noch vieles hätte besprochen werden müssen. Die Teilnehmer nahmen es gelassen hin und verliessen den Raum mit der klaren Erkenntnis, dass diese Besprechungen bislang so gut wie nichts am Zustand des Hospitals geändert hatten, die deshalb der Schweizer Kollege seinerzeit als sinnlose Zeitverschwendung deklarierte und sich von diesem Zirkus, wie er es nannte, ausschloss, was er konsequent bis zu seinem Rückflug in die Schweiz befolgte, weil er sich für diesen Zirkus zu schade war. Er war ein eigenwilliger und aktiver Kollege, der seine kriegschirurgischen Erfahrungen auf dem Hospitalschiff `Vietnam' vor dem damaligen Saigon gesammelt, als Schweizer Bergsteiger vor seinem Weggang den Brandberg solistisch noch bestiegen, dabei den Wasserverlust durchs Schwitzen unterschätzt hatte und sich an den Bergabstieg überhaupt nicht mehr erinnern konnte.
Der junge Kollege, der in seiner Freizeit an einem Buch über das Leben eines jungen Ehepaars schrieb, das wegen der Rassengesetze Südafrika verlassen und über Helsinki nach Neuseeland emigirierte und sich an der Palliser Bucht, unweit von Wellington, niedergelassen hatte, eilte Dr. Ferdinand nach, um ihn über den neuesten Stand seiner Erzählung zu berichten. "Als ich die Sirene über dem Dorf heulen hörte", sagte der junge Kollege fast aufgeregt, "hörte ich die kleine Glocke der Dorfkirche an der Palliser Bucht läuten. Sie läutete in der Nacht und lange, um die Dorfbewohner vor dem anrückenden Taifun zu warnen, der jedes Jahr im Juni über die Insel stürmt, Dächer abhebt, Häuser eindrückt und umkippt, und die anrollenden Flutwellen das Land hinter der Bucht überschwemmen. Einige Male stand das kleine Dorf unter Wasser, wo die aufgeschichteten Sandsäcke vor den Eingängen nicht verhinderten, dass das Wasser in die Häuser drang. Die Menschen fuhren in Kanus, die übers Jahr mit dem Kiel nach oben neben den Häusern auf niedrigen Holzböcken liegen, und in grösseren Booten durchs Dorf und brachten ihre Schafe und Ziegen ins Trockene zum Weiden." Dr. Ferdinand freute sich, dass der junge Kollege an seiner Geschichte arbeitete. Er fand die Assoziation mit der heulenden Sirene nicht uninteressant und wollte an das nächtliche Sturmläuten der kleinen Kirchturmglocke an der Palliser Bucht denken, wenn die Dorfsirenen das nächste Mal heulten, und an das Sirenenheulen denken, wenn er im fertiggestellten Buch die Stelle mit dem Sturmläuten der Glocke liest, das die Dorfbewohner vor dem anrückenden Taifun warnen sollte. Auf dem Wege zum 'theatre' wurden sie aus dem Gespräch gerissen, als eine schwarze Frau, deren Haut hell geblieben war, weil ihr als 'Albino' die Genetik die Melanozyten nicht in der gewünschten Menge in die Haut gegeben hatte, vor ihren Augen zusammenbrach und einen epileptischen Anfall auf dem harten Betonboden bekam. Das kleine Mädchen von normaler, schwarzer Hautfarbe, dass die Albinomutter an der Hand geführt hatte, war hilflos und weinte in kindlicher Sorge um die Mutter. Dr.