Ein ganz böser Fehler?. Mike Scholz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Mike Scholz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754131794
Скачать книгу
mehr­mals gestellte Frage, ob sie mich wie­der holen wer­den, hieß es immer: »Wenn es deine Mutter will.«

      Wahrscheinlich sollte mir dadurch mein Abhän­gigkeitsverhältnis zu ihr klar gemacht werden. Wie entzückend!

      Die Parade ist vorbei, der Tag ist vorbei, doch so richtig wohl ist mir nicht. Nur werde ich erst nächstes Wochenende sehen, ob zu Recht oder unbegründet.

      5

      Samstag, 2. Februar. Früh 11:00 Uhr.

      Gestern hat sich Claudia verabschiedet. Einmal in ihren vier Wochen hat sie probiert, ob ich es schon rea­lisieren kann, nur mit einer Krücke zu laufen, aber es ging total in die Hose. Ich kam mit der Gewichts­verlagerung nicht zurecht, dazu fehlte mir noch die Koordination. Aber ich war's auch noch nicht ge­wöhnt. Trotzdem bin ich ihr sehr dankbar dafür, dass sie es versucht hat.

      Am gestrigen Vormittag hatte sie praktische Ab­schlussprüfung, ich das Opferlamm. Und natürlich habe ich versucht, alles, was sie mir anwies, so gut wie möglich zu machen – Kniebeugen in Wartestel­lung, Rumpfheben, Koordinationsübungen, Laufen. Die Millern wirkte aber nicht sehr zufrieden damit. Und wie mir Claudia später sagte, hatte sie nur eine '3' dafür bekommen. Verstehe ich zwar nicht ganz, denn ich fand es in Ordnung, aber sie soll eben zu we­nig Abwechslung hineingebracht haben. Claudia war jedoch zufrieden mit der '3' – also was soll's?!

      Da heute Sonnabend ist, sollte ich ja eigentlich zu Hause sein. Aber Fehlanzeige. Da kommt niemand. Und das nun schon die zweite Woche. Dabei – meine Wäsche reicht nur sieben Tage. Weswegen ich auch letzten Sonnabend anrief. Erreichte meine Mutter auch. Doch ihre Erklärung wie immer in solchen Fäl­len: das Auto ist kaputt. Ich teilte ihr mit, dass ich we­nigstens Wäsche brauche. Worauf sie mir versicherte, welche in der darauffolgenden Woche vorbeizu­bringen. Aber – nicht mal ein Zipfelchen von ihr gab mir seine Aufwartung. Wahrscheinlich ist sie der Meinung, da sie selbst kaum die Wäsche wechselt, brauche ich dies auch nicht zu tun. Und so kämpfte ich mich nun mit sechs Slips über die bis jetzt zwei Wochen. Unangenehm! Aber was soll ich machen?? Nun habe ich mir einen Zugfahrplan besorgt, suche mir die hiesigen Ankunftszeiten heraus – damit sie nicht wieder sagen kann, sie habe keine Ahnung, wie sie hierher kommen soll – dann gehe ich wieder einmal anrufen.

      »Was liegt denneutan?«, frage ich sie, nachdem sie sich gemeldet hat.

      »Das Auto ist immer noch kaputt.« Gelangweilter Klang.

      »Ich hadirdoch gesagt, dasses nochn Zug gibt; und ichseh keen Grund, ihn ni zu benutzn.«

      »Hmmh.«

      »Ihr könnmichouch inihm abholn.«

      »Hmmh.«

      Ihr »hmmh« macht mich stutzig. »Wie sollnas jetz­te weitergehn?«, stelle ich deswegen eine Fangfra­ge.

      »Hmmh.«

      Jetzt fängt der Topf an überzukochen. Auf sie mit Gebrüll: »Sag mal, hörste mir überhaupt zu??«

      »Hmmh. – Was?« Damit dürfte sie nicht gerechnet haben, dass ich ihre Unaufmerksamkeit registriere. Ich wiederhole meine Frage.

      »Natürlich höre ich dir zu, Mike.«

      »Außer wennde mirni zuhörst, und dasis fasim­mer!«

      »Hmmh.«

      Das »hmmh« geht mir auf'n Sack! Die hat echt Glück, dass man durchs Telefon nicht durchlangen kann! Ansonsten …

      »Meie Wäsche reicht nurne Woche! Jetzt sinschon zwee Wochen vorbei! Logisch, dassch neue brauch!«

      »Und wie soll ich das bewerkstelligen? Kannst du mir das auch mal sagen? In der Woche muss ich ar­beiten und am Wochenende kann ich nicht, da das Auto kaputt ist!«

      Dann kriechst du eben über die Landstraße!

      »Haste schoma voner staatlichn Einrichtung ge­hört, die sich Reichsbahn nennt? Und dade natüich, weilde nie Zeit has, dein Taschnfahrplan ni findst, habch mich scho kundig gemacht, nenn dir jetzte die Abfahrtszeitn!«

      »Und schreibse dir off!«, stoße ich nach dem Nen­nen noch mal nach.

      »Unich erwart dich morgn! Besser machn!«

      »Ja, ich komme morgen.«

      »Und, alles klar gegangen? Was ist rausgekom­men?«, fragt mich die gerade hereinkommende Schwester Kringel, die den ganzen Zirkus absolut nicht verstehen kann.

      »Siesoll morgn kommn un Wäsche bringn. Aber obses macht – das kanncherst sagn, wennse dais. Un wases Abholn betrifft: Das Auto isma wieder kaputt. Wie immer, wennch niabgeholt werde.«

      »Das finde ich aber reichlich merkwürdig. Erst kam sie ja überhaupt nicht. Fängt das jetzt wieder an?«

      »Keene Ahnung!« Damit bewege ich mich zurück ins Zimmer.

      6

      Montag, 4. Februar. Frühstück ist vorbei.

      Ich bin gespannt, wer mich ab heute betreut. Da aber ewig keiner kommt, lasse ich wieder mal eine riskante Versuchsaktion steigen: Ich bewege mich mit nur einer Krücke bewaffnet im Zimmer herum. Muss dabei hochkonzentriert sein – denn ich fühle mich in der Bewegung wie ein Mininashorn auf wegrollenden Eiern! Ich torkel da was durch die Gegend, unklar!

      Das Zimmer habe ich einmal durchmessen, muss jetzt wieder zurück. Darum heißt es wenden. Doch da – schneller als ich denken kann, liege ich auf dem Bo­den.

      Was hab ich denn jetzt wieder falsch gemacht?? Zu schnell um die Kurve, Gewicht nicht verlagert, da­durch nicht mittig bewegt, konnte nach rechts den Abgang machen; was ich auch tat.

      Franz, der meine Aktion argwöhnisch beobachtete, hat nun natürlich Stoff für eine seiner Moralpredigten gefunden: »Mike, dir kann man erzählen, was man will! Aber du hörst nicht drauf! Aber du hast doch ge­rade gesehen, wohin das führt! Warum wartest du nicht auf die Krankengymnastik?«

      »Weil die immer nur das middir übn, wasde breits vorweisn kannst. Die Kra-Kra-Krankengymnastik diender Stabisation. Neuland betretn musste aer selst erstma.«

      »Du bist verrückt!«

      »Verrückt is besser as penibel, phantasielos, nüt­tern in mentalem Sinne. Außedem kann mansn Phy­soterapeutinn ni zumutn, die Verantworung für soiche riskantn Aktion zu übernehmn. Die muss man schon selber tragn! Deswegen bleibteem ouch gar nischt an­res übig, alses alleine zu exerziern.«

      »Jetzt gehst du aber zurück zum Bett und wartest!« Während er dies sagt, hilft er mir auf.

      »Vergißes!«, entgegne ich. »Was sollchn im Bette?! I will hier laufend entlassn werdn, ni krie­chend!«

      »Bis du wieder fällst!«

      »Hmmmh, dann stehicheben wiederoff.«

      »Und wenn dir dabei was passiert?«

      »Tja, dann, ja genau dann habch Pech gehat. Das wäraber immer noch besser, als im jetzen Zustand da­hinzuvegetiern.«

      »Ich habe auch mal so gedacht«, holt er seine Erin­nerungen hervor. »Nach dem Krieg lag ich in einem Lazarett, hatte ein Bein verloren. Da habe ich auch gedacht: 'Mensch, was hat dein Leben noch für einen Sinn?! Du wirst nie wieder laufen können.' Aber wir hatten einen Pfleger, der war – wie soll ich es ausdrü­cken – brutal. Der half dir nicht, wenn du hingefallen warst, da musstest du dir alleine hochhelfen. 'Im spä­teren Leben hilft dir auch keiner!', sagte er immer. Und im Nachhinein bin ich ihm dankbar; denn durch ihn habe ich gelernt, dass es so auch geht.«

      »Siehste, un mei Pfeger binich selber. Bei mir sin­außerdem die Bedingungen een bissel anders: Ich bin, zum Glück, ni beenamutiert. Ich habouchn Sprung vom Rollstuhl zun Krücken schon geschafft. Dasim Ganzn betachtet, stehnmir dochalle Wege offn. Ich muss und werdas freihändige Loufn schaffn!«

      »Dein Willen ist echt zu bewundern.