Dom zu Magdeburg. J. F. W. Koch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: J. F. W. Koch
Издательство: Bookwire
Серия: historisches Deutschland
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783753189147
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es der 20. May) die Stadt erstürmen und einäschern ließ. Es hatten sich, — nach Otto von Guerike's Zeugniß, — an 4ooo Einwohner gegen die schändlichen Mißhandlungen der stürmenden Unholde in den Dom geflüchtet und daselbst eingeschlossen. Als Tilly am 12. May über die dampfenden Schutthaufen in die Stadt kam, ließ er sie auffordern, die Kirche zu öffnen, und sich zu ergeben.

      Da trat an ihrer Spitze der ehrwürdige Domprediger Bake heraus, fiel dem Sieger zu Füßen und sagte folgende, dem Virgil nachgebildete, Verse:

      Venit summa dies et ineluctabile fatum Magdburgo. Fuimus Troes; fuit ilium et ingens

      Gloria Parthenopes!

      Diese Worte besänftigten den Wütherich. Er verschonte die Unglücklichen und den Ort ihrer Zuflucht; jedoch nahm er eine große Menge von den Reliquien, die, zum Theil noch eine Gabe des Kaysers Otto, aus dem alten Dom gerettet und hieher gebracht, waren, mit hinweg.

      Diesem Muthe, mit welchem Bake dem stolzen Sieger entgegentrat und ein besseres. Gefühl in ihm aufregte, ist die Erhaltung dieses Prachtgebäudes zu verdanken. Denn, außer dem, auch nur mit Mühe geretteten, Kloster Unser Lieben Frauen, wurde die ganze Stadt, sammt allen ihren Kirchen, mit Ausnahme weniger Häuser, ein Schutthaufen. Nur der südliche Thurm hat wahrend dieser Belagerung gelitten und trägt noch da die sichtbaren Spuren derselben, wo die feindlichen Kugeln angeschlagen sind; auch ist ihm damals die Krone weggeschossen, weil die Belagerten von diesem Thurm aus mit ihren gezogenen Röhren in den Laufgraben den Belagerern vielen Schaden angerichtet hatten.

      Aus der neuesten Geschicht« mag zum Schluß hier hoch bemerkt werden:

      Daß 1810. am 10. Dec. diese Kirche durch die von der Westphälischen Regierung ausgesprochene Aufhebung des Domcapitels nicht nur ihre würdigen Vorsteher verlor, sondern auch die nöthigen Fonds zu ihrer Erhaltung. Dies war um so mehr zu beklagen, da die allmählige Herstellung dessen, was die Zeit daran verwüstet hat, nicht nur beschlossen, sondern wirklich begonnen war, z. B. an der nördlichen Gallerie des Schiffs. Von der edlen Regierung, welche sich unsre Stadt wieder erkämpft hat, läßt sich mit Zuversicht hoffen, daß sie diese Zierde derselben wieder unter ihre schüzende Obhut nehmen werde.

      Im Jahre 1811 (22. Jul.) nahmen sie die französischen Behörden zu einer Niederlage der Colonialwaren weg, wobey zwar der Fortgang des Gottesdienstes im hohen Chor gestattet wurde, aber mehrere von den schönen Kunstwerken durch Staub und theils sorglose, theils selbst gewaltthätige, Behandlung bedeutend gelitten haben.

      Im Jahr 1813. im Februar mußte die ganze Kirche geräumt werden, und die Stühle wurden zum zweytenmale sämmtlich weggebrochen, weil man sie zti einem Militair-Magazin und während der Blokade gar zu einem Schaafstall entweihete. Mit der Aufhebung der Belagerung durch den Pariser Frieden entging sie zum zweytenmale der Gefahr einer gänzlichen Verwüstung. Am 29. May 1814, am ersten Pfingsltage, ward darin, ob sie gleich nur erst gereinigt und noch nicht hergestellt war, das feyerliche Dankfest für die Besitznahme der Stadt durch die Preußen, welche am 24. d. M. geschehen war, begangen, und erst am 21. August war sie durch die gütige Fürsorge des Königl. Geheimen Staatsraths Civil - Gouverneurs und Ritters, Herrn von Klewiz, so weit wieder eingerichtet, daß sie von neuem der Gottesverehrung geöffnet werden konnte.

      Zweyter Abschnitt.

      Das Aeußere des Doms.

      Ein Fremder verläßt nicht leicht Magdeburg ohne, wenn auch nur von außen, den Dom gesehen; — und er sieht ihn nicht, ohne ihn bewundert zu haben. Dies verdient er aber auch wirklich, nicht blos als ein ehrwürdiges Denkmal der grauen Vorzeit, sondern auch und vornehmlich als ein Meisterstück der alten Baukunst. Dafür halten ihn alle Kenner der Architectur; und, je mehr sie in die einzelnen Theile dieses Prachtgebäudes eingehen, desto mehr finden sie, daß dasselbe von den Eigentümlichkeiten des, — wie man sagt — „gothischen“ Geschmacks in der Baukunst eine ziemlich vollständige Anschauung gebe.

      Man sollte aber sagen: des „altdeutschen“ Geschmacks. Denn es ist wohl außer Zweifel, daß das ganz rohe Nomadenvolk der Gothen bey seinem Eindringen in Italien von dieser Kunst eben so wenig etwas gewußt habe, als von allen übrigen Künsten; auch paßt der Ausdruck „gothisch“, wodurch gewöhnlich das Geschmacklose, also das Ungeordnete Unbestimmte, Zusammengestoppelte und Ueberladene bezeichnet wird, gewiß nicht auf ein Kunstwerk dieser Art, woran schon ein flüchtiger Ueberblick das Gegentheil davon: das Große, Kühne, Feste, Zweckmässige und Gleichförmige bewundern läßt.

      Der Geschmack, in welchem der Dom erbauet ist, ist deutsch, und entstand in den mittlern Jahrhunderten; hielt sich rein von fremder Beymischung, und unterscheidet sich durch einen eigentümlichen Charakter, dessen ausführlichere Darstellung hier wohl nicht erwartet wird und wovon ich nur seine Kreuzgewölbe nenne, seine Verwandlung der Kreislinien in Polygone, seine in Spitzen auslaufende Formen, seine Spitzbögen, Spitzgiebel, Spitzpfeiler und seine starken Strebepfeiler, welche zusammen den Anblick eines gewissen mächtigen Emporstrebens und Gegeneinanderstrebens der Theile gewähren.

      Über die Entstehung, den Charakter und den Werth dieses Geschmacks in der Architectur findet man in der meisterhaft künstlerischen Darstellung des Herrn Bauconducteurs J. C. Costenoble „über altdeutsche Architectur und deren Ursprung. (Mit 18 Kupfertafeln. Halle. Hemmerde und Schwetschke. 1812.“ 13 Bogen in groß Fol.,) eine völlig befriedigende Belehrung; so wie in den Kupfertafeln eine getreue Abbildung und Beurtheilung vieler Eigenheiten und Verzierungen dieses Doms.

      Wer für das Große und Erhabene Sinn hat, kann des Anblicks desselben nie satt werden, und wird leicht einem Herder nachempfinden, der vom Strasburger Münster, dessen Thürme doch, nur, nicht aber das Schiff der Kirche, in diesem edlen Geschmack erbaut sind, sagt: „Mit welchen unerwarteten Empfindungen überraschte mich der Anblick, als ich davor trat! Ein ganzer, großer Eindruck füllte meine Seele, den, weil er aus tausend Einzelheiten bestand, ich wohl schmecken und genießen; keineswegs aber erkennen und erklären konnte. Sie sagen, daß es also mit den Freuden des Himmels sey; und wie oft bin ich zurückgekehrt von allen Seiten und allen Entfernungen, in jedem Licht des Tages zu schauen seine Würde und Herrlichkeit. Schwer ists dem menschlichen Geiste, wenn seines Bruders Werk so erhaben ist, daß er nur sich beugen und anbeten muß!“

      Das ganze Riesengebäude ist vollkommen maßiv, und nur mit Ausschluß des, dem Auge unsichtbaren, Dachstuhls, von sorgfältig bearbeiteten Werkstücken, meist Pirnaischen Sandsteins, aufgeführt, oder doch wenigstens damit verblendet. Die Fugen zwischen den Steinblöcken sind kaum zu erkennen; der Mörtel ist durch das hohe Alter selbst so gleichsam versteinert, daß die ganze ungeheure Masse wie aus einem Felsen gehauen zu seyn scheint.

      9.

      Wiewohl es eine große Menge von Standpuncten gibt, von denen aus der Dom einen, immer andern, aber auch immer großen, Anblick gewährt, so sind doch hier folgende Vier, dem Beschauer vorzüglich zu empfehlen:

      1. Der an der Westseite auf dem freyen Platze, mitten vor den Thürmen.

      Hier erblickt das Auge die beyden, kek und fest emporstrebenden, Thürme in ihrer ganzen reichen Pracht. Sie sind in fünf Absätze getheilt, von welchen die untern vier vollkommen viereckt und der fünfte ein reguläres, laternartig durchbrochenes, Achteck ist. Auf diesem ruhet die sechszehnseitige pyramidalische Kuppel, die an ihren hervortretenden acht Kanten mit vielen hervorspringenden Figuren geziert ist. Nach oben zu verschmälern sich die Thürme in nachfolgendem Verhältniß: Die Breite der beyden untersten Absätze ist 44 rheinl. Fuß; — die des dritten 4o Fuß 3 Zoll; — der Durchmesser der Laterne 36 Fuß; der untere Durchmesser der Kuppel 31 Fuß.

      Auf der Kuppel des nördlichen Thurms sieht man eine zierlich durchbrochene Krone, welche 10 Fuß 2 Zoll ins Gevierte hat, am Rande 2 Fuß 2 Zoll sich erhebt, und aus deren Mitte ein Helm hervorragt, welcher eine Höhe von 5 Fuß 8 Zoll, unten einen Durchmesser von 2 Fuß 2 Zoll hat, und in eine 10 Zoll dicke Spitze ausgeht.

      Der südliche hat die seinige in der Belagerung von 1631, wie oben (Satz 6.) schon bemerkt ist, eingebüßt, so wie auch dieser ganze Thurm inwendig verwüstet ist; jedoch auf der, oberwärts sehr wohl erhaltenen, massiven Treppe bis auf die oberste Gallerie bestiegen, werden kann.

      Jeder