David Copperfield. Charles Dickens. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Charles Dickens
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753197098
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sagte ich.

      »Wenn Sie Master Murdstone sind, warum sagen Sie da zuerst einen andern Namen?«

      Ich erklärte ihr den Zusammenhang, worauf sie eine Glocke zog und rief: »William, bring ihn ins Frühstückszimmer.« Aus der Küche am andern Ende des Hofes kam ein Kellner herausgerannt und schien sehr erstaunt, als er bloß mich sah.

      Es war ein sehr geräumiges Zimmer mit verschiedenen großen Landkarten an den Wänden. Ich setzte mich scheu mit der Mütze in der Hand auf die Ecke des Stuhles, der der Tür am nächsten stand, und als der Kellner für mich einen Tisch deckte, muß ich ganz rot vor Bescheidenheit geworden sein.

      Er brachte mir einige Koteletten mit Gemüse und nahm den Deckel in so heftiger Weise herunter, daß ich glaubte, ich hätte ihn irgendwie beleidigt. Aber ich beruhigte mich wieder, als er mir den Stuhl an den Tisch schob und sehr leutselig sagte: »Nun, Sechsfußhoch, kommen Sie her.«

      Ich dankte ihm und setzte mich an den Tisch, fand es aber sehr schwer, mit Messer und Gabel zu hantieren, ohne mich zu bespritzen. Währenddessen stand er mir gegenüber und wandte kein Auge von mir und machte mich immer schrecklich erröten, wenn ich seinem Blick begegnete.

      Nachdem er mir bis zum zweiten Kotelett zugesehen, sagte er:

      »Es ist auch eine halbe Pinte Ale für Sie bestellt. Wollen Sie sie jetzt haben?«

      Ich dankte und sagte: »Ja.« Hierauf goß er das Bier aus einem Krug in ein großes Glas und hielt es gegen das Licht.

      »Meiner Seel,« sagte er, »es scheint eine ganze, ganze Menge, was?«

      »Ja, es scheint eine ganze Menge,« antwortete ich lächelnd, denn ich war ganz entzückt, daß er zu mir so freundlich war. Er war ein Mann mit zwinkernden Augen und sinnigem Gesicht, und das Haar stand ihm zu Berge. Wie er den Arm in die Seite gestemmt hatte und das Glas gegen das Licht hielt, sah er jedoch ganz gemütlich aus.

      »Gestern war ein Gentleman hier,« fing er wieder an, »ein großer, starker Gentleman, der hieß Oberniedersäger. Kennen Sie ihn vielleicht?«

      »Nein,« sagte ich, »ich glaube nicht.«

      »Kurze Hosen und Gamaschen, breitkrempigen Hut, scheckiges Halstuch,« sagte der Kellner.

      »Nein,« sagte ich gedrückt. »Ich habe nicht das Vergnügen.«

      »Er kehrte hier ein,« sagte der Kellner und sah immer noch durch das Glas, »bestellte auch Ale, trotzdem ich ihm abriet, trank es und war tot auf der Stelle. War zu alt für ihn. Es sollte nicht ausgeschenkt werden. Das ist die Sache.«

      Der tragische Vorfall machte mich ganz bestürzt und ich sagte, ich würde ein Glas Wasser vorziehen.

      »Ja, sehen Sie,« sagte der Kellner, immer noch mit dem einen Auge durch das Glas spähend, das andere hatte er zugemacht, »unsre Leute sehens nicht gern, wenn etwas bestellt wird und stehen bleibt. Nehmens übel. Aber ich wills trinken, wenn Sie erlauben. Bin dran gewöhnt und Gewohnheit kann alles. Ich glaube nicht, daß es mir schadet, wenn ich den Kopf zurücklege und es rasch hinuntergieße. Was?«

      Ich erwiderte, ich wäre ihm sehr verpflichtet, wenn er es tränke und es ihm nicht schaden würde. Sonst aber möge er es ja nicht tun. Als er den Kopf zurücklegte und es rasch hinuntergoß, erfaßte mich eine schreckliche Angst, er könnte das Schicksal des bedauernswerten Mr. Oberniedersäger teilen und tot zu Boden fallen. Aber es tat ihm nichts. Im Gegenteil, es schien ihn nur erfrischt zu haben.

      »Was haben wir denn da?« sagte er und fuhr dann mit einer Gabel in meine Schüssel. »Doch nicht Koteletten?«

      »Koteletten,« sagte ich.

      »Gott bewahre!« rief er aus. »Ich wußte gar nicht, daß es Koteletten sind. Ein Kotelett ist das beste gegen das Bier. Ist das ein Glück, was?«

      Damit nahm er ein Kotelett, den Knochen in die eine Hand und eine Kartoffel in die andere, und verschlang beide zu meiner größten Befriedigung mit außerordentlichem Appetit. Dann nahm er noch ein Kotelett und noch eine Kartoffel und noch ein Kotelett und noch eine Kartoffel. Hierauf brachte er mir einen Pudding, setzte ihn auf den Tisch und schien ein paar Augenblicke ganz in Gedanken zu versinken.

      »Wie ist die Pastete?« fragte er, wie aus einem Traum erwachend.

      »Es ist Pudding,« gab ich zur Antwort.

      »Pudding?« rief er aus. »Gott bewahre! Wirklich!« und genauer hinblickend: »Es ist doch nicht etwa Blätterpudding?«

      »Ja, es ist Blätterpudding.«

      »Was? Blätterpudding?« sagte er und nahm einen Eßlöffel. »Das ist ja mein Lieblingspudding. Ist das nicht ein Glück? Komm, Kleiner, wollen mal sehen, wer das meiste kriegt.«

      Er bekam wirklich das meiste. Er bat mich mehr als einmal, ich möchte mich doch dazu halten, aber das Mißverhältnis seines Eßlöffels zu meinem Teelöffel, seiner Fertigkeit zu meiner, seines Appetits zu meinem Appetit bewirkten, daß ich schon bei den ersten Bissen weit zurückblieb und keine Aussicht mehr hatte, ihn wieder einzuholen. Ich glaube, ich habe niemals jemand einen Pudding mit so viel Genuß essen sehen; und er lachte, als er fertig war, als ob seine Freude noch fortdauerte.

      Da er so freundlich und gefällig war, bat ich ihn um Feder, Tinte und Papier, um an Peggotty zu schreiben.

      Er brachte es nicht nur sogleich, sondern war auch so freundlich, mir über die Achsel zu sehen, während ich schrieb. Als ich fertig war, fragte er mich, wo ich zur Schule ginge.

      Ich sagte: »Bei London,« denn ich wußte weiter nichts.

      »Gott bewahre!« sagte er und schaute sehr traurig drein. »Das tut mir leid.«

      »Warum?« fragte ich ihn.

      »Ach mein Gott,« sagte er und schüttelte den Kopf, »das ist die Schule, wo sie dem Jungen die Rippen zerbrachen. Zwei Rippen. Es war ein kleiner Junge. Er war etwa – warten Sie mal – wie alt sind Sie ungefähr?«

      Ich sagte ihm: »Zwischen acht und neun Jahre.«

      »Das ist grade sein Alter. Er war acht Jahre und sechs Monate, als sie ihm die erste Rippe brachen, acht Jahre und acht Monate alt, als sie ihm die zweite zerbrachen. Und dann war es aus mit ihm.«

      Ich konnte weder mir noch dem Kellner verhehlen, daß das ein recht unangenehmer Vorfall sei, und forschte, wodurch es denn geschehen wäre. Seine Antwort klang durchaus nicht ermutigend für mich, denn sie bestand aus zwei schrecklichen Worten: »Durch Strixe.«

      Das Blasen des Posthorns auf dem Hof veranlaßte mich, aufzustehen, und mit einem aus Stolz und Ängstlichkeit gemischtem Gefühl, im Besitz einer Börse zu sein, fragte ich, ob noch etwas zu bezahlen wäre.

      »Ein Bogen Briefpapier,« sagte er. »Haben Sie schon einmal einen Bogen Briefpapier gekauft?«

      Ich konnte mich nicht erinnern.

      »Ist sehr teuer. Von wegen die Steuer,« sagte er. »Drei Pence. So werden wir hier besteuert! Sonst weiter nichts. Bloß der Kellner noch. Die Tinte kostet nichts, bei der setze ich zu.«

      »Was möchten Sie – was soll ich – wieviel hätte ich – was gibt man wohl dem Kellner, bitte?« stammelte ich und wurde rot.

      »Wenn ich keine Familie besäße und die Familie nicht die Pocken hätte,« sagte der Kellner, »würde ich nicht sechs Pence nehmen. Wenn ich keinen alten Vattern nicht hätte und eine lübliche Schwester« – hier wurde der Kellner sehr aufgeregt – »möchte ich keinen Pfennig nicht nehmen. Wenn ich eine gute Stelle hätte hier und gut behandelt würde, würde ich selbst Trinkgeld geben anstatt eins zu nehmen, aber ich lebe von Abfall und schlafe auf Kohlen –,« hier brach er in Tränen aus. Mich ergriff seine unglückliche Lage sehr und ich fühlte, daß ein Trinkgeld von weniger als neun Pence eine wahre Brutalität und Herzenshärte wäre. Daher gab ich ihm einen meiner drei blanken Schillinge, den er mit großer Demut und Ehrerbietung entgegennahm und gleich darauf mit dem Daumennagel auf seine Echtheit untersuchte.

      Ich geriet