Der Junge mit dem Feueramulett. Frank Pfeifer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Frank Pfeifer
Издательство: Bookwire
Серия: Der Junge mit dem Feueramulett
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783753191164
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wie sie weit im Westen von den Wolken verschluckt wurde.

      Wallas hatte ihm angekündigt, dass sie in dieser Nacht sein Gesellenstück anfertigen würden. Trotz aller Bedenken empfand Kard dies letztendlich als große Ehre. Er wusste, dass er inzwischen alle Geheimnisse und Tricks des Schmiedehandwerks beherrschte. Aber nie hatte er einen Gedanken daran verschwendet, dass Wallas, der Schmied, einer der renommiertesten Handwerker seine Zunft, ihn eines Tages zum Gesellen berufen würde. Schon allein die Tatsache, dass er in der Werkstatt eines Toraks eine Ausbildung machte, hatte ihn mit unbändigen Stolz erfüllt. Ein Mensch in der Schmiede eines Toraks, so etwas hat es noch nie gegeben. Aber das Feuer war schon immer sein Element gewesen. Wenn die schwarzen Köhler gekommen waren, um die rußigen Brocken in den Keller des Waisenhauses zu schaufeln, in dem er aufgewachsen war, war er stets von einer seltsamen Unruhe befallen worden. Und wenn dann mit den neuen Kohlen das erste Feuer des Winters angefacht worden war, hatte er keine Angst gehabt. Das Feuer war sein Freund, beschützte ihn. Und verletzte ihn nicht. Nie hatte er sich Brandwunden geholte, wenn er half, die riesigen Öfen anzuheizen, die in der kalten Jahreszeit das Waisenhaus auf halbwegs erträgliche Temperaturen erwärmten. Die anderen Kinder dagegen zeigten den Govas ihre Wunden, die sie sich holten, wenn sie ihren Dienst an den Öfen verrichteten. Oder sie brachen erschöpft zusammen, weil die unerträglichen Temperaturen im Heizungskeller ihnen alles Wasser aus dem Körper gesogen hatte. Bei Kard war es das Gegenteil. Die Hitze stärkte ihn, machte ihn mutig. Und eines Tages war dann Wallas aufgetaucht, auf der Suche nach einem Lehrling. Schon etwas seltsam, dass der Torak den weiten Weg von Conchar bis in dieses abgelegene Waisenhaus zurückgelegt hatte, um einen Menschen zu finden, der bei einem Torak-Schmied in die Lehre gehen wollte. Genauso gut hätte man auf der Suche nach Gold irgendeinen Pflasterstein in Conchar hochheben können. Oder hatte die alte Gova, mit der der Torak im Waisenhaus aufgetaucht war, ihre magischen Finger mit im Spiel gehabt? Aber Kard war es egal gewesen. Weg vom Waisenhaus, weg aus diesem einsamen Wald und auf nach Conchar in eine Welt, die vom Feuer regiert wurde. Kard musste nicht einen Moment überlegen, als die Oberste Gova des Waisenhauses ihn fragte, ob er mit diesem riesigen, fremden Torak mitgehen wolle.

      Bevor er an diesem Abend nach oben in die Schmiede ging, nahm Kard den Schöpflöffel aus dem hölzernen Wasserbottich und nahm einen großen Schluck. An den Essen verdampfte das Wasser zu schnell, deswegen wurde es hier unten im Keller gelagert. Es schmeckte schal, der letzte Regen war vor Wochen gefallen. Aber der Sommer war jetzt auf seinem Höhepunkt, in wenigen Wochen würden die Herbststürme über Conchar fegen und dunkle Wolken mitbringen. Bis dahin mussten sie auf frisches Wasser warten. Und das brackige, schlammige Flussbrühe trinken.

      Wallas wartete bereits auf ihn. Er schien erschöpft, die Augen des Toraks lagen etwas tiefer in den Höhlen als sonst. Kein Wunder bei dieser Hitze tagsüber, die selbst einem Torak langsam zu viel werden konnte. Obwohl Kard die Augen in den über vier Zentnern Muskelmasse und in weit über drei Cas, also drei Beinlängen Höhe, sowieso kaum ausmachen konnte. Manchmal wäre eines dieser geschliffenen Gläser, die die Wache benutzten, um die Ebenen hinter den Stadtmauern auszukundschaften, ganz hilfreich, dachte Kard. Dann könnte er sich sein Minenspiel mal genauer ansehen und wüsste vielleicht, was in diesem dicken Kopf vor sich ging. Aber Wallas lächelte. Das ist doch schon mal ein gutes Zeichen! Denn das kam bei diesem mürrischen Torak nicht oft vor.

      »Nachdem Flanakan vor vielen Jahrzehnten die Große Schlacht gewonnen hatte, verbot er allen das Führen von Waffen, wie du weißt«, begann Wallas.

      Kard nickte. Ah, eine feierliche Rede! Das gehörte wohl dazu, wenn man in den Gesellenstand erhoben werden sollte.

      »Aber schon immer war das Gesellenstück des Schmiedes ein eigenes Schwert! Und das lassen wir uns von niemandem verbieten, auch nicht von einem Flanakan.«

      »Aber vielleicht ist ein Gesellenstück ja gar keine richtige Waffe!« Kard sah Wallas hoffnungsvoll an. »Vielleicht gibt es ja eine Ausnahmegenehmigung? Man könnte mal im Großen Archiv nachschauen.«

      Kard wäre gerne auf der sicheren Seite gewesen.

      Wallas blieb ganz ruhig. »Ein Schwert ist ein Schwert ist ein Schwert ist ein Schwert.«

      »Wir könnten den Obersten Verwalter fragen…«

      Der Junge wusste selbst, dass dies kein gangbarer Weg war. Auch wenn sich hartnäckig das Gerücht hielt, dass im Archiv von Conchar alle Verträge, Aufzeichnungen und Steuerzahlungen aufbewahrt wurden, selbst aus der Zeit vor der Großen Schlacht. Leider nur, um in den inszenierten Gerichtsverhandlungen dem staatlichen Ankläger die passenden Beweisstücke zu liefern. Der Oberste Verwalter würde einen Teufel tun und irgendein Schriftstück hervorholen, wenn es nicht zum Vorteil von Flanakan wäre.

      Der alte Schmied schüttelte nur schweigend den Kopf und sah Kard ernst ins Gesicht. »Einst waren die Toraks gute Krieger, Kard, das wusstest du wahrscheinlich nicht, oder?«

      Kard schüttelte erstaunt den Kopf. Die Toraks - Krieger? Die Toraks erledigten in Haragor meist schwere körperliche Arbeit. Sie schufteten im Steinbruch, als Lastenträger, manche wie Zugtiere auf dem Feld, einige wenige als Schmiede, ein paar als Köche. Und einige arbeiteten bei den Schergen, denn sie konnten recht imposant auftreten, wenn sie grimmig wurden. Aber Krieger?

      »Und wie es das Schicksal so will«, Wallas sah Kard mit ernster Miene an, »haben wir hier sogar ein paar Erzbrocken Minas.« Wallas hob ein Tuch hoch und die erstaunten Augen von Kard sahen das blau schimmernde Erz. Er schluckte. Das ist also Minas-Erz!

      »Kard, du weißt nun alles über das Schmiedehandwerk. Du kannst Spitzhacken und Gartenzäune, Messer und Pflugscharen, Hufeisen und Türscharniere anfertigen. Selbst das Gießen der großen Schlüssel unserer Stadttore hast du gelernt. Du bist der beste menschliche Schmied, den ich je gesehen habe. Ich kann dir nur noch eines beibringen. Das Schmieden von Minas-Stahl. Dies soll dein Gesellenstück werden. Für ein kleines Menschenschwert wird es gerade reichen. Du musst vorsichtig sein, sparsam, du wirst jedes Gramm brauchen.«

      Kard bekam weiche Knie. Ein eigenes Minas-Schwert? Was werden die Schergen dazu sagen, wenn es herauskommt? Er sah Wallas sprachlos und ängstlich an.

      »Dein Gesellenstück, Kard, ist nicht einfach nur ein Schwert, das weißt du, oder?«

      Kard nickte. Er fühlte sich klein und unbedeutend und hätte gerne gehabt, dass die Götter ihm irgendein eindeutiges Zeichen senden würden.

      »Kard, es ist deine Entscheidung. Ein Schwert muss es sein, so sind unsere Zunftregeln. Wir sind stolz darauf, dass wir diese Kunst beherrschen. Gerade in diesen Zeiten.«

      Kard atmete tief ein. »Aber würde ein normales Schwert nicht vollkommen ausreichen? Muss es gleich ein Minas-Schwert sein?«

      Wallas wiegte den Kopf. »Du hast recht, das Gesellenstück muss nicht aus Minas bestehen. Ein normales Schwert würde ausreichen. Aber die Kunst, aus Minas-Erz ein Schwert zu schmieden, aus dem heiligen Erz von Branu, dem Schöpfer, ist der Gipfel unseres Könnens.«

      Kard schluckte erneut. Er wusste, dass dies eine große Ehre war. Und er freute sich über das Vertrauen, dass Wallas ihm entgegenbrachte. Aber ist das erlaubt? Ist das rechtens? Er wollte nicht im Kerker der Schwarzen Burg landen. »Aber genau das ist es auch, was verboten ist, oder Wallas?«

      Wallas lachte laut. »Jetzt sieh dir dieses Menschlein an. Zittern deine Knie?«

      Beschämt sah Kard hoch. Aber Wallas schien nicht enttäuscht oder böse, er schien eher neugierig zu sein. Wie würde das Menschlein sich wohl jetzt verhalten, schienen seine Augen zu fragen. Aber Kard hatte sich schon entschieden. Auch wenn es ihm gerade speiübel war, gab ihm das Amulett auf seinem Brustbein Kraft. Er fühlte die Kraft der Flammen. Ein Minas-Schwert passte zu ihm wie das Feuer selbst. Das spürte er. Seine Zähne klapperten, als er sprach: »Wallas, danke, ich weiß nicht was ich sagen soll. Es ist eine große Ehre. Ich bin bereit.«

      »Ich wusste, dass ich auf dich zählen kann«, donnerte Wallas und seine gewaltige Pranke klatschte derart auf Kards Rücken, dass er erstmal ein gutes Stück in die Knie ging. »Dann lass uns gleich anfangen, heiz die große Esse an, es wird eine lange Nacht!«