Salzburger Emigranten kommen 1732 in die Reichsstadt Giengen. Ulrich Stark. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ulrich Stark
Издательство: Bookwire
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Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783754158609
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      Am 24. Mai kamen zwei kleine Gruppen mit zusammen 29 Personen von Ulm und Geislingen auf ihrer Reyße nach Preußen durch Giengen.

      Die 12 Kreuzer, die jeder verehrt bekam, entsprachen etwa dem Tagesverdienst eines einfachen Taglöhners. Auch sie wurden mit Vorspann und Fuhrleuten, unter Führung von Glaser Christoph Murmann, nach Nördlingen geführt.

      1 Der zweite Emigrantenzug

      Von ersten Gerüchten über einen weiteren großen Durchzug hörten die Giengener Ratsherren Anfang Juni.

      Da die vermutete Zahl von circa 1500 Personen aber allhie aufzunehmen, und mit Roß und Wagen ihnen weiters fort[zu]helfen, die Unmöglichkeit fürwalten will, schrieben sie deshalb nach Ulm.18

      Zunächst kamen jedoch am 12. und am 29. Juni nur neun Emigranten durch Giengen, denen wiederum die üblichen 12 Kreuzer mit auf den Weg gegeben wurden.

      Am 17. Juli kamen dann von diesem erwarteten großen Zug tatsächlich nur 298 Emigranten die Ulmer Straße ins Tal herunter. Bis zum Ziegelstadel gingen ihnen die Geistlichen mit der Schuljugend und den Ratsherren entgegen und begrüßten sie. Gemeinsam wurde dann beim Hereinzug ein geistlich Lied gesungen und mit Glockenläuten zum anschließenden Gottesdienst gerufen.

      1 Zwischenfall am Stadttor

      Bei den verstärkten Wachen an den Stadttoren kam es bei diesem Einzug zu einem Zwischenfall, der vom Spitaltorwart Andreas Meyer angezeigt wurde. Der auf der Wache stationierte katholische Musketier Kleibert hatte sich, als die beiden Geistlichen den Salzburgern entgegen gingen, frevelhaft vernehmen lassen: „Jetzt werde der Teuffel und sein ganzer Anhang herein kommen!“ Kleibers Führer Mysko hatte ihn daraufhin beiseite genommen und ihm etwas zugeflüstert. Auch die anderen Wächter konnten dies bezeugen. Beim Verhör vor den Ratsherren haben jedoch beide alles abgestritten. Erst nach der Konfrontation mit den Zeugen hat letztlich Kleibert seine Worte zugegeben und umb eine gnädige Strafe gebeten, und anbey gemeldt, daß wo ers geredt, es nicht recht, und ihm leyd seye. Er wurde fristlos aus seinem Dienst als Soldat der Stadt Giengen entlassen, und zwar ohne ein schriftliches Zeugnis. Seine Bitte weiterhin mit seiner Frau in Giengen wohnen zu dürfen, wurde ihm zunächst abgeschlagen.19 Im September setzten sich jedoch einige Bürger erfolgreich für sein Bleiben ein, indem sie unter anderem darauf hinwiesen, dass er sich zur evangelischen Religion bekehren wolle.20

      Doch zurück zu dem Salzburger Emigrantenzug, der diesmal vor allem aus ehemaligen Bauern und Handwerkern bestand, die im Salzburger Land eigenen Haus- und Grundbesitz gehabt hatten. Auch diese sind in Giengen 2 Tag lang von der Bürgerschaft gratis verpflegt worden. Das beim Abmarsch am 19. Juli ausbezahlte Kopfgeld von je 12 Kreuzer, belief sich auf 60 Gulden. Das Futter für die von ihnen mitgeführten 21 Pferde sowie für die von Giengen gestellten 54 Vorspannpferde bis Nördlingen, wurden aus der Stadtkasse bezahlt und machte 20 Gulden aus. Hinzu kamen noch Kosten für Boten und Begleitungen, die mit 35 Gulden zu Buche schlugen. Diesen zweiten Zug haben Adjunkt Honold21 und Ratsherr Teller auf seinem Weitermarsch begleitet.

      Nach ihrer Ankunft in Nördlingen kam von dort der Vorschlag, man könnte bezüglich der bisher aufgewendeten Kosten für die Salzburger Emigranten beim Corpus Evangelicorum in Regensburg um Erstattung anfragen. Daraufhin richtete der Giengener Magistrat ein entsprechendes Schreiben an den zuständigen chursächsischen Gesandten Baron von Schönberg.22

      1 Der dritte Emigrantenzug

      Noch während der Ratssitzung, in der über dieses Schreiben beraten wurde, erschien ein reitender Bote aus Langenau und übergab ein Schreiben der Stadt Ulm, in dem berichtet wurde, dass sie Nachricht aus Memmingen erhalten hätten, es seien wieder 7-800 Salzburger nach Preußen unterwegs. Ihre geplante Route führe über Ulm und weiter über Heidenheim und Giengen. Sie würden wieder berichten, sobald sie von ihrem eigenen Boten aus Memmingen neue Nachrichten hätten. Daraufhin wurde jedoch Adjunkt Honold beauftragt sich in Ulm selbst über die anmarschierenden Salzburger zu informieren.23

      Von diesem, aus insgesamt 895 Personen bestehenden, dritten Emigrantenzug kamen am Samstag, den 2. August 1732, 368 nach Giengen. Hier wurde ihnen nicht nur allein, gleich denen vorherigen, einen Rasttag zu halten gestattet, sondern auch jeglichen wiederum, klein und groß, 12 Kreuzer an Gelt mit auf den Weg, welchen sie montags darauf, nacher Preüßen, über Nördlingen genommen, gereichet. Ausführlichere Nachrichten über den Aufenthalt dieses dritten Emigrantenzuges fehlen leider, da in Giengen während der zweiwöchigen Erntezeit keine Ratssitzungen abgehalten wurden.

      Da ihr Ziel ja Preußen war, hat Amtsbürgermeister Martin Mayer24 den Salzburgern sicherlich erzählt, was er selbst dort erlebt hatte. Er war nach seinen Lehrzeit neun Jahre lang auf Wanderschaft gewesen und hatte sich dabei auch in Preußen und Pommern aufgehalten, um dort als Geselle zu arbeiten.

      Am Montag, dem 4. August, verabschiedete er mittags die Salzburger aus der Reichsstadt Giengen und geleitete sie vom Marktplatz zum Oberen Tor hinaus. Von dort ging deren Marsch an St. Peter vorbei, zwischen Rechberg und Läutenberg hindurch weiter über das Lange Gewand Richtung Oggenhausen. Begleitet wurden sie von Adjunkt Honold und einem Reiter, unterstützt durch 36 Vorspannpferde und neun Wagen.

      Nach der Verabschiedung der Salzburger inspizierte Bürgermeister Mayer seinen Stadel, wobei er von der Leiter fiel und an der Folgen des Sturzes verstarb, einen Tag vor seinem 86. Geburtstag.

      1 Weitere Salzburger in Giengen

      Vereinzelte kleine Emigrantengruppen, insgesamt 18 Personen, zogen am 27. Juli sowie am 9., 27. und 28. August durch Giengen. Auch sie erhielten jeweils den üblichen Geldbetrag mit auf den Weg.

      Am 30. September kam eine etwas größere Gruppe von 19 Emigranten von Ulm über Langenau anhero, denen jedem auf den Weg 10 Kreuzer verehrt worden. Sie erhielten Vorspann bis nach Nördlingen.

      Selbst im Winter kamen noch zwei Schwestern nach Giengen. Sie waren mit Pässen versehen und wurden am 4. Dezember bei Ochsenwirt Johannes Schnapper untergebracht, weilen sie, wegen großer Kälte und Schnee nicht weiter fortkommen können. Nachdeme aber die eine an dem Fieber laboriert, konnten sie erst am 9. Dezember Gelegenheit finden, um nach Nördlingen zu fahren. Die beiden erhielten das doppelte Reisegeld. Außerdem wurden die Auslagen des Ochsenwirts für Speiß und Tranck, auch Schlafgelt bezahlt.

      Am 9. Februar 1733 erhielten noch zwey von Obermemmingen anhero gekommenen Salzburgische Emigranten jeweils 12 Kreuzer verehrt.

      1 Erstattung der Aufwendungen

      Zwischenzeitlich wurden beim höchst preislichen Corpus Evangelicorum in Regensburg weitere Anfragen nach Ersatz der bisher aufgewandten Kosten aus der dort eingerichteten Emigranten-Cassa gestellt. Die kursächsischen und hochfürstlich württembergischen Gesandten in Regensburg, Baron von Schönberg und Herr von Schütz, wurden um Unterstützung des Vorhabens gebeten. Zur Übermittlung der Schreiben nahm man die Dienste Ulmer Ratskonsulenten Häckhel25 in Anspruch.

      Dieser erhielt im November 1732 Antwort des Regensburger Stadtkämmerers Harrer auf die gnädige Aufnahme der Giengener Anfrage. Er regte an man solle dem Corpus Evangelicorum nochmals eindrücklich klarmachen, dass die diß Jahr anhero gekommene Emigranten jederzeit biß nach Nördlingen gebracht, und mit Vorspann versehen worden seien. Denn die Nördlinger hatten diese Kosten teilweise in ihre Rechnungen eingestellt, mit der Behauptung, daß man dergleichen Emigranten ein gut theil Wegs von dannen entgegen geschickt, und sie übernommen habe.

      Um Klarheit zu schaffen wurde von Nördlingen ein schriftliche Attestation auszubitten beschloßen. Diese Bestätigung erhielt Giengen dann am 5. Dezember.

      Tatsächlich hatte die Giengener Anfrage im Januar 1733 vollständigen Erfolg. Aus Dankbarkeit für seine Bemühungen wurde beschlossen dem Regensburger Kämmerer Harrer 30 Gulden zu verehren. Auch über die viele Extra-Mühe und hohe Protection des chursächsischen Gesandten Baron von Schönberg und anderer fürstlichen Herren Ministres bedankt sich der