Der Junge mit dem Feueramulett - Die Schule der Alchemisten. Frank Pfeifer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Frank Pfeifer
Издательство: Bookwire
Серия: Der Junge mit dem Feueramulett
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754178515
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als noch die Drachenkrieger die Herrschaft über Haragor innehatten. Aber Flanakan? Gezeugt aus einer zweifelhaften Verbindung zwischen dem Drachenkönig und seiner Liebschaft, einer ehrlosen Vampyrin. Flanakan war ein Bastard mit unreinem Blut. Aber von den Göttern mit der Magie Goibas und zudem mit der Magie Branus gesegnet, einer magischen Kraft, die der von Tsarr in nichts nachstand. Allein deswegen zollte ihm die große Tsarr Respekt und Anerkennung. Umso verwunderlicher, dass der Herrscher trotz seiner magischen Fähigkeiten die Vorboten des Unheils nicht sehen wollte.

      Tsarr erinnerte sich an die vielen Katzenleichen, die sie im Tempel ihrer Göttin geopfert hatte. Dutzende hatte sie geschlachtet und immer wieder die Zukunft Haragors erfragt. Und jetzt war sich Tsarr sicher, dass das Unglück, dass mit der Sonnenfinsternis ihren Anfang genommen hatte, noch lange nicht überstanden war. Deutlich waren im Gedärm weitere Anzeichen einer sich ausbreitenden Branu-Krankheit zu erkennen. So als ob der heilige Vulkan Branubrabat selbst eine kurze Rauchwolke in den Himmel des Reiches katapultiert hätte, um seine baldige Explosion anzukündigen. Flieht, ihr Sehenden, denn die Macht der Zerstörung, die Macht des Feuers wird bald auf euch niederregnen, schien er sagen zu wollen. Aber nicht umsonst war Tsarr seit Jahrzehnten die Oberste Goiba-Priesterin. Die Macht Branus war nur mit der Macht Goibas zu kontrollieren. Und Goiba ließ sich nicht durch ein paar tote Ichtos herbeirufen und noch weniger dadurch, dass man ein paar Toraks erhängte oder zu Sklaven machte. Obwohl das natürlich schon ein wenig half. Es war die richtige Richtung, aber Flanakan erkannte nicht die Brisanz der Lage. Die wenigen Jungfrauen, die sie zur Sonnenfinsternis geopfert hatte, waren nicht falsch gewesen, aber Tsarr war sich sicher, dass die Gefahr noch lange nicht gebändigt war.

      Die Obsidiankugel knackte und ein schwarzweißes Gekrissel breitete sich über die Oberfläche aus.

      »Schwestern!«

      Hätte die Kugel Geräusche von sich gegeben, hätte man ein vielstimmiges, zustimmendes Gemurmel gehört. Aber die Kugel selbst blieb stumm, das schwarzweiße Gekrissel war in sich zusammen gefallen und hatte sich in ein gleichmäßiges graues Pulsieren verwandelt. Die Kugel selbst war nur das Medium für die magische Übertragung von Gedanken. Alles spielte sich daher nur in Tsarrs Kopf ab.

      »Schwestern, ich habe über hundert Katzen getötet.«

      Erstauntes Gemurmel. Hundert Katzen. Ganz schöne Menge. Und das von der Obersten Gova von Goiba. Das sollte schon etwas heißen. Aber was eigentlich?

      »Ich sehe die Ankunft einer gefährlichen Branu-Energie, so wie wir es damals alle bei der Sonnenfinsternis gesehen haben.«

      Zustimmendes Gemurmel. Entsetzen. Abscheu. Dieser Branu. Oh Goiba steh mir bei.

      »Unser großer Herrscher Flanakan…«

      Lautes zustimmendes Gemurmel, teilweise begeisterte Schreie, ähnlich dem junger Mädchen, wenn der Barde Weiße Schlange zum ersten Mal auf die Bühne tritt.

      »…sieht wie ich diese Gefahr…«

      Tsarr, der diese Worte einfach so aus dem Mund geflossen waren, erkannte zwar, dass sie gerade ihre Sippe anlog, aber sie war sich sicher, dass die Zeit ihren jetzigen Worten zur Wahrheit verhelfen würde.

      »…aber ich befürchte, dass die angesetzten Hinrichtungen nicht ausreichen werden…«

      Mit einem Schlag Stille. Tsarr hatte ein wenig gehofft, dass die Brisanz der Lage nicht so offensichtlich zu Tage treten würde, aber die versammelte magische Familie hatte sofort verstanden, dass hier etwas Ungewöhnliches von statten ging.

      »…wir werden den Großen Herrscher also mit allen Kräften unterstützen…«

      Das Gemurmel setzte wieder ein.

      »…irgendwo da draußen läuft immer noch dieser Junge herum…«

      Wieder diese plötzliche Stille. Dass ihre Sippe aber auch immer sofort erkannte, wenn etwas im Busch war.

      »Wir…«

      Immer beruhigend, wenn man den anderen das Gefühl vermitteln, an der Entscheidung irgendwie beteiligt zu sein. Wobei eigentlich nicht klar war, wer mit dem Wir gemeint war. Tsarr und ihre Sippe, Tsarr und Flanakan oder alle zusammen?

      »…müssen die Augen offen halten. Achtet darauf, ob ihr einem Jungen begegnet, der den giften Atems Branus verströmt. Schaut öfters in die Katzengedärme. Opfert zum Dadeugende mehr als üblich… für Goiba und unserem Großen Herrscher Flanakan.«

      Die Nennung der Göttin und des Herrschers beruhigte die aufgeregte Gemeinde. Schon setzte wieder das sanfte Gemurmel ein.

      »Und schaut euch nach Jungfrauen in euren Tempelbezirken um. Vielleicht brauchen wir sie bald wieder.«

      Alles klar, Jungfrauenopfer waren schon immer Garantien für Goibas Segen gewesen.

      »Goiba für immer.«

      Goiba für immer. Immer, immer, immer. Langsam verabschiedeten sich die Govas Haragors aus der magischen Gedankenversammlung. Es war getan. Der Auftrag, den Jungen zu finden, war ausgesprochen worden. Es würde keine Stadt, kein Dorf geben, in dem ein Junge mit verdächtiger Branu-Aura unentdeckt bleiben würde. Auch wenn Flanakan das nicht angeordnet hatte, war es das Richtige. Das Richtige für das Reich, für Goiba. Für sie selbst.

      Das sanfte Glimmen der Obsidiankugel war inzwischen erloschen und im privaten Gemach der Obersten Priesterin herrschte nun wieder magische Stille. Tsarr starrte noch eine Weile auf die glänzende Oberfläche der Kugel und konnte selbst in der Dunkelheit ihr verzerrtes Spiegelbild auf der Oberfläche erkennen. War es das Ritual, das sie immer ermüdet, oder wieso fühlte sie sich plötzlich so erschöpft? Oder sollte sich trotz des Zaubers die Müdigkeit des Alters bemerkbar machen? Aber sie hatte nicht alles, was ihr im Leben wichtig war, geopfert, um irgendwann in ihrem Leben sich dem Schicksal zu beugen. Niemals würde sie Branu oder einem seiner Gefolgsleute das Spiel übergeben.

      *

      Die Nacht war inzwischen weit fortgeschritten, der kalte Herbstwind fegte durch Conchars Gassen und die herumstreunenden Katzen wunderten sich, dass aus einem Haus laute Stimmen und fröhliches Gelächter erscholl. Der ›Rülpsende Roland‹ war bekannt dafür, dass er bis tief in die Nacht Menschen einen Rückzugsort vor den Mühen des Alltags bot.

      Klaus schenkte dem Schatten noch einmal Schoff nach. Diese Person war ganz nach seinem Geschmack. Es tat so gut, wenn einer mal aussprach, was alle nur dachten. Diese Toraks waren Schoffpanscher! Ganz klar! Und dieses Gerücht, das seit einigen Wochen die Runde in Conchar machte, brachte ihm immer mehr Gäste. Die Idee, einfach die Nachbarkneipe zu übernehmen, so wie es der Schatten gerade vorgeschlagen hatte, war einfach genial. Denn der Wirt des ›Hustenden Hans‹, ein Torak natürlich, war erst gestern von den Wachen abgeführt worden. Und warum nicht seine eigene Kneipe, den ›Rülpsenden Roland‹ einfach erweitern? Er musste nur die Wand zwischen den beiden Schankräumen einreißen und schon hätte er doppelt so viel Platz.

      »Und die Tür vom ›Hustenden Hans‹ einfach zunageln?«

      Der Schatten nickte. »Besser noch zumauern. Diesen gewaltbereiten Toraks ist nicht zu trauen. Denen muss klar sein, dass sie hier nicht mehr erwünscht sind.«

      Klaus lachte. Das wäre ja noch schöner, wenn sich ein Torak in seine Kneipe verirren würde. Er schaute in die Runde und alle Leute am Stammtisch schauten ihn aufmunternd an.

      »Kein Schoff für Toraks hier!«

      »Toraks müssen draußen bleiben!«

      »Die sollen mal gefälligst ihr eigenes Gesöff trinken. Diese Panscher.«

      Der ›Rülpsende Roland‹ war zum Bersten voll. Klaus stellte sich vor, wie viele Gäste es erst sein würden, wenn der Schankraum des ›Hustenden Hans‹ noch dazu kommen würde. Allerdings würde er dann noch ein paar Schankmädchen einstellen müssen, was ihm nicht so wirklich schmeckte. Aber es half ja alles nichts.

      »Äh, aber ist das nicht illegal?«

      Klaus schaute den Mann, der das gesagt hatte, mißbilligend an.

      »Bist