»Viel besser«, rief er dann laut und vernehmlich, sodass es alle Gäste im Knochenbruch hören konnten. Gsaxt nahm nun seinerseits den Krug und einen Schluck des Schoffs. Dann reichte er das Gefäß seinem Bruder weiter, der sich inzwischen zu ihnen gesellt hatte. Die Toraks schauten sich an und schüttelten den Kopf.
»Genauso gut wie das letzte Fass!« Der Tonfall von Gsark war wesentlich schärfer als der seines jüngeren Bruders.
»Über Geschmack lässt sich nicht streiten.« Gsaxt hatte sich vor den älteren Gsark geschoben und lächelte den Bauern freundlich an. »Geht auf’s Haus!«
Der Mann nickte grimmig und klammerte sich an dem neuen Schoffkrug fest, während die Toraks durch den Schankraum stiefelten und hinter der Theke Stellung bezogen. Der Bauer trank daraufhin zügig seinen Krug leer. Das wütende Glimmen in den Augen von Gsark war nicht zu übersehen gewesen. Der Mensch zog es offensichtlich doch vor, einer direkten Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen. Der Mann schnappte sich bald seine Jacke und stiefelte aus dem Schankraum. Gsaxt sah ihm nachdenklich hinterher. Diese Begegnung ließ ihn für die Zukunft nichts Gutes ahnen.
Draußen auf der Straße wartete bereits der Schatten auf den Bauern. »Und, war es, wie ich es gesagt habe?«
»Ja, du hattest recht. Das Schoff war dünn wie Wasser.«
»Sage ich doch. Diese Geizhälse, die strecken das Schoff. Um uns armen, hart arbeitenden Menschen noch die letzten Argits aus der Tasche zu ziehen.« Vielsagend schauend stülpte der Schatten seine Taschen nach außen, um zu zeigen, dass dort keine einzige Münze zu finden war. Die dunkle Gestalt schien ganz aufgeregt, denn er begann nun, von einem Bein auf das andere zu hüpfen.
»Aber ehrlich gesagt hatten die dann eine neue Lieferung, die genauso schmeckte. Genauso dünn. Schoff eben. Und das direkt aus dem neuen Fass.«
»Neue Lieferung? Ach was. Alles Theater. Glaub mir. Die panschen herum. Betrüger. Lügner. Banditen.«
Dann stand der Bauer plötzlich wieder alleine auf der Gasse. Der Schatten war so schnell verschwunden, wie er aufgetaucht war. Genauso wie vor seinem Besuch im ›Knochenbruch‹. Da hatte der Bauer sein schwer verdientes Geld schon wieder in all die Dinge umgetauscht, die man zu Hause brauchte. Eine neue Schaufel aus der Schmiede eines Toraks. Die Haarbürste aus gehärteten und flexiblen Seeigelstacheln von der Schreienden Makrele, diesem stadtbekannten Händler aus Ichtien. Wobei man sich immer fragte, wie diese Halbkiemenatmer es zu solcher Stimmgewalt bringen konnten. Ein paar weitere Dinge für den Hof hatte er noch erstanden. Zum Schluß wollte er noch gepflegt einen trinken gehen. Und dann war dieser Schatten aufgetaucht und hatte ihm sehr anschaulich und eindringlich von dem verdünnten Schoff erzählt. Gerade als die vielversprechenden Geräusche des ›Knochenbruchs‹ an sein Ohr gedrungen waren und er den Geschmack des Gebräus schon auf der Zunge hatte. Und als dem Bauern dann das dünne Gesöff die Kehle hinunter geronnen war, war das wirklich eine Enttäuschung gewesen. Der Schatten hatte wohl doch recht. Die Toraks verdünnten das Schoff und unten im Keller zechten die Geizhälse dann bis zum Umfallen. So etwas konnte auf Dauer nicht geduldet werden.
*
Der Torak-Schmied, der Kard eingestellt hatte, war anfangs natürlich mißtrauisch gewesen. Das hatte Kard nichts sonderlich überrascht. Ein Mensch als Schmied? Aber nach den ersten Gartenzaunscharnieren, Pflugscharen und Gülleschaufeln war der Meister überzeugt. Und mit welcher Kraft dieser kleine Mensch das Metall auf dem Amboss bearbeitete. Gar nicht schlecht.
Für sich selbst hatte der Junge als erstes eine Axt gefertigt, eine mit einem recht schweren Schneideblatt. Und sich freiwillig zum Holzhacken gemeldet, was dem Meister nur recht gewesen war. Noch bevor der eigentliche Tag in der Schmiede begann, stand Kard jeden Morgen nun im Hof und ließ die Axt auf die Holzstämme hinuntersausen. Die Sonne, sobald sie sich anschickte, ihr erstens Licht über die Hochebene und diese vergessene kleine Stadt zu schicken, wurde von Kards Schneide begrüßt. Der Junge gönnte sich ein kurzes Bad in den Strahlen, dann presste er die Lippen zusammen und schlug zu.
Wenn er dann später mit ähnlicher Verbissenheit die tägliche Arbeit verrichtete, glaubte der Meister zu sehen, wie die Glut der Esse dem Jungen, der seltsamerweise ohne Handschuhe arbeitete, direkt in die Arme kroch. Aber das musste ja eine Sinnestäuschung sein. Der Meister blinzelte zwei-, dreimal, schon war der Spuk vorbei. Und Kard lächelte ihn an. Mit diesen traurigen braunen Augen, die durch den Meister hindurch und in eine unbekannte Leere blickten.
Nachdenklich betrachtete Kard an diesem Abend den Ofengriff, den er gerade aus dem Abkühlbecken gezogen hatte. Das zerbrochene Gegenstück, das der Junge ihm gebracht hatte, lag neben ihm auf dem Amboss. Er drehte sich auf dem Absatz, so dass er nun den Griff um die Zange lockern konnte und den neuen Griff neben dem alten ablegen konnte.
Die Sonne war gerade untergegangen. Draußen vor den Fenstern der kleinen Schmiede war es bereits still geworden, die Bewohner saßen jetzt in ihren kleinen Hütten vor Tellern mit dünner Winxgrassuppe und tranken dazu ihr Schoff. Der Herbstwind, der hier am oberen Rand der Hochebene von Asch-by-lan nochmal richtig Schwung bekam, bevor er über die Kante der Hochebene hinunter in die Schwesterstadt Trok gezogen wurde, kündete bereits von der Kälte des kommenden Winters, die nun jede Nacht zunahm. Der Geruch von mitleidloser Feuchtigkeit und abgestandenem Rauch zog durch die Straßen der kleinen Stadt und erinnerte die letzten Bewohner, die durch die engen Gassen irrten, daran, sich möglichst schnell vor Goibas Kälte zu verstecken.
Der Junge, dessen Namen Benji war, saß neben der Esse und starrte fasziniert in die glühende Schlacke. Er hatte Kard geholfen, den Blasebalg zu bedienen, was den etwa Zehnjährigen offensichtlich doch einige Kraft gekostet hatte. Wenigstens war ihm dabei warm geworden, denn er hatte nur eine dünne Hose und ein dünnes Hemd an. Jetzt saß er recht zufrieden auf einem Schemel, sein Gesicht gezeichnet von einer glücklichen Erschöpfung, die man nur bei Kindern findet, die noch nicht fragten, wieso sie sich gerade so verausgabt hatten. Er nickt Kard anerkennend zu.
»Sieht genauso aus wie der alte. Das ist gut.«
Kard nickte stumm. »Ihr habt große Öfen!«
Benji nickte aufgeregt. »Ja, es sind sogar mehrere. Aber nur zwei funktionieren noch. Und mit den neuen Griffen, kann man sie wieder richtig schließen, dann reicht das Holz im Winter doppelt so lang, sagen die Govas.«
Der Junge kam aus dem Waisenhaus im Dunklen Wald. Kard kannte die Griffe, die er gerade schmiedete. Mit ihnen hatte er als Kind selbst dutzende Male die Ofentüren geöffnet und geschlossen. Zu seiner Zeit hatten sie im Winter drei Öfen geheizt. Damit wurde Wasser erhitzt, das in Rohren durch das ganze Waisenhaus floss. Ein Technik, die man sonst nur in den Häusern der Reichen fand und es war ungewöhnlich, dass man eine so aufwendige Konstruktion in einem einfachen Waisenhaus installiert hatte. Wieso, fragte sich Kard, ließ man die Waisen nicht einfach frieren? Haragor war nicht gerade dafür bekannt, dass es sich besonders um seine Kinder kümmerte.
»Das ist eine besondere Legierung. Die Govas waren sich gar nicht sicher, ob es in Truk eine Schmiede geben würde, die das herstellen kann.«
Der Junge hatte recht. Aber Wallas hatte Kard damals einiges beigebracht, was man in anderen Schmieden nicht lernte.
»Andere Metalle würden schmelzen oder sich wenigstens verbiegen, man braucht eine spezielle Legierung. Deswegen habe die Govas auch mich geschickt, ich hätte es dir sonst erklären können.«
Kard schaute den Jungen zweifelnd an.
»Legierung? Du kennst ja Worte! Bist du etwa auch ein Schmied?«
»Nein, das ist mir viel zu heiß.