Und ich bin mir sicher, dass diese Sehnsucht unerfüllt bleiben wird. Ich hoffe es zumindest.
„Was gibt es bei dir sonst Neues? Oder weiß ich bereits alles?“, versuche ich, unser Gespräch am Laufen zu halten.
„Ach, nicht viel. Ab und zu treffe ich mich mit einer befreundeten Domina. Aber so interessant ist es auch nicht. War Anfang des Jahres bei ihr im Studio und hatte eine Session gebucht. Wir haben uns gut verstanden und sie vertraut mir. Ich durfte jetzt also auch zu ihr nach Hause. Aber Sex gibt es nicht. Ich räume nur auf, wasche ihre Wäsche … Fahr sie hin und wieder zu anderen Terminen. Dafür bekomme ich dann mal ein paar Schläge.“
Komischerweise lässt mich diese neue Information total kalt. Kein Fünkchen Eifersucht ist zu spüren. Hätte ich nun nicht erwartet. Vielleicht liegt es daran, dass sie eine Domina ist und keine Sub. Und sie auch keinen Sex haben …
Wahrscheinlich ist sie dann die Frau, der die funkelnde Gerte gut gefallen würde, von der Liam bei unserem Besuch in der Boutique sprach …
„Klingt, als seist du nicht sonderlich zufrieden …“, versuche ich, ihm mehr Informationen zu entlocken.
„Na ja. Ist jetzt nicht sonderlich erfüllend, ständig ihre Wäsche zu waschen“, lacht er.
„Willst du mehr? Ich dachte, um Sex geht es dir dabei gar nicht.“
„Sie ist wie die meisten Dominas privat devot im Bett. Also würden wir ein privates Verhältnis haben, müsste ich derjenige sein, der sie dominiert. Dabei will ich ja unterwürfig sein. Im Zusammenhang mit Sex ist es irgendwie nicht möglich. Die attraktiven Frauen sind alle unberührbare Herrinnen. Aber ich kann schon stolz sein, dass sie mich in ihre Wohnung lässt. Das zeigt, dass sie mich mag und mir vertraut.“
Er scheint sie ebenfalls sehr zu mögen … Wahrscheinlich, weil sie ihm durch den Zugang in ihre Privatsphäre das Gefühl gibt, etwas Besonderes zu sein. Nun sitze ich gerade also auf ihrem Platz. Oder sie saß auf meinem. Immerhin hab ich bereits mit meiner Körperflüssigkeit diesen Sitz markiert. Nur kennt er sie wohl länger als mich. Eigentlich komisch, dass er mir erst jetzt von ihr erzählt …
Wir fahren auf den leeren Parkplatz des Baumarkts.
„Ich kann eben im Auto warten“, schlage ich vor.
„Quatsch! Ich bin nicht David. Komm mit.“
„Okay“, sage ich leicht irritiert. Schön, dass er sich mit mir sehen lassen will. Dennoch ist es merkwürdig, dass er es derart betonen muss, dass er nicht wie mein Ex-Freund ist.
Er findet relativ schnell eine geeignete kleine Gartenschaufel. Ich frage mich, wofür er die braucht. Meinte er womöglich mit dem Freund seine befreundete Domina? Bestimmt muss er für sie einen Gefallen erledigen beziehungsweise eine Aufgabe erfüllen. Sieht ja beinahe nach Gartenarbeit aus. Oder es ist doch für einen Kumpel. Etwas Verbotenes.
Möglicherweise muss er Drogen oder etwas in der Art verstecken und vergräbt es irgendwo.
Logisch, dass er mich dann nicht mitnehmen kann. Ich wäre eine Augenzeugin. Er würde mich in Gefahr bringen.
Dieser Besuch im Baumarkt erinnert mich an eine Szene aus dem Film 50 Shades Of Grey. Hätte was, würde er neben der Schaufel noch Kabelbinder, Klebeband und Seile kaufen. Der Blick der Kassiererin wäre unbezahlbar.
Okay, ich gucke eindeutig zu viel Fernsehen …
Vor der Kasse steht eine Truhe mit Eis. Liam hat wieder seine Spendierhosen an. Ich nehme den Flutschfinger und er ein Magnum.
Als wir im Auto sitzen, essen wir in Ruhe unser Eis auf.
„Ich lasse dich dann am Hauptbahnhof raus. Ist das ok?“
„Ja, das ist super.“
„Wenn du willst, können wir ja nächste Woche nach der Arbeit immer was machen. Wir können ins Kino und zusammen essen gehen. Vielleicht kann ich ja auch ein oder zwei Nächte bei dir übernachten?“, schlägt er vor.
„Klar! Gerne“, antworte ich überrascht. Aus seinem Mund klingt es so selbstverständlich. Als sei es das Normalste der Welt, dass wir mehr Zeit miteinander verbringen und wie kommt er auf die Idee, bei mir zu übernachten? Will er doch mit mir zusammen sein beziehungsweise mich näher kennenlernen oder wieso macht er nun einen auf Beziehung? Mal sehen, was sich ergibt. Ich freue mich auf jeden Fall auf die nächste Woche! Das mit dem Übernachten muss ich allerdings mit meiner Familie abklären. Sollte aber kein Problem sein, denn immerhin durfte der fremde Tindertyp auch bei mir übernachten. Liam kenne ich wesentlich länger und für meine Eltern ist er kein Fremder.
Auf dem Rückweg schreibe ich Toni.
Du fährst schon nach Hause? Das war ja ein kurzes Treffen.
Ja, er hatte leider doch noch einen Termin. Ich vermute, dass er zu seiner Dominafreundin fährt, von der er mir heute erzählt hat.
Seiner was? Freundschaftlich oder geht da etwa mehr?
Er meint freundschaftlich. Sie hat ihm ihren Wohnungsschlüssel anvertraut. Er macht bei ihr sauber und wäscht ihre Wäsche. Und ab und an spielt er den Fahrservice …
Und im Gegenzug bekommt er Sex?
Nein, die beiden haben keinen Sex miteinander. Im Gegenzug bekommt er Schläge … Normalerweise müsste er sie bezahlen. Er darf ja schon die Vorzüge ihres tiefen Vertrauens zu ihm genießen.
Oh, da fühlt er sich bestimmt besonders. Was hat das in dir ausgelöst? Wie fühlst du dich? Auf das Herz hast du ihn nicht angesprochen, oder?
Nichts. Ich habe mich gefreut, dass er mir von ihr erzählt hat. Aber mehr habe ich nicht gefühlt. Es war etwas komisch, zu wissen, dass sie im Auto neben ihm saß … die Vorstellung ist einfach strange. Das mit dem Herzen spreche ich an, wenn ich ihn das nächste Mal nackt sehe.
Du stellst dir auch direkt alles bildlich vor … Aber freut mich, dass du nicht verletzt bist oder enttäuscht. Das zeigt, dass du definitiv nicht in ihn verknallt bist.
Schön, dass du es mir jetzt erst glaubst. :D
Na ja … er will nächste Woche viel Zeit mit mir verbringen nach seiner Arbeit. Und er möchte sogar bei mir übernachten … Schon komisch, oder?
Er scheint dich mehr zu mögen als sie, wenn er so viel Zeit für dich hat. Er hat dich in den letzten Tagen ja schon häufiger nach einem Treffen gefragt … Wollte mit dir auf diese Playparty gehen. Und jetzt will er zu dir nach Hause? Definitiv ist das merkwürdig.
Wahrscheinlich hat er die Nase voll vom Wäschewaschen. ;)
Mir schmeichelt es, dass er sich wohl an meiner Seite fühlt und ich verbringe gerne Zeit mit ihm.
Vielleicht werden wir sehr gute Freunde …
Freunde? Fickfreunde vielleicht, aber nur Freunde? Nein … Mel, das ist nicht möglich. Solltet ihr nicht fest zusammenkommen und er lernt – sollte ein Wunder geschehen – eine Frau kennen, bist du abgeschrieben. Glaube mir.
Ich weiß nicht … Kann gut möglich sein. Aber vielleicht bin ich ihm als Mensch wichtig geworden und es ist mehr als etwas Körperliches. Einen guten Kumpel würde ich mir mehr wünschen als einen Partner.
Wir warten mal die nächste Woche ab. Es bleibt spannend. Würdest du denn mit ihm zusammenkommen wollen, wenn er dich jetzt fragen sollte?
Ich glaube, ich würde nicht Nein sagen, obwohl ich nicht mehr verknallt in ihn bin und ich es mir auch nur schwer vorstellen kann, mit ihm fest zusammen zu sein.
Heißt, du würdest diese Erfahrung schlichtweg mitnehmen wollen?