„Ich kann nicht sagen, daß Ihr Unrecht habt," erwiederte der Streifschütz, dessen Meinung über diesen wichtigen Satz, obgleich aus sehr verschiedenen Folgerungen, in sonderbarem Einklang mit denen seines Gefährten stand; „und ich habe oft eben so gedacht und gesprochen, wann und wo ich glaubte, meine Stimme würde gehört werden. Aber Euer Vieh ward Euch gestohlen von denen, welche sich Herren von allem, was sie in den Wüsten finden, nennen."
„Sie hätten besser gethan, mit einem Mann über eine Sache nicht zu streiten, der sie besser versteht," sagte der Andere drohend, obgleich der Ton so dumpf und schläfrig schien, als der, welcher ihn vorbrachte. „Ich nenn' mich einen guten Handelsmann, der so viel gibt, als er empfängt. Ihr sahet die Indianer?"
„Ja; ich war ihr Gefangener, während sie sich in Euer Lager stahlen."
„Es hätte sich besser für einen Weißen und Christen geschickt, es mich bei Zeiten wissen zu lassen," entgegnete Ismael, und warf einen zweiten unglückdrohenden Seitenblick auf den Streifschütz, als sinne er immer noch auf Rache; „ich nenne nicht leicht Jeden, auf den ich treffe, Vetter; aber die Farbe sollte doch etwas gelten, wenn Christen an einem solchen Ort sich begegnen. Aber was geschehen ist, ist geschehen, und kann durch Worte nicht gut gemacht werden. Kommt aus Eurem Versteck, Junge; hier ist nur ein alter Mann; er hat von meinem Brod gegessen, und sollte mein Freund sein; aber es sind gute Gründe zum Argwohn da, daß er es mit meinen Feinden gehalten."
Der Streifschütz antwortete nicht auf den schnellen Bedacht, den der Andere keinen Anstand nahm, ohne den geringsten Rückhalt zu äußern, ungeachtet der Erklärungen und Betheuerungen, die er eben erst gehört. Der Ruf des ungebeugten Grenzwohners hatte alsbald mehrere herbeigezogen. Vier oder fünf seiner Söhne kamen aus verschiedenen Schlupfwinkeln hervor, in die sie sich in der Meinung begeben, die Figuren, die sie auf dem Hügel der Steppe gesehen, seien ein Theil der Sioux-Bande. So wie jeder herbei kam und sein Gewehr in den Arm nahm, warf er einen ausdruckslosen, aber forschenden Blick auf die Gestalt des Fremden, obgleich keiner die geringste Neugier zeigte, zu erfahren, woher er gekommen, oder warum er da sei. Diese Gleichgültigkeit kam jedoch nur theilweise von der Trägheit ihres Charakters her; denn lange und häufige Erfahrungen in Scenen solcher Art hatten sie die Tugend der Vorsicht gelehrt.
Der Streifschütz ertrug ihre finstere, aber schweigende Untersuchung mit einer Standhaftigkeit, die zeigte, daß er so erfahren sei, als sie selbst; er ertrug sie mit der ganzen Ruhe der Unschuld. Zufrieden mit der schnellen Untersuchung, die er angestellt, wandte sich der älteste der Söhne, welches gerade die schuldige Schildwache war, deren Trägheit der listige Mahtoree so wohl benutzt hatte, zum Vater, und sagte ganz trocken:
„Wenn dieser Mann alles ist, was von dem Trupp, den ich dort oben sah, übrig blieb, so haben wir unser Pulver nicht weggeworfen."
„Asa, du hast Recht," sagte der Vater, und wandte sich plötzlich zum Streifschützen, als wenn ein verlorner Gedanke durch den Wink seines trägen Sohnes wieder in ihm hervorgerufen würde. „Wie ist das, Fremder; Ihr wart eben noch zu drei, oder im Mondlicht ist keine Wahrheit!"
„Hattet Ihr die Teton durch die Steppen, wie so viele schwarze böse Geister hinter Eurem Vieh her rasen sehen, so hattet Ihr sie leicht, mein Freund, für tausend halten können."
„Ja ein in der Stadt geborner Junge oder ein dummes Weib; obwohl, da ist die Esther, sie fürchtet sich nicht mehr vor einer Rothhaut, als einem jungen Fuchs, oder einem Wolf-Säugling, Ich schwöre Euch, hatten Eure diebischen T — l ihren Schlag bei Tageslicht ausgeführt, Ihr hättet das gute Weib kräftig am Werk unter ihnen gesehen, und die Sioux würden gefunden haben, daß sie gar nicht so leicht ohne einen Preis ihren Käse und ihre Butter aufzugeben sich verstanden hätte. Aber es wird eine Zeit kommen, Fremder, recht bald, wo Gerechtigkeit geübt wird, und das auch ohne Hülfe dessen, was man Gesetz nennt. Wir sind ein langsames Volk, man mag es sagen, und es wird oft von uns gesagt, aber langsam ist sicher, und es leben Wenige, die sagen können, daß sie uns je einen Schlag versetzten, den sie nicht eben so hart von Ismael Busch wieder bekamen."
„Dann hat Ismael Busch mehr die wilden Triebe der Thiere als die eigenthümlichen Grundsätze, die sein Geschlecht leiten sollten, nachgeahmt," erwiederte der unerschrockene Streifschütz. „Ich selbst hab' manchen Schlag gethan, aber nie die Gemüthsruhe empfunden, die der genießt, der seiner Vernunft folgt, wenn ich auch nur einen Hirsch erlegte, ohne sein Fleisch oder seine Haut zu bedürfen; ich empfand's, als ich einen Mingo unbeerdigt in den Wäldern liegen ließ, wie ich im offenen, gerechten Krieg begriffen war."
„Wie, Ihr seid Soldat gewesen, wart Ihr, Streifschütz? Auch ich machte einen Zug oder zwei unter, die Cherokee, wie ich noch ein Junge war, und folgte dem rasenden Anton [Der General Wayne ward der Wildheit seines Angriffs wegen von den Indianern so genannt.] in's Feld durch die Buchen, aber es war mir viel zu viel Ordnen und Einschränken unter seinen Truppen; so verließ ich ihn, ohne vom Zahlmeister meinen Rückstand zu fordern. Doch hatte, wie sie sich damals rühmte, Esther einen so guten Gebrauch von der Banknote gemacht, daß die Staaten nicht viel durch meine Nachsicht gewannen. Ihr habt gewiß vom rasenden Anton gehört, wenn Ihr Euch lang unter den Soldaten aufhieltet."
„Ich focht, wie ich hoffe, meine letzte Schlacht unter seinen Befehlen," erwiederte der Streifschütz, und seine dunkeln Augen glänzten vor Freude, als erinnere er sich an den Vorfall mit Vergnügen; aber bald hatte sie der Kummer umwölkt, eine geheime Stimme schien ihm zu sagen, er habe zu oft in gewaltigen Scenen eine Rolle gespielt. „Ich ging von den Staaten an der Seeküste in diese entfernten Gegenden, als ich auf den Nachtrab seines Haufens stieß und so fast als bloßer Zuschauer unter sie gerieth; wenn es aber zu Schlägen kam, dann ließ sich meine Flinte hören, ob ich gleich, zu meiner Schande sei es gesagt, nie wußte, auf welcher Seite das Recht sei, was doch ein Mann von siebzig wissen sollte, ehe er ein Leben vernichtet, ein Geschenk entreißt, das er nie wieder erstatten kann."
„Kommt, Fremder," sagte der Auswanderer, sein rauhes Wesen hatte sich um vieles gemildert, als er gefunden, daß sie auf einer Seite in den wilden Kriegen des Westen gefochten, — „es ist nichts daran gelegen, was die Grundursache des Streits sein mag, wenn Christen gegen Wilde fechten. Wir wollen morgen wegen des Pferdediebstahls weiter hören; für heute können wir nichts Besseres und Vernünftigeres thun, als schlafen."
So sagend ging er bedachtsam den Weg nach seinem geplünderten Lager voraus, und führte den Mann, dessen Leben einen Augenblick vorher seine Wuth in wahre Gefahr gebracht hatte, in seine Familie ein. Hier erzählte er nach einigen erklärenden Worten, mit wenigen, aber bedeutungsvollen Drohungen gegen die Plünderer untermischt, seinem Weibe den Stand der Dinge in der Steppe, und eröffnete dann seinen Entschluß, sich für die unterbrochene Ruhe dadurch zu entschädigen, daß er den noch übrigen Theil der Nacht dem Schlaf widme.
Der Streifschütz gab der Maßregel seinen vollen Beifall, und streckte seine lange Gestalt auf ein Grasbündel, das man ihm anwies, so ruhig aus, wie sich etwa ein Fürst in der Sicherheit seiner Residenz und von seiner bewaffneten Garde umgeben, dem Schlaf überlassen würde. Doch schloß der alte Mann nicht eher die Augen, als bis er sich überzeugt, daß Ellen Wade unter den Weibern des Zugs sich befinde, und daß ihr Verwandter oder Liebhaber, was er nun sein mochte, die Klugheit gebraucht, sich nicht sehen zu lassen. Daraus schlief er ein, jedoch mit der ihm eigenen Wachsamkeit, die, er gleichsam selbst in den Stunden tiefer Nacht im Schlafe beizubehalten sich gewöhnt hatte.
Sechstes Kapitel.
Er ist zu empfindlich, zu geputzt, zu geziert und zu dumm ;
Er ist aus der Fremde; ich behaupt' es kurz um.
Shakespeare.
Die Angloamerikaner rühmen sich gern und nicht ohne scheinbaren Grund, daß ihr Volk mit weit mehr Recht sich eine rühmliche Abstammung anmaßen kann, als alle andern Nationen, deren Geschichte Glauben verdient. Wie groß auch immer die Schwachheiten der ersten Anpflanzer gewesen sein mögen, ihre Tugenden sind selten geläugnet worden. Wenn sie abergläubisch waren, so waren sie auch aufrichtig fromm, und folglich gut. Die Ankömmlinge dieser einfachen Provinzialen voll Einfalt des Herzens