Fake Face. Rita M.Arane. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rita M.Arane
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753189369
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weniger Zitronensäure, mehr Honig und vielleicht ein Hauch Basilikum, dann wäre es … genießbar“, murmelte Elena vor sich hin.

      Die Frau schaute zu Elena, dann wieder zum Eisverkäufer. „Wenn du mich fragst, Antonio, dann würde ich auf sie hören. Schlechter kann es ja wirklich nicht werden!“, sagte die alte Dame spöttisch. Der Eisverkäufer drehte sich zu ihr um.

      „Judith, geh wieder rein! Du vergraulst mir doch all meine Kunden mit deinem Geschwafel!“, ranzte der Eisverkäufer sie an und machte eine Handbewegung, als ob er eine Schar Hühner vertreiben wollte. „Na los, geh!“ Er wartete ab, bis sie wieder im Laden verschwunden war. „Basilikum … Basilikum? … im Eis!? Wer kommt denn auf so eine Idee?!“, murmelte er kopfschüttelnd und widmete sich wieder seiner Eistheke. „Hier, Post für dich, Antonio!“ Die Briefträgerin stand mit einigen Briefen wedelnd vor ihm. Heute war sie ganz besonders spät dran. Er schaute sich um, doch Elena war wieder gegangen, ohne dass er es bemerkt hatte. „Suchst du etwas?“, fragte sie, als sie seine suchenden Blicke bemerkte. Er nahm die Post entgegen. „Nein, nein. Grazie, bella donna“, sagte er augenzwinkernd und lächelte die junge, blonde Postbotin an. Als sie mit verlegenem Lächeln wieder gegangen war, schaute Antonio auf die Post in seiner Hand. Sein Blick wurde ernst. Es handelte sich wieder einmal um Rechnungen, die er nicht imstande war zu begleichen. Seitdem er den Laden von seinem Onkel geerbt hatte, lief das Geschäft schlecht. Er kam einfach nicht aus den roten Zahlen heraus. Ihm war bewusst, dass er zwar ein guter Verkäufer, aber kein guter Eismacher war. Ans Aufgeben dachte er jedoch nicht. Sein verstorbener Onkel hatte so sehr an dem Laden gehangen. „Basilikum … Schlechter kann es nicht werden …“, wiederholte er. Vielleicht hat die fremde junge Frau ja recht, dachte er.

      Nachdem Elena die Briefe zur Poststelle gebracht hatte und zur Farm zurückgekehrt war, machte sie sich sofort auf den Weg zu Mr. Fireman. Sie wollte ihm die Unterlagen und das Wechselgeld geben. Um diese Uhrzeit saß er wahrscheinlich in seinem Büro. Auf dem Rückweg hatte Elena versucht, mit Wasser den bitteren Nachgeschmack vom Zitroneneis in ihrem Mund loszuwerden. Die Flasche Wasser hatte sie leer getrunken, aber der bittere Nachgeschmack war immer noch da. Sie klopfte an die Tür von Mr. Fireman und betrat den Raum. Mr. Fireman saß an seinem überdimensionalen massivbraunen Kirschbaumschreibtisch, eingehüllt im grauen Dunst seiner Zigarette. Im Raum waren noch zwei weitere Personen: seine Frau und ein Mann, den Elena nicht kannte. Sie saßen nebeneinander auf einem großen braunen Ledersofa direkt gegenüber der Tür. Mrs. Fireman war eine große, rothaarige, dünne Frau mit hervorstehenden Wangenknochen und blasser Haut. Ihr Blick war immer ernst.

      Da dieser Mann und Mr. Fireman sich sehr ähnlich sahen, folgerte Elena, dass das sein Bruder sein musste. Nur war dieser jünger und schlanker. Elena begrüßte alle und gab den Grund ihrer Anwesenheit an. Mr. Fireman inhalierte noch einmal an seiner Zigarette, bevor er nach Lieferscheinen und Wechselgeld griff. Elena schaute auf den vollen Aschenbecher neben ihm auf dem Tisch, wo er kurz darauf die weiß-graue Asche seiner Zigarette hineinschnippte. „Danke, Elena.“ Erneut zog er an seiner Zigarette, als ob er fürchtete, dass die Glut ansonsten in der nächsten Sekunde erloschen würde. Sie versuchte flacher zu atmen, um zu verhindern, dass der zerstörerische Qualm zu tief in ihre Lungen gelangen konnte, während Mr. Fireman die Unterlagen und das Geld prüfte. Der Rauch und der bittere Eis-Nachgeschmack vermischten sich zu einem unangenehmen Kratzen in ihrem Hals. Auf dem Tisch standen eine Karaffe mit Wasser und einige unbenutzte Gläser. „Darf ich?“ Elena deutete darauf. Mr. Fireman nickte. Elena trank einen Schluck Wasser, und ihr Blick schweifte zu Mrs. Fireman und dem Mann. Sie unterhielten sich über die Ernte und den Hofladen. Dann – es war nur ein Bruchteil einer Sekunde, für andere Menschen womöglich nur schwer erkennbar, aber für Elena war es, als ob sie durch eine Lupe hindurchsehen würde und jede kleine Regung in deren Augen erkennen konnte – sah sie etwas in dem Blick dieses Mannes. Etwas, das sie irritierte. Es war ein Blick, der viel zu vertraut, viel zu innig war. Ein Blick, den man keiner verheirateten Frau und vor allen Dingen nicht seiner Schwägerin zuwarf. Elena schaute zu Mr. Fireman. In seiner Mimik war keine Reaktion zu erkennen. Hatte nur sie das wahrgenommen? Oder hatte ihm einfach die dichte Nebelwand seiner Zigarette den Blick auf die beiden versperrt?

      In Elena machte sich ein bedrückendes Gefühl breit. Eine Vorahnung, dass das, was sie gesehen hatte, sie in etwas hineinziehen würde, in das sie nicht hineingezogen werden wollte. Denn Mrs. Fireman erwiderte „diesen“ Blick!

      In den darauffolgenden Wochen versuchte Elena so gut wie möglich, diesem Mann aus dem Weg zu gehen, wann immer er auf der Farm auftauchte. Doch an diesem Vormittag arbeitete Elena im Hofladen, als er den Laden betrat. Mrs. Fireman war ebenfalls anwesend.

      „Ed, was machst du denn hier? Dein Bruder müsste auf den Feldern sein“, sagte Mrs. Fireman nicht sonderlich überrascht, als sie ihn sah.

      Elenas Vermutung hatte sich bestätigt. Ed war tatsächlich Mr. Fireman‘s Bruder.

      Er antwortete nicht, sondern nickte nur zur Begrüßung.

      Elena füllte die leeren Kisten im Laden wieder auf. Hinter ihr standen einige Frauen aus dem Ort, die sich aufgeregt unterhielten. Es ging um das Übliche: Angebliche Trennungen, Verlobungen, Affären, Magersucht, unangebrachte Kleidungsstile, eigenartige Lebensweisen, seltsame Ausdrucksweisen, Streitereien usw. Manchmal hatte Elena das Gefühl, sie wäre mitten im Zentrum gelandet – im Zentrum des Klatschs und Tratschs. Da, wo keine Zeitung hätte mithalten können. Neue Gerüchte wurden gesät oder verbreitet. Jeder redete über jeden. Wenn eine Person gegangen war, wurde sofort über sie hergezogen. Elena versuchte meistens wegzuhören. Doch manchmal, wenn der Laden voll war, verspürte sie den Drang, sich zurückzuziehen. Sie wusste ganz genau, woran das lag. In unbeobachteten Momenten ging sie schnell in eine kleine Kammer im hinteren Teil des Hofladens. Dort stand sie dann für einen kurzen Moment am offenen, kleinen Fenster, das zum Hinterhof führte. Sie atmete ein paarmal bewusst tief ein und aus und versuchte ihren Puls in den Griff zu bekommen.

      Als Mrs. Fireman die letzte Kundin im Laden bedient hatte, ging Ed zu ihr. Elena überkam noch immer ein ungutes Gefühl, wenn sie die beiden zusammen sah.

      Es hallte wie ein Echo in ihr und wurde immer stärker. Sie hasste dieses Gefühl. Instinktiv verließ Elena den Laden und befüllte die Kisten, die vor dem Laden aufgestellt waren. Sie versuchte, nicht ins Innere des Ladens zu schauen. Das geht dich nichts an, vernahm sie eine innere Stimme. Im Augenwinkel konnte sie jedoch erkennen, dass sie nah beieinanderstanden und redeten, nein, sie flüsterten. Wenn Elena sich darauf konzentrieren würde, würde sie genau hören können, was die beiden miteinander besprachen, aber das wollte sie nicht. Elena schaute auf die schwarze Katze hinunter, die in diesem Moment neben ihren Beinen stand. Sie schmiegte sich an Elenas Beine und begann zu schnurren. „Elena, ich muss kurz weg. Du hältst hier die Stellung.“ Mrs. Fireman stand plötzlich an der Ladentür.

      Elena schaute den beiden hinterher, als sie in Mrs Firemans Wagen stiegen und davonfuhren. Im gleichen Moment fuhr ein großer schwarzer Pick-up in die Einfahrt hinein. Oh nein, dachte Elena, als sie die Personen im Wagen erkannte. Es war das Fahrzeug von Mr. Spike. Ein älterer, barscher Herr. Er hatte eine Ranch mit unzähligen Rindern etwas außerhalb von Countville. Sie hatte ihn schon mehrmals mit Mais beliefern müssen. Der Wagen hielt direkt von dem Laden. Mr. Spike stieg aus und zupfte sein Lederweste um seinen korpulenten Körper zurecht. Er war nicht allein. Sein Vorarbeiter Steve war auch dabei. „Wo ist Fireman?“, fragte Mr. Spike in seiner üblichen ruppigen Art, kaum dass er ausgestiegen war. Sein Gesicht war rot und verschwitzt.

      „Ich nehme an, im Büro“, antwortete Elena. Ohne ein Wort wandte er sich ab und ging in Richtung des Büros. Steve grinste Elena an, so wie er es immer tat, wenn er sie sah. Fast schüchtern hob er seine Hand, um sie zu grüßen. Seine blonden Locken hingen ihm wirr ins Gesicht. Irgendwie wollten die feinen Züge seines Gesichts nicht zu seiner bulligen Statur passen. Elena war sicher, dass ihn andere Frauen als attraktiv bezeichnen würden. Obwohl Mr. Spike diese abweisende und auch ruppige Art an sich hatte, war es Steve, an dem Elena sich viel mehr störte. Immer, wenn er versuchte, sie in einen Smalltalk zu verwickeln, hatte sie das obskure Gefühl, etwas Falsches zu tun, wenn sie mit ihm redete. Außerdem verspürte sie eine Art Fluchtreflex, wenn er auftauchte. Dementsprechend