Tod des Helden. Volkmar Kuhnle. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Volkmar Kuhnle
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753186979
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Er schlang die Arme um seinen Leib und kuschelte sich unter den Mantel. „Aber Ihr habt mich gefunden und daraus befreit.“

      „Natürlich, der Fürst trug mir auf, auf dich Acht zu geben“, erwiderte Valerius ruhig.

      „Weil er es nicht will?“

      „Dein Vater liebt dich, du bist sein einziger Sohn. Nur kann er das nicht immer so zeigen.“

      „Das ist aber eine himmelschreiende Untertreibung. Manchmal habe ich das Gefühl, ich bin ihm lästig. Warum könnt nicht Ihr mein Vater sein?“

      „Ach, Aidan …“ Valerius seufzte. „Lassen wir das Thema für heute ruhen und kehren ins Schloss zurück. Ich muss mir deine Wunde anschauen und dich mit ein paar Kräutern versorgen.“

      „Ich möchte nicht zurück. Mein Vater wird wieder ein Gastmahl abhalten, es wird laut sein und seine Männer und er werden sich mit Wein betrinken. Ich möchte hierbleiben. Erzählt mir etwas, eine Geschichte über die alten Götter.“ Das Flehen in der Stimme des Jungen, die Hoffnung in seinen blauen Augen, ließen das Herz des Animagus schwer werden.

      So schlang er den Mantel enger um sie und begann, Legenden über die funkelnden Sternbilder zu erzählen, bis der Junge friedlich in seinen Armen eingeschlafen war.

      Mit den ersten Sonnenstrahlen machten Valerius und Aidan sich wieder auf den Rückweg. Sie verließen die Lichtung und folgten einem Wildwechsel, der sie wieder auf den Weg zum Herrschersitz brachte. Schweigend liefen sie nebeneinander her und genossen die friedliche morgendliche Stimmung. Die Vögel sangen, begrüßten den neuen Tag, die kühle Luft roch klar und frisch. Sie begegneten einem Hirsch, der am Rand des Weges äste. Als er sie bemerkte, hob er den Kopf und witterte in ihre Richtung. Einen Augenblick später war er im dichten Grün verschwunden.

      Bald darauf erreichten sie den Fürstensitz. Die Wachen grüßten sie freundlich und die Mägde und Diener gingen wie gewohnt ihrer Arbeit nach. Doch als sie die Haupthalle betraten, bot sich ihnen ein Bild der Zerstörung. Zerbrochene Krüge und Essensreste lagen verstreut auf dem Boden und den hölzernen Tischen, Weinlachen hatten sich auf dem Boden ausgebreitet. Der Gestank nach kaltem Essen, Alkohol und menschlichen Ausdünstungen hing in der Luft. Valerius rümpfte die Nase und öffnete die großen Fenster des Saals, sodass frische Luft hereinströmen konnte. Den Arm um Aidans Schulter gelegt, brachte er ihn in seine Kammer, die gleich neben der Bibliothek im abgelegenen Nordflügel lag.

      „Jetzt lass mich mal nach deiner Schulter schauen“, sagte der Animagus und bedeutete dem Jungen, sich in einen Sessel zu setzen. Während es sich sein Schützling gemütlich machte, suchte der Gelehrte ein paar Tiegel und Fläschchen zusammen und stellte sie auf den kleinen Beistelltisch, der neben dem Sitzmöbel stand.

      „Ich werde deine Wunde säubern und anschließend eine Kräuterpaste auftragen, um die Heilung zu unterstützen.“ Behutsam löste er den provisorischen Verband. Überrascht sog er die Luft ein, als der letzte Stoffstreifen fiel.

      „Was ist?“, fragte Aidan beunruhigt und linste auf die Stelle knapp unter dem Schlüsselbein.

      Valerius nahm ein bereitgelegtes Tuch, tauchte es in die Wasserschüssel und reinigte vorsichtig die Verletzung oder zumindest das, was davon noch übrig war. Dort, wo gestern noch ein tiefer Einschnitt von der Spitze des Pfeils zu sehen war, prangte nun nur noch ein verschorftes kleines Loch.

      „Es scheint, als ob die Wunde über Nacht fast komplett verheilt sei. Das ist interessant.“

      „Ihr habt recht! Es tut auch gar nicht mehr weh“, wunderte sich der Junge. „Das müssen Eure Geschichten gewesen sein.“ Sein Bauch knurrte vernehmlich. „Ich sterbe fast vor Hunger, lasst uns etwas essen gehen“, schlug er dann vor. „Ich ziehe mir nur schnell etwas Frisches an.“ Und schon war er im Nachbarzimmer verschwunden.

      „Wahrscheinlich …“, gab Valerius nachdenklich zurück, doch er hatte noch eine ganz andere Vermutung.

      Wenig später saßen sie im Garten des fürstlichen Anwesens und genossen ihr Frühstück. Es gab frisch gebackenes Brot, dazu kalten Braten und verschiedene Käsesorten. Eine Schale Obst und Gemüse fehlten ebenso wenig wie eine dampfende Kanne Tee.

      „Ah, das war gut.“ Wohlig seufzend lehnte sich Aidan zurück. Er streckte seine Beine und ließ sich von den warmen Sonnenstrahlen bescheinen. Sein Blick schweifte durch den Garten. Ein paar Diener waren damit beschäftigt, eine Hecke wieder in eine ordentliche Form zu bringen, während andere an den Blumenbeeten arbeiteten.

      Valerius vertiefte sich in ein Buch, das er von der Bibliothek mitgenommen hatte.

      „Was lest Ihr denn da?“, wollte Aidan neugierig wissen.

      „Ach, ich schaue nur etwas nach …“, er wedelte in einer unbestimmten Geste mit der Hand.

      „Mein Sohn!“ Aufgeregt lief Fürst Geralf herbei. Seine strähnigen langen Haare hingen ihm ungepflegt ins Gesicht, auf seinem zerknitterten Gewand zeigten sich Flecken. „Wie geht es dir?“

      Aidan setzte sich auf und starrte dem Fürsten finster entgegen. „Seit wann interessiert dich das? Gestern war es dir egal und schau dich an. Anstatt nach deinem Sohn zu suchen, betrinkst du dich mit deinen Kumpanen.“

      Ein verlegener Ausdruck trat in das Gesicht des Fürsten. „Es tut mir leid. Aber es sah wirklich nicht schlimm aus, und ich weiß doch, dass du ein starker Junge bist. Also sag mir, was ist mit dir?“

      „Valerius hat sich alles angeschaut und meinte, es ist schon fast wieder verheilt.“

      Ein ungläubiger Ausdruck breitete sich auf dem Antlitz des Fürsten aus. „Das ist ja wunderbar. Ich danke Euch, Meister Animagus!“

      Valerius legte das Buch beiseite und erwiderte: „Mein Anteil daran war der geringste.“

      „Ihr habt wieder euren Hokuspokus gewirkt, nicht wahr?“, schleuderte ihm Celerion entgegen, der eben die Terrasse betrat. „Ich habe die Wunde gesehen. Nicht einmal unsere besten Priester des Lichts können solche Verwundungen so schnell heilen. Verderbt den Jungen nicht, so wie Ihr es damals mit Fürstin Katharina getan habt.“

      Bei der Erwähnung des Namens seiner verstorbenen Frau verfinsterte sich die Miene des Fürsten.

      „Katharina …“, kam es leise über seine Lippen.

      Bevor Valerius etwas erwidern konnte, kam ihm Aidan zuvor: „Meister Valerius hat damit nichts zu tun. Euer unsäglicher Pfeil hat wohl nur einen Kratzer bei mir hinterlassen. Seid doch froh darüber.“

      „Weder meinen Sohn, beschossen vom eigenen Gefolgsmann, noch meine Frau konnte ich beschützen. Was bin ich nur für ein Herrscher?“, fragte Fürst Geralf, das Gesicht fahl, Verzweiflung in seinem Blick.

      „Mein Fürst, so dürft Ihr nicht denken. Ihr habt es auch nicht einfach. Ihr wurdet Eurer geliebten Frau beraubt und müsst Euch nun um alles kümmern“, gab Celerion zu bedenken. „Doch ich werde immer an Eurer Seite stehen und Euch nach bestem Wissen unterstützen.“

      „Mein Fürst, der Tod der Fürstin war nicht Eure Schuld!“, warf Valerius ein.

      „Dann war es die Eure?“ Der Blick des Oberpriesters des Lichts wurde lauernd.

      „Celerion, sprecht nicht so mit Meister Valerius! Vater, sagt doch auch etwas“, rief Aidan.

      Der Angesprochene blickte auf, Verwirrung und Schmerz in seinen Augen. „Warum?“, entwich es gequält seinen Lippen.

      „Celerion ist nicht gut für dich“, ereiferte sich der Junge.

      Der Fürst zuckte zusammen, die Trauer wandelte sich in Zorn. „Und du hast nicht das Recht, so über ein ehrbares Mitglied des Hofes zu sprechen! Immer begehrst du auf, immer habe ich es schwer mit dir. Wärst du nicht geboren, würde sie noch leben! Deine Geburt und der Hokuspokus deines Freundes haben sie mir genommen. Verflucht sollt ihr sein!“ Damit wandte sich Geralf um und stürmte davon, dicht gefolgt von Celerion, der beschwichtigend auf ihn einredete.

      Wie