Tod des Helden. Volkmar Kuhnle. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Volkmar Kuhnle
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753186979
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Schlüssel hast. Und wer wird mich schon suchen? Ich war Kammerzofe, nicht mehr!“

      Naron wirkte betrübt, aber nicht überzeugt. „Wenn sie mich erwischen, hänge ich neben dir und den anderen.“

      Lori griff durch die Stäbe und legte ihre Hand auf seinen Unterarm.

      „Dann komm mit mir. Ich weiß, dass du mich magst. Wir können gemeinsam davonlaufen. Und fangen irgendwo neu an.“

      Naron überlegte. Er blickte lange in Loris Gesicht, während seine Rechte unbewusst den Schlüsselbund umklammerte.

      Dann schüttelte er den Kopf.

      „Es tut mir leid, ich kann nicht.“

      Er befreite seinen Arm mit sanfter Gewalt aus Loris Griff, dann wandte er sich ab und lief davon. Immer noch weinend.

      „Feigling!“, rief sie ihm hinterher. Ihre letzte Chance war dahin.

      „Sei still“, knurrte der ehemalige Minister Ludwig und drehte sich im dreckigen Stroh um. „Ich will schlafen.“

      Lori seufzte. Dann trat sie wieder ans Fenster und blickte zum Mond hinauf.

      „Na endlich, ich dachte schon, er würde nie verschwinden.“

      „Wer…“, begann Lori, wurde aber unterbrochen.

      „Still. Ich werde euch hier herausholen. Weck die anderen auf. Aber leise.“

      Lori sah, wie zwei kräftige Hände ein dickes Seil um die Gitter legten.

      „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Seil für diese Mauern reichen wird“, meinte Lori, rüttelte aber dann ihren ersten Zellengenossen wach.

      Max, der Koch schnaufte, dann schlug er die Augen auf.

      „Lass das mal meine Sache sein“, raunte der Fremde. „Ich bin nicht zum ersten Mal hier.“

      Lori sah, wie sich das Seil um die Gitterstäbe spannte, während sie Olivia weckte. Die ehemalige Haushälterin des Ministers hatte schon einiges an Gewicht eingebüßt, seit sie hier im Gefängnis waren. Lori hatte die Theorie, dass es daran lag, dass ihr Mund trotz ihrer Gefangenschaft nie stillgestanden hatte. Daher hielt sie ihr vorsorglich die Hand davor.

      „Still“, flüsterte sie. „Man holt uns hier heraus.“

      Minister Ludwig stieß erneut einen Fluch aus, als ihn Lori weckte, hielt dann aber verwundert inne, als sie ihn in die Seite boxte.

      „Wir werden befreit“, raunte ihm Lori zu.

      „Wurde auch Zeit“, knurrte der Mann. „Dachte mir schon, dass sie mich nicht hierlassen würden.“

      Dann fixierte auch er das Seil, das sich immer mehr spannte.

      „Lori“, kam plötzlich eine Stimme von hinten. Sie wirbelte herum. Es war Naron. Erneut. „Ich habe es mir anders überlegt. Ich werde das Risiko eingehen, wenn ich dafür mit dir zusammen sein kann.“

      Lori fröstelte plötzlich. Sie trat auf ihn zu und nahm ihn an der Hand.

      „Ist das wahr?“, flüsterte sie und stellte sich so, dass sie sein ganzes Gesichtsfeld einnahm. „Das würdest du tun?“

      „Ja. Aber du musst schnell sein. Natürlich kann ich nur dich herausholen.“

      „Das verstehe ich. Dann mach die Tür auf.“

      In diesem Moment knirschte es. Nicht wirklich laut. Aber doch unüberhörbar, wenn man direkt vor der Zelle stand.

      „Was war das? Was passiert da?“, fragte Naron und versuchte mehr zu erkennen. Lori hielt seine Hand fest und sah im fest in die Augen.

      „Ist das wichtig? Hol mich hier heraus. Dann können wir weg. Für immer.“

      „Ich will jetzt wissen, was da vorgeht“, knurrte Naron und stieß Lori von sich. Sie taumelte zwei Schritte zurück und sah, wie sich Narons Augen ungläubig weiteten.

      „Runter, Mädchen“, ertönte eine befehlsgewohnte Stimme und Lori ließ sich sofort fallen.

      Etwas zischte und riss Naron von den Beinen.

      Lori kämpfte sich hoch und starrte Naron an. In seiner Kehle steckte ein Wurfdolch. Blut strömte aus seiner Kehle. Er versuchte etwas zu sagen, doch aus seinem Mund kam nur ein entsetzlich feuchtes Gurgeln.

      Dann lag er still.

      „Worauf wartest du? Los jetzt!“, erklang die gleiche Stimme wie zuvor.

      Um das Gitter herum befand sich ein beinahe menschengroßes Loch in der Wand. So, als wäre ein Teil der Ziegel einfach entfernt worden.

      Lori setzte sich in Bewegung, kletterte durch das Loch und stand neben einem drahtigen Mann, der ihr einen weiteren Dolch in die Hand drückte.

      „Hier. Nimm das.“

      „Ich kann nicht kämpfen“, gab sie zurück.

      „Er ist auch nicht dafür gedacht“, meinte der Mann mit einem Lächeln, das irgendwie so wirkte, als hätte er diese Sätze schon zu oft gesagt. „Sondern für den Fall, dass man euch erwischt. Glaub mir, du willst ihnen nicht nochmal in die Hände fallen.“

      Lori nickte und steckte den Dolch ein. Vermutlich hatte er die anderen schon versorgt.

      „Kommt jetzt. Wir müssen hier raus. Die Patrouille ist zwar ein schlechter Witz, aber wir sind noch lange nicht in Sicherheit. Wer von euch ist Alphons Ludwig?“

      „Das bin ich“, bekannte der ehemalige Minister und verbeugte sich elegant.

      „Gut. Ich bin hauptsächlich deinetwegen hier. Stimmt es, dass du die Steuereinnahmen vor dem Eintreffen der Rinkonier in Sicherheit gebracht hast?“

      „Selbstredend.“

      Das ölige Grinsen des Ministers weckte Übelkeit in Lori. Wurden sie gerade nur deshalb gerettet, weil ein korrupter Minister Geld versteckt hatte?

      „Das heißt, Ihr werdet dafür bezahlt, uns zu befreien?“

      Lori hielt sich die Hand vor den Mund, als sie feststellte, dass sie das gerade laut gesagt hatte.

      „Nein. Ich werde nur bezahlt, ihn zu retten.“ Der Unbekannte zeigte auf Minister Ludwig. „Euch nehme ich gratis mit. Soll ich euch lieber zurücklassen?“

      „Nein“, stieß Lori aus.

      „Dann folgt mir. Leise. Und nennt mich Mischka.“

      Die vier Gefangenen folgten ihrem Befreier. Lori war völlig verblüfft, dass Olivia bisher noch kein einziges Wort gesagt hatte. Ihre Augen hingen wie festgewachsen an ihrem Befreier. Offenbar war ihr Selbsterhaltungstrieb doch stärker als ihr Mitteilungsbedürfnis.

      „Verdammt“, fluchte Mischka. „Wir sind spät dran. Wir müssen vor der Wachübergabe am Südtor sein. Beeilt euch!“

      Die Straßen waren leer. Zweimal sahen sie das Licht einer Fackel, aber immer mehrere Gassen entfernt. Ihr Befreier kannte die Routen der Patrouillen. Trotzdem trieb er sie unbarmherzig weiter an – auch als Sophia stürzte und sich das Bein aufschürfte. Max, der Koch, riss sie wieder hoch.

      „Wir sind da. Bleibt hinter mir. Wir sind gleich raus.“

      Mischka trat auf die Metalltür mit dem kleinen Fenster zu und klopfte. Zweimal kurz, einmal lang, zweimal kurz.

      Die Klappe ging kurz auf, schloss sich wieder, danach öffnete sich die Tür.

      „Schnell“, brummte eine tiefe Stimme. „Die Ablösung ist überfällig. Ihr müsst hier raus.“

      „Aber klar doch“, entgegnete ihr Befreier und warf dem Mann einen Beutel zu. Es klimperte. Münzen. „Bis zum nächsten Mal, Olaf.“

      Der Mann bedeutete den Gefangenen, durch das Tor zu gehen.

      „Was ist da los?“, rief