Geliebter Unhold. Billy Remie. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Billy Remie
Издательство: Bookwire
Серия: Chroniken der Bruderschaft 4
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753189772
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ließ langsam den Atem entweichen und blickte wieder durch das Kutschenfenster. Einige Demonstranten drehten sich um, als sie an ihnen vorbeifuhren. Die, die ihn sahen, verstummten, schienen sogar genug Respekt zu haben, um sich ein wenig zu schämen, immerhin war er noch immer ein Sohn des Kaisers.

      »Beängstigend?« Er schüttelte leicht den Kopf. »Es macht mich so wütend, Ardor.«

      »Verständlich.«

      Stirnrunzelnd wandte Kacey ihm das Gesicht zu, doch sein Leibwächter blickte nun auch nach draußen. Sein streng geflochtener Zopf lag wie eine Schlange über seiner Schulter und endete an einem der ausgebreiteten Flügel der Harpyie, die auf seinen glänzenden Brustpanzer eingeprägt war.

      »Was denkst du über all das?«, wollte Kacey von ihm wissen. »Und sei ehrlich, ich will wissen, was du denkst und fühlst, immerhin … bist du kein Magier.«

      Ardor lächelte schwach. »Meine Mutter war es.«

      Überrascht hielt Kacey den Kopf schief. »Das wusste ich nicht.«

      »Außerdem ist es gleich, ob ich Magier bin oder nicht.« Ardor sah Kacey entschlossen in die Augen. »Mein Prinz, ich will in keiner Welt ohne Magie leben. Sie ist wichtig für uns alle, sie hilft uns, sie rettet uns, sie hat uns vor dem Portal geschützt. Ihr habt uns davor beschützt.«

      Ja, er hatte die Welt beschützt… Kacey wandte den Blick wieder nach draußen. Aber hätte Riath nicht Sarsar getötet, wäre aller Ruhm ihm allein zugefallen, denn Sarsar war es gewesen, der das Portal geschlossen und die außer Kontrolle geratene Magie gefangen hatte. Er war es gewesen, der Retter der Welt. Sarsar wäre umgehend, in so jungen Jahren, eine genauso große Legende wie sein Vater geworden.

      »Die Magie gehört zu uns, sie ist in allem«, fuhr Ardor fort, nichts ahnend, was in den Gedanken seines Herrn vor sich ging, »wir können ohne sie nicht leben, auch wenn sie uns Angst machen kann. Doch ich würde ja auch nicht die Sonne wegwünschen, nur weil sie eine Ernte verbrannt hat. Oder den Regen, weil er den Fluss überschwemmen ließ. Alles hat zwei Seiten, vielleicht ist das auch gut.«

      »Glaubst du, auch Menschen haben diese zwei Seiten?«, fragte Kacey wie in Trance.

      Ardor schwieg einen Moment, eher er erwiderte: »Niemand besitzt nur eine einzige Seite.«

      Kacey sah ihn an, sein Leibwächter erwiderte den Blick. Sie verstanden sich, und Kacey fühlte sich ein klein wenig wohler.

      Der Wagen hielt mit einem Ruck an. Verwundert sah Kacey wieder nach draußen, sie standen auf einer Brücke, hatten ihr Ziel fast erreicht, aber eben nur fast.

      Ardor streckte den Kopf auf der anderen Seite hinaus und sprach mit dem Kutscher, Kacey wandte sich bereits zur anderen Tür.

      »Eine Straßensperre«, sagte Ardor.

      Da hatte Kacey die Tür bereits aufgestoßen und stieg hinaus. Der Saum seiner Robe war schwer, er trug an jenem Tag nichts aus Seide oder Damast, sondern aus ungewohnt schwerer Wolle. Dunkelblaue Stoffbahnen umschmeichelten seinen Körper, streckten ihn ein klein wenig. Rücken und Arme waren ausnahmsweise bedeckt, das Gewand besaß einen hochstehenden Kragen, der seine Kinnpartie betonte, die wie gemeißelt aussah. Das Innenfutter war aus goldenem Samt, die Knöpfe mit Kristallen versehen, seine Kette mit dem Mondanhänger lag außen auf seiner Brust, und vom Saum bis zu den Knien war der Rock seiner Robe mit goldenen Sternen bestickt.

      Am Ende der Brücke sah er die Rücken tausender Bürger, die den Richtplatz unterhalb des Palastes belagerten und alle zum Galgen blickten. Dort wurde niemand gehängt, das Podest diente an jenem Tag lediglich als Bühne.

      Adror stieg ebenfalls aus der Kutsche und trat hinter Kacey, seine Anwesenheit ließ ihn sich beschützt fühlen, sodass erst gar keine Nervosität aufkam, sondern nur grenzenlose Wut.

      Da stand dieser grimmige Alte, mit dem Kacey bereits bei der Versammlung Schwierigkeiten bekommen hatte, und schwang Reden über die Bösartigkeit der Magier.

      »Sie sind eine Gefahr! Sie sind wider der Natur. Biester, Monster, immer ihren Fähigkeiten ausgeliefert! Sie streben nur nach Macht, sie wollen uns unterjochen, die Stadt und dann das Land an sich reißen! Wehrt Euch, bevor es zu spät ist, macht endlich die Augen auf. Nun fordern sie die Abschaffung der Gesetze! Lasst euch nicht blenden, gute Bürger von Solitude, die Akademie ist ein Dämonenhort! Ein Schandfleck! Sie sollte zum Gefängnis werden, zu einem Ort, wo wir die Magier kontrollieren können, sonst passiert uns das, was in Zadest geschah. Es bedarf nur einen einzigen Magier, uns alle zu versklaven!«

      Sie hörten ihm zu, fraßen ihm aus der Hand.

      Kacey presste die Lippen aufeinander, schüttelte verdrossen den Kopf. Er spürte, wie die Magie in ihm erwachte, prickelte und zwickte, wie ein plötzlicher Hustenreiz in der Kehle.

      »Ich sollte umkehren«, knurrte er durch die Fänge. »Bevor es eskaliert.«

      »Darf ich mir eine persönliche Meinung erlauben, mein Prinz?«

      »Jederzeit.«

      Ardor trat ein Stück näher. »Ich beschütze Euch, seit der Kaiser Euch aufnahm, und obwohl Ihr fremd wart, habt Ihr Euch nie der dreisten Machenschaften der Politik des Reichs unterjocht. Ihr wart immer stark, mein Prinz, nie auf den Mund gefallen. Ihr habt Euch nie umgedreht.«

      Das stimmte wohl, er hatte sich seinen Platz erkämpft, er hatte frei bei Versammlungen gesprochen, sich Freunde und Feinde gleichermaßen gemacht, hatte sich nie sprachlos machen lassen, ganz im Gegensatz zu den letzten Tagen und Wochen, als es sich angefühlt hatte, als hätte er gar nichts mehr im Griff, als die Politiker ihn mit ihrem Hass gegen die Magie überrascht und überrumpelt hatten.

      Undankbare Bastarde, sie waren alle Nichts ohne die Magie. Wenn er sie unterjochen wollte, hätte er das längst tun können, mit der göttlichen Magie, die in ihm eingeschlossen war.

      Er hätte es einfach tun können.

      »Es geht nicht nur um mich.« Er wusste nicht, ob er es Ardor erklärte, oder sich selbst daran erinnern wollte. »Ein falscher Schachzug von mir und alle Magier des Reichs werden leiden.«

      Diese Verantwortung lag schwer auf seinen Schultern, denn er liebte seine Schützlinge, sie beteten ihn an. Er wollte sie nicht enttäuschen. Sie sollten ihn lieben und immer auf ihn vertrauen.

      »Aber käme ein Schweigen nicht einem Schuldeingeständnis gleich?«

      Kacey schüttelte den Kopf, jedoch nicht zur Antwort, sondern aus purem, emotionalem Frust. »Ich weiß es nicht. Ich weiß es einfach nicht.«

      Er besah die Menge, betrachtete den Hassredner auf der Bühne, hörte das Jubeln, als wäre er ein gefeierter Barde oder Theaterdarsteller.

      Vor einem Jahr noch hatten die Elkanasai Kacey so angesehen, hatten ihm auf dem Markt Blumen überreicht, ihm Obstkörbe geschickt, wollten von ihm berührt werden, hatten ihn wie einen gefeierten Helden empfangen und die Leiter des Ruhms hinaufgehoben.

      Nun stand er ganz oben und sah zu, wie einige Magierhasser an besagter Leiter sägten.

      Er stieß ein Grunzen aus und schritt auf die Menge zu. Wie erwartet verstummten sie überrascht, als er ihnen auf die Schultern klopfte und sich mit Ardor auf dem Fuße durch die Menge kämpfte. Bald spürte man, dass etwas vor sich ging, sodass sich die Bürger von selbst umdrehten und ihn erblickten. Eine Straße tat sich auf, verwundertes Schweigen breitete sich wie eine Welle über die Menge aus.

      Während der Alte auf der Bühne weiter rief: »Wir dürfen nicht zulassen, dass Gesetze für Magie außer Kraft gesetzt werden! Wir müssen sie verschärfen! Wir würden ja auch einer Bestie die Reißzähne ziehen, bevor wir ihr erlauben, unter uns leben! Ich warne Euch, ich flehe Euch inständig an, macht die Augen auf, wir werden bluten! Und wenn es soweit ist, werden die Mächtigen uns den Magiern zum Fraß vorwerfen, um ihre eigene Haut zu retten!«

      »Mylord!«, rief Kacey von unten. Er war nicht so dumm, die Stufen an der Seite des Galgens zu erklimmen und sich auf Augenhöhe mit diesem Mann zu begeben. Nein,