Plötzlich wirkte alles viel kleiner, viel enger, die edlen Möbel, das polierte Holz der Vertäfelung, die filigranen Schnitzereien, Mosaike und die teuren Stoffe verblassten ob seiner Gegenwart. Zumindest kam es Kacey so vor. Als ob alles verblasste, alles keinen Wert mehr besaß, wenn man es mit ihm verglich.
Er war älter geworden, größer. Sein strohblondes, langes Haar hatte er locker zusammengebunden, ein paar gekringelte Strähnen rahmten sein kantiges, männliches Gesicht ein. Die Lippen waren noch so voll und einladend wie eh und je, die grünen Augen schimmerten wie Absinth – oder flüssiges Gras –, ein paar Krähenfüße zierten ihn nun, was ihn absurderweise nur noch attraktiver machte. Seine Schultern und seine Brust waren breiter, er wirkte härter, buchstäblich, wie aus Granit gemeißelt. Sein dunkles Hemd war aus Leder, die Schnürung war gelockert, darunter schimmerte seine makellose, glatte Haut, die Hose spannte um seine strammen Schenkel, er trug einen Umhang, hatte ihn aber zurückgeschlagen, ein Schwert hing an seiner Hüfte. Er stand breitbeinig und mit dunklem Blick im Raum, etwas zugleich Glühendes und Frostiges schien ihn zu umgeben.
All das nahm Kacey innerhalb eines Herzschlages wahr, saugte das Bild von Riath in sich auf, und obwohl er mehrfach blinzelte, wusste er, dass er nicht träumte. Er konnte Riath spüren, nicht nur sehen.
Für einen langen Moment sahen sie einander einfach nur an. Draußen begann es zu regnen, sofort schlich sich Feuchtigkeit in den Raum, die Luft schien zu kleben.
Es war das arrogante Grinsen, das Kacey aus seiner Starre riss. Dieses unerhört selbstischere, wissende Grinsen, das zwei lange Fänge aufblitzen ließ.
Sein Herz raste plötzlich und er spürte, wie das Zittern einsetzte, der Druck in seiner Brust und das Stechen im Kopf, wie seine Sicht aufflammte, als hätte er nie im Leben klargesehen. Doch seine Wut trieb die Symptome zurück.
»Du Mistkerl!« Er schrie und sprang auf.
Riaths Lächeln wandelte sich in ein nachsichtiges Schmunzeln, als ob er es mit einem naiven Kind zu tun hatte, dem er erst noch die Welt erklären müsste, damit es ihn verstand. »Kacey«, sagte er ruhig – und warum musste seine Stimme so lüstern und rau und schön klingen? »Ganz ruhig.«
Ganz ruhig?!
Kacey spießte ihn mit einem wahnsinnigen, wilden Blick auf. »Du hinterhältiger, eiskalter Mörder!«
Es war, als hätte er wochenlang – seit dem Bericht seines Vaters – eine Sintflut zurückgehalten, die mit einmal aus ihm herausbrach, als er Riath erblickte und ihm die Ereignisse klar und deutlich vor Augen standen – zusammen mit dem Mann, der für den Bürgerkrieg in Carapuhr und für den Tod seiner Halbschwester verantwortlich war.
Und er hasste diesen Mann aus tiefstem Herzen, dessen war er sich genauso sicher, wie er sich sicher war, dass er ihn über alle Maßen begehrte, mehr als je irgendeinen anderen.
Dafür verabscheute er sich wiederrum selbst, was seiner Wut nur noch mehr Wind verlieh.
»Ich bin kein Mörder«, entgegnete Riath so ruhig, so von sich selbst überzeugt, dass Kacey beinahe der zierliche Kragen platzte.
»Du hast meine Schwester getötet!« Er bemühte sich nicht um Contenance, riss sich nicht zusammen, er hatte das Gefühl, zu ersticken, wenn er seine Wut nicht herausbrüllte. Angriffslustig stürmte er auf Riath zu, spürte das Kribbeln seiner Magie in der Fingerspitze, die er auf Riath richtete. »Ich habe dir vertraut, Riath! Du hast einen Krieg angezettelt, du hast dafür gesorgt, dass hunderte Unschuldige starben …«
Riath hob seine Hände in eine beschwichtigenden Geste. »Kacey, beruhige dich!« Er ging auf ihn zu, langsam, sodass sie sich in der Mitte vor dem Bett treffen würden.
»So war das nicht geplant, Riath, du hast… du hast… « Kacey hielt auf ihn zu, wollte ihn schlagen, wollte nach den Wachen schreien, wollte… wollte ihn erwürgen und kratzen und beißen und … küssen…
Was stimmte nicht mit ihm?
»… du hast meine Schwester verführt und sie ins Unglück…«
Er kam nicht weiter, denn plötzlich lag Riath Pranke über seinem Mund, drückte zu, drängte ihn zurück. Kacey wehrte sich dagegen, riss an Riaths starken Armen, die sich genauso wenig bewegen ließen wie Berge. Oder hielt sich Kacey gar an ihm fest?
Er wusste nicht, was geschah, als sie im Stehen wild miteinander rangelten, sein Kopf war wie wattiert, seine Wut beflügelte ihn, doch er fühlte sich nicht Herr über seine eigenen Handlungen. Sie taumelten, Riath sagte etwas, knurrte, Kacey verstand es nicht, biss ihm in die Hand. Er schmeckte ungewollt Riaths Blut. Herrliches, würziges, herbes Blut. Königliches Blut. Kacey konnte Riaths Geburtsrecht förmlich schmecken.
Sie landeten auf dem Bett. Wie, wusste er nicht, er lag plötzlich auf dem Rücken und spürte, wie seine Unterlage federte. Riath war über ihm, fluchte und versuchte, ihn weder mit seinem Gewicht zu erdrücken noch zuzulassen, dass er sich befreite und weiter rumschreien konnte. Noch immer drückte seine Hand auf Kaceys Mund, und noch immer steckten Kaceys Fänge in seiner Hand.
»Shhh…« Riath versuchte, ihn zu beruhigen. »Du musst tief durchatmen…«
Ja, wie denn?
»Du bist ganz heiß, Kacey.« Ach, war er das? »Beruhige dich zuerst. Ganz ruhig. Ruhig… Nein! Ruhig, Kacey… ich bin nicht dein Feind … nicht… dein … Feind… Hör mich an, bitte… hör mich an, dann kannst du noch immer mit deinem Gebrüll die Garde auf den Plan rufen!« Er sprach in den Atempausen, während er Kaceys zappelnde Gliedmaßen zu bändigen versuchte. »Verdammt, Kacey, beruhige dich! Dein Herz hämmert, als ob es gleich zerspringt!«
Tatsächlich war ihm ungeheuerlich warm, doch das hatte er auf die kurze, aber heftige Rangelei und seine anhaltende Gegenwehr geschoben. Immer wieder bäumte er sich auf, wollte sich befreien, bekam immer schlechter Luft.
Auf einmal lag er auf dem Bauch, er wusste nicht, wie es geschehen war. Hitze stieg in seine Brust, in seinen Kopf, der Druck in seinem Körper wollte ihn zerbersten. Riath hatte ihn umgedreht, Riath drückte ihn auf das Bett, Riath hob sein Becken an, Riath rieb sich an ihm und…
Stopp. Nein. Riath hielt mit einer Hand weiterhin Kaceys Mund verschlossen, mit der anderen stützte er sich neben ihm ab. Er konnte ihn unmöglich umgedreht haben, und sein Körper bewegte sich auch nicht. Kacey war es selbst gewesen, er hatte sich von selbst umgedreht, er rieb sich an Riath und er drängte ihm unverfroren den Hintern entgegen.
Riath war erregt, Kacey spürte seine Härte gegen den Schlitz seiner Lederhose drücken, und reagierte unwillkürlich heftig darauf. Diese steinharte Stelle zog ihn magisch an.
Wut und Begierde verschmolzen zu einem wahnwitzigen, sinnlosen Schauspiel, quälten ihn. Er wollte es, aber er wollte es auch nicht. Er hasste sich, er hasste Riath. Und doch verzehrte er sich nach seinem Leib. Jetzt, hier, in diesem außer Kontrolle geratenen Moment.
Es ergab keinen Sinn.
Wie eine rollige Katze hob er den hinteren Teil seines Körpers und drängte sich an Riath, rieb sich an seiner Härter. Dessen Verwirrung und Unglaube standen greifbar im Raum. Kacey brauchte sein Gesicht nicht zusehen, um zu spüren, wie irritiert er von der Situation war.
Aber er war auch hart. Zum Bersten hart.
Nimm mich, dachte Kacey, brüllte in seine Hand, sodass unartikulierte, gedämpfte Laute den Raum erfüllten. Sein ganzes Gebaren war darauf konzentriert, Riath mit dem ganzen Leib anzuflehen.
Hilf mir, nimm mir die Wut, füll das Loch in mir, raub mir die Einsamkeit, steck mich in Flammen. Tu endlich was… Tu es… tu …es…
Kacey schnaufte, er wollte weinen und schreien zugleich, aus Frust und Qual. Er verspürte in diesem Moment keine Scham, noch nicht, er fühlte sich nur, als ob er sterben müsste, wenn Riath ihm nicht endlich eine sanfte Berührung schenkte.
»Sh…«