Kulllmann kann's nicht lassen. Elke Schwab. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elke Schwab
Издательство: Bookwire
Серия: Kullmann-Reihe
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750237162
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trat und dort Dieter Forseti am Schreibtisch sitzen sah. Nichts mehr in diesem Büro verriet etwas über Kullmanns dreißigjährige Dienstzeit, die er in diesen Gemäuern verbracht hatte. Und trotzdem war Kullmann niemals ausgelöscht. Viel zu beeindruckend und zu erfolgreich war seine jahrzehntelange Arbeit gewesen. Dieter Forseti war das genaue Gegenteil, was Ankes Erinnerungen an ihren ehemaligen Chef eigentlich noch leichter machte. Kullmanns warmherzige Ausstrahlung und seine gemütliche, väterliche Erscheinung vermisste sie am meisten. Forsetis Aussehen war aristokratisch, tadellos; sein Auftreten unnahbar und unpersönlich. Über sein Privatleben wusste sie gar nichts, weil er niemals ein außerdienstliches Wort sprach. Das behagte Anke nicht, weil sie dadurch einfach nicht den Menschen hinter der Fassade sehen konnte.

      Er las den Bericht gründlich durch, bevor er den Kopf hob und seine drei Mitarbeiter der Reihe nach anschaute. Anke ahnte schon, dass dieser Blick nichts Gutes bedeutete, und so war es auch.

      »Ist es wirklich notwendig, mir diesen Bericht zu dritt vorzulegen?«

      Esther und Jürgen verstanden diese Anspielung sofort und eilten aus dem Büro. Anke blieb nichts anderes übrig, als stehenzubleiben, weil sie die Beauftragte war.

      »Nach diesem Befund steht nicht eindeutig fest, dass das Opfer noch geatmet hat, als das Feuer ausbrach. Genauso wenig steht fest, dass sie nicht mehr geatmet hat. Also dürfen wir weder einen Unfall mit Todesfolge noch ein Tötungsdelikt ausschließen.«

      Damit machte Forseti Ankes Hoffnung auf eine schnelle Lösung des Falls zunichte.

      »Die Tatsache, dass in den Atemwegen und in der Lunge keine Rußpartikel gefunden wurden, rät uns zur Vorsicht.«

      Anke wartete darauf, dass er ihr endlich sagte, was sie nun tun sollte.

      »Beauftragen Sie das Kriminallabor, die Spurensuche auf das Haus der Toten zu erweitern! Nach diesem Bericht besteht die Möglichkeit, dass die Frau schon tot war, bevor das Auto zu brennen begann.«

      Anke nickte und wollte sich geschwind aus dem Raum verdrücken, als Forseti sie aufforderte zu bleiben. Mit einem Seufzer drehte sie sich um. Seine Strenge hatte um seinen Mund Falten bilden lassen – Zeugen seiner Unnachgiebigkeit. Seine Stirn war ebenfalls in Falten gelegt, als sei er unentwegt am Nachdenken.

      »Ich habe den Eindruck, dass hier in meiner Abteilung Dinge geschehen, die sich meiner Kenntnis entziehen«, begann er emotionslos.

      Anke wurde ganz heiß zumute.

      »Ist Ihnen nicht gut?«, lenkte er plötzlich ein, worüber Anke noch mehr überrascht war. »Setzen Sie sich doch, bevor Sie umfallen!«

      Die junge Frau nutzte die Gelegenheit, sich auf das nun folgende Gespräch vorzubereiten. Sie musste standhaft bleiben, was ihr in ihrem Zustand nicht so leichtfiel. Ihre Schwangerschaft brachte in letzter Zeit häufiger schlechte Launen und damit verbunden schlechtes Taktieren in unerwarteten Situationen zutage. Das musste sie in den Griff bekommen, denn sie könnte Erik in Schwierigkeiten bringen. Das hatte er bestimmt nicht verdient.

      »Ich glaube, es geht wieder«, keuchte Anke theatralischer, als ihr Zustand eigentlich war.

      Ihr Chef biss prompt an. Er schaute sie eine Weile schweigend an, schüttelte dann den Kopf mit den Worten: »Wir werden uns ein anderes Mal darüber unterhalten, wenn es Ihnen wieder besser geht.«

      Anke freute sich innerlich wie ein kleines Kind, dass ihr dieser Schachzug gelungen war. Doch sie bekam keine Gelegenheit, diese Freude auszukosten, da wurde die Tür aufgestoßen und Claudia und Erik traten ein. Als Ankes und Claudias Blicke sich trafen, hatte Anke nur noch einen Gedanken: so schnell wie möglich dem Raum zu verlassen. Aber so sollte es nicht kommen, weil Erik sie am Arm leicht berührte und ihr ein Zeichen gab zu warten.

      »Wir haben Sven Koch nicht zu Hause angetroffen«, begann Claudia zu berichten. »Von Nachbarn haben wir allerdings erfahren, dass Mutter und Sohn sich am gestrigen Abend heftig gestritten haben. Sven hatte die Küchentür geöffnet, die zum Nachbarhaus zeigt, weshalb die Nachbarn den Streit deutlich hören konnten.«

      »Haben die Nachbarn verstehen können, worüber die beiden sich gestritten haben?«

      »Sie haben nur verstanden, dass die Mutter gegen den Willen ihres Sohnes noch am gleichen Abend wegfahren wollte«, antwortete Claudia.

      »Wohin?«

      »Das haben die Nachbarn nicht verstanden.«

      »Wie könnte dieser Streit im Zusammenhang mit dem Unfall stehen?«, überlegte Forseti laut.

      »Vielleicht hat er sich erboten, seine Mutter selbst zu fahren. Während der Fahrt gerieten sie erneut in Streit und kamen von der Straße ab«, mutmaßte Erik.

      »Sicher! Nur leider ist das alles viel zu hypothetisch. Sie beide müssen unbedingt Sven Koch finden. Nur er selbst kann uns darauf die Antwort geben. Frau Deister bleibt heute im Büro für den Fall, dass jemand sich hier meldet.«

      Damit waren die Aufgaben verteilt.

      Erleichtert verließ Anke hinter Erik und Claudia das Büro. Sie freute sich, endlich wieder in ihrem eigenen Zimmer allein sein zu können. Von dort aus rief sie Theo Barthels an und teilte ihm mit, welche Aufgaben Forseti für ihn und sein Team vorgesehen hatte. Theo war verständlicherweise nicht gerade glücklich darüber, den ganzen Sonntag arbeiten zu müssen.

      Entspannt lehnte sie sich in ihrem Bürostuhl zurück. Morgen hatte sie einen weiteren Termin bei ihrer Hebamme. Sie wollten ihre Schwangerschaftsgymnastik und Bewegungstherapie durchsprechen. Bei dem Gedanken an die quirlige, kleine Susi Holzer musste Anke lächeln. Ihr Gynäkologe hatte ihr Susi wärmstens empfohlen. Anke war glücklich über diesen Tipp. Sie konnte sich von nun an auf die Geburt vorbereiten, was sie mit jeder Woche, die sie näher darauf zukam, mit mehr Lampenfieber erfüllte. Zufrieden legte sie ihre Hände auf den Bauch. Sie hoffte, wieder eine Bewegung ihres Kindes zu spüren. Geduldig wartete sie; das war eine Geduld, die sie ganz neu an sich selbst entdeckte.

      Es sollte noch ein ruhiger Tag werden. Sie begann, eine Akte über den neuen Fall anzulegen, als das Telefon klingelte. Es war ihr langjähriger Kollege und guter Freund bei der Verkehrspolizei, Bernhard Diez: »Hallo Anke! Ich war heute Nacht an der Unfallstelle. Jetzt habe ich ein Problem.«

      »Was für ein Problem?«, fragte Anke.

      »Ich soll einen Bericht schreiben, wer von der Kripo am Unfallort eingetroffen ist. Ich weiß, dass du dich mit Erik Tenes abgesprochen hast und will euch nicht in Schwierigkeiten bringen. Aber ich habe große Pläne für meine Zukunft. Da wäre es nicht gerade förderlich, mit einem Lügenmärchen aufzufallen.«

      »Was für Pläne hast du denn?« Anke wurde neugierig, obwohl ihr der Gedanke zusetzte, dass ihre Unaufrichtigkeit, was den Einsatz in der Unfallnacht betraf, auffallen könnte.

      »Ich habe mich auf eine Übernahmeausschreibung zum Kriminaldienst beworben. Die Personalabteilung hat mir zugesichert, so bald wie möglich mit meinem Durchlauf bei den verschiedenen Abteilungen beginnen zu können. Mein Ziel ist es natürlich, in deine Abteilung zu kommen.«

      »Das hört sich richtig gut an.« Anke würde sich tatsächlich freuen, Bernhard Diez als Arbeitskollegen zu bekommen. Seit Jahren kannten sie sich schon und ihre Zusammenarbeit war immer effektiv. Aber einen gefälschten Bericht konnte Bernhard sich in dieser Situation wirklich nicht leisten. Deshalb sprach sie das Einzige aus, was in dieser Situation zu sagen war: »Schreib den Bericht wahrheitsgemäß. Den Rest werden Erik und ich schon regeln.« Dabei klang sie zuversichtlicher, als sie in Wirklichkeit war.

      Bernhard bedankte sich bei ihr und legte auf.

      Gegen Abend kehrte Erik als Erster zum Landeskriminalamt zurück. Das war die beste Gelegenheit, ihm von ihrem Telefonat mit Bernhard zu berichten. Als Erik sich alles angehört hatte, beschloss er: »Ich gehe zum Chef bevor der Bericht auftaucht. Damit ist das Missgeschick aus der Welt!«

      »Gar nichts wirst du tun«, bestimmte Anke so entschlossen, dass Erik staunte. »Dieser Bericht ist für die Abteilung der Verkehrspolizei. Es ist unwahrscheinlich, dass Forseti ihn überhaupt