Der Amerikaner erblickte als erster den Körper Raghunaths Jafars, der direkt am Rande des Lagers hinter einem Busch lag. In der rechten Hand hielt er noch das Gewehr. Aus seinem Herzen ragte der Schaft eines starken Pfeiles heraus.
Die Neger umstanden schweigend die Leiche und schauten einander fragend an. Ihre Blicke gingen zurück in den Dschungel und hinauf in das Geäst der Bäume. Einer von ihnen untersuchte den Pfeil. »Dieser Pfeil sieht ganz anders aus als die Pfeile der Stämme, die ich kenne«, stellte er fest. »Ich glaube, dieser Pfeil ist überhaupt nicht von Menschenhand gemacht.«
Sofort bemächtigte sich abergläubische Furcht aller Negerherzen.
»Der Schuss galt unserem Bwana«, sagte einer der Krieger. »Deswegen muss der Dämon, der diesen Pfeil abschoss, ein Freund unseres Bwana sein. Wir brauchen uns also nicht zu fürchten.«
Diese Erklärung beruhigte die Schwarzen einigermaßen, aber sie befriedigte Wayne Colt keineswegs. Er dachte immer noch über den Vorfall nach, während man zum Lager zurückkehrte. Zuvor hatte er noch angeordnet, dass der Hindu an Ort und Stelle beerdigt wurde.
Zora Drinov stand am Eingang ihres Zeltes. Als sie Colt erblickte, kam sie ihm entgegen.
»Was hat es gegeben?«, fragte sie. »Was ist geschehen?«
»Kamerad Zveri wird Raghunath Jafar nicht zu töten brauchen«, erklärte Colt.
»Warum?«, fragte die Frau.
»Weil Raghunath Jafar bereits tot ist.«
Der Amerikaner erklärte Zora in kurzen Worten, was sich zugetragen hatte.
»Wer mag nur den Pfeil abgeschossen haben?«, wunderte sie sich.
»Ich habe nicht die leiseste Ahnung«, musste er eingestehen. »Der ganze Vorfall ist außerordentlich geheimnisvoll. Er bedeutet jedoch, dass das Lager beobachtet wurde. Wir werden sehr vorsichtig sein müssen und dürfen uns keineswegs allein und einzeln in den Dschungel wagen. Meine Leute glauben, dass der Pfeil abgeschossen wurde, um mich vor der Kugel eines Meuchelmörders zu bewahren. Es erscheint mir durchaus wahrscheinlich, dass Jafar die Absicht hatte, mich zu töten. Es ist jedoch denkbar, dass ich nun an seiner Stelle tot im Busch läge, wäre zufällig ich allein in den Dschungel gegangen. Habt ihr schon Zusammenstöße mit Eingeborenen erlebt, seit sich das Lager hier befindet oder sind andere unangenehme Vorkommnisse mit den Wilden zu verzeichnen gewesen?«
»Seit wir dieses Lager bezogen haben sind wir überhaupt keinem Eingeborenen begegnet«, erklärte Zora. »Wir haben oft darüber gesprochen, dass dieser ganze Landstrich wahrscheinlich völlig verlassen ist, obwohl viel jagdbares Wild hier lebt.«
»Vielleicht ist der heutige Vorfall eine Erklärung für die Tatsache, dass dieses Land unbewohnt oder jedenfalls ziemlich unbewohnt ist«, überlegte Colt. »Vielleicht sind wir, ohne es zu wissen, in das Jagdgebiet eines außergewöhnlich wilden Stammes eingedrungen. Es ist durchaus denkbar, dass dieser Pfeilschuss einen Willkommensgruß darstellte, mit dem man uns sagen will, wir seien hier höchst ungern gesehene Gäste.«
»Du sagtest, einer deiner Leute ist verwundet worden?«, meinte Zora.
»Nichts von Bedeutung«, erklärte Colt. »Er hat nur ein Teil seines Ohres eingebüßt.«
»Stand der Mann nahe bei dir?«
»Er war genau hinter mir«, erwiderte Colt.
»Dann halte ich es für absolut erwiesen, dass Jafar dich zu töten beabsichtigte«, sagte Zora.
»Das wäre möglich«, erwiderte Colt. »Jedenfalls ist es ihm nicht geglückt. Er hat nicht einmal meinen Appetit zu töten vermocht. Wenn es mir gelingt, meinen zu Tode erschrockenen und aufgeregten Diener zu beruhigen, werden wir bald unser Essen fertig haben.«
Aus einiger Entfernung beobachteten Tarzan und Nkima die Beerdigung des Hindu Raghunath Jafar. Kurz darauf kehrte Kahiya mit seinen Askari und Zoras Diener Wamala zurück, die Jafar auf die Jagd geschickt hatte.
»Wo sind alle die anderen Tarmangani und Gomangani, die du in diesem Lager gesehen haben willst?«, wollte Tarzan von Nkima wissen.
»Sie haben ihre Donnerstöcke genommen und sind fortgegangen«, erklärte der kleine Manu. »Sie sind sicherlich auf der Jagd nach Nkima.«
Tarzan, der Affenmensch, ließ ein seltenes Lächeln sehen.
»Wir werden ihre Spur verfolgen müssen, um herauszufinden, was sie vorhaben, Nkima«, sagte er.
»Aber es wird im Dschungel bald finster sein«, gab Nkima zu bedenken. »Dann ist Sabor unterwegs und Sheeta und Numa und Hista. Sie alle sind auf der Suche nach dem kleinen Nkima, um ihn zu fressen.«
Die Dunkelheit war bereits hereingebrochen als Colts Diener ankündigte, dass das Essen fertig sei. Inzwischen hatte Tarzan einen neuen Plan gemacht und war in die Bäume oberhalb des Lagers zurückgekehrt. Er war davon überzeugt, dass mit dieser Expedition etwas nicht stimmte, und dass diese Menschen, deren Hauptlager er entdeckt hatte, etwas Gefährliches im Schilde führten. Aus der Größe des Lagers ließ sich unschwer herleiten, dass es für viele Menschen gedacht war. Er musste sich Gewissheit darüber verschaffen, wohin der Rest der Gruppe gegangen war und welchem Zweck das Unternehmen diente. Sein Gefühl verriet ihm, dass das ganze Vorhaben sicherlich zwischen den beiden einzigen Weißen in diesem Lager besprochen würde. Deshalb suchte er sich einen günstigen Platz in einem Baum, von wo aus er hören konnte, was unten besprochen wurde. So geschah es, dass Tarzan, der Affenmensch, sich im dichten Blattwerk eines großen Baumes gerade über Zora Drinov und Wayne Colt verbarg, als diese sich zum Abendessen niedersetzten.
»Du hast heute sehr Schweres erleben müssen«, meinte Colt. »Dennoch machst du nicht den Eindruck, als hätte dich dieses Erlebnis besonders beeindruckt. Ich habe bisher angenommen, dass eine Frau nach einem solchen Vorfall einem Nervenzusammenbruch nahe sein müsste.«
»Ich habe schon so Schreckliches in meinem Leben erfahren, Kamerad Colt, dass ich überhaupt keine Nerven mehr habe«, erwiderte die Frau.
»Das glaube ich dir«, sagte Colt. »Sicherlich ist es dir in deinem Heimatland nicht immer gut gegangen.«
»Die schlimmsten Jahre erlebte ich als ganz kleines Mädchen«, erklärte sie. »Aber ich erinnere mich jeder Einzelheit noch ganz deutlich.«
Colt schaute sie aufmerksam an. »Deiner Erscheinung nach«, versuchte er zu raten, »bist du sicherlich aus gutem Hause.«
»Mein Vater war ein einfacher Arbeiter. Er starb in der Verbannung, weil er sich gegen die damalige Regierung stellte. Seitdem habe ich gelernt, alles zu hassen, was Tyrannei ist. Als man mir anbot, mit Kamerad Zveri dieses Unternehmen durchzuführen, erblickte ich darin eine Möglichkeit, einen Teil der Rache zu nehmen, die ich im Andenken an meinen Vater zu vollbringen habe. Und zu gleicher Zeit gedenke ich, dabei etwas für ein besseres Leben in der ganzen Welt zu tun.«
»Als ich Zveri zum letzten Male jenseits des großen Teichs begegnete«, meinte Colt, »hatte er offensichtlich noch keinerlei Pläne für ein Unternehmen wie dieses gefasst. Er hat eine Expedition dieser Art mir gegenüber niemals erwähnt. Als ich seine Aufforderung erhielt, mich ihm hier anzuschließen, teilte er mir gleichfalls keine weiteren Einzelheiten mit. Ich tappe einigermaßen im Dunkeln und habe keine Ahnung, worum es jetzt eigentlich geht.«
»Gehorsam ist eine Zierde des guten Soldaten«, erinnerte ihn die Frau.
»Ja, das weiß ich wohl«, stimmte Colt ihr bei.
»Aber auch der einfachste Soldat kann seine Aufgabe besser erfüllen, wenn er weiß, welchem Ziele sein Einsatz dient. Der allgemeine Plan ist natürlich unter uns kein Geheimnis«, erklärte Zora. »Ich begehe gewiss keinen Vertrauensbruch, wenn ich dich darin einweihe. Unser gegenwärtiges Unternehmen gehört zu einem umfassenden Plan, mit dessen