Das Mädchen mit dem Flammenhaar. Janet Borgward. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Janet Borgward
Издательство: Bookwire
Серия: Das Mädchen mit dem Flammenhaar
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742710345
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verstand bis auf das letzte: Sass-Delor – Söhne.

      „Töchter, Skyler. Wir erwarten Mädchen.“

      Er ließ mich augenblicklich los, als hätte er sich verbrannt.

      „Was sagst du da? Wie kannst du das jetzt schon wissen?“

      „Jodee meinte …“

      „Jodee? Woher weiß sie …“

      „Weil sie Heilerin ist! Weil sie es wusste, bevor ich es auch nur ahnte!“

      „Sie muss sich irren!“ Aufgebracht raufte er sich die langen Haare, dass sie ihm wie ein blauschwarzes Tuch um den Kopf herumwirbelten. Mit ausladenden Schritten stapfte er durch den Raum.

      „Und wenn nicht? Spielt das eine Rolle?“

      Meine Stimme gefror zu Eis. Die Temperatur im Raum sank für mich merklich herab. Ich erwartete, dass er sich freute. Doch offensichtlich ließen sich die alten Muster über die Wertigkeit einer Frau in den Köpfen der Männer nicht innerhalb von wenigen Jahren ändern. Erst recht nicht, wenn es sich dabei um einen ehemaligen Bowman handelte. Aber, bei den Göttern! In mir reiften die Früchte unserer Liebe heran! Da konnte er doch verdammt nochmal mehr Begeisterung zeigen!

      „Avery, ich bin Statthalter von Gullorway, erster Botschafter Kandalars und, so die Götter es wollen, bald Esch von Kandalar. Man erwartet von mir männliche Erben.“

      „Ich weiß wer und was du bist, Skyler. Schließlich bin ich nicht erst seit jener Nacht in den Höhlen von Merdoran mit dir verbunden.“

      Meine Stimme bebte vor Zorn und Enttäuschung. Nur mit größter Anstrengung konnte ich die Feuerkugeln in meiner Hand zurückhalten, die mein derzeitiger Gemütszustand hervorbrachte.

      „Wenn dir so viel daran läge, keine Töchter zu bekommen, hättest du Jodees Kapseln nicht gegen deine eigenen austauschen sollen.“

      Ich stieß ihn fort und steuerte auf den Ausgang zu. Es wäre mir ein Leichtes gewesen, ihn an Ort und Stelle zur Bewegungslosigkeit zu verdammen, doch wollte ich nicht zu magischen Hilfsmitteln greifen. Stattdessen hob ich die Tür fast aus den Angeln, als ich sie mit voller Wucht hinter mir zuschlug. Tränen der Wut brannten mir in den Augen. Was bildete sich dieser Kerl ein? Ich war nicht sein Besitz. Nicht einmal seine Zugesprochene. In diesem Augenblick wünschte ich, ihm nie begegnet zu sein. Mühsam gegen den Wind ankämpfend, begab ich mich auf direktem Weg zu Jodee, meiner einzigen Zuflucht. „Hoppla! Was weht denn da für ein Sturmtief herein?“ Bei meinem ungestümen Eintreffen in ihrem Haus rannte ich die Heilerin fast um. Zwei Köpfe kleiner als ich stellte sie kaum ein Hindernis dar. „Ich … er … verdammt soll er sein!“ „Na, na, na, Liebes. Jetzt beruhige dich erstmal. Was ist denn so schlimm? Wo ist denn überhaupt Skyler?“ Sie sah an mir vorbei, als erwarte sie ihn. „Er ist es, der so schlimm ist. Boshaft, störrisch, hinterwäldlerisch, egoistisch, verbohrt, besitzergreifend – ein Wilder eben!“ Kraftlos sank ich auf den Stuhl, den Jodee mir wortlos unterschob. Jetzt waren wir auf gleicher Höhe. „Aha?“ Sie strich mir mit ihren kleinen kompakten Händen beruhigend über den Rücken, bis die Tränen versiegten, nicht aber die Flut meiner Worte. „Er will Söhne! Bin ich etwa seine Zuchtstute? Bestimmt er jetzt auch darüber?“ Und einer jähen Eingebung folgend: „Was hast du ihm für Kapseln gegeben?“, funkelte ich sie an. „Wieso sollte ich Skyler welche geben? Sie waren für dich bestimmt, Avery.“ „Mit welcher Absicht?“ „Das habe ich dir doch gesagt. Sie sollten dich vor …“ „Ungewolltem Kindersegen schützen“, unterbrach ich sie barsch. „Vielen Dank!“ Ich sprang auf, schüttelte ihre Hand ab. „Skyler gab mir aber eine Kräuterkugel mit den Worten Ne-me Labaschté – für immer mein, bevor er in der Höhle von Merdoran über mich herfiel wie ein …“ Ich stoppte meinen Ausbruch in dem Bewusstsein, dass ich im Begriff war, ihr mein Intimleben zu schildern. Dies ging eindeutig nur mich etwas an. „Das hat er gesagt?“ Sie fuhr sich nachdenklich durch die Flut geflochtener Zöpfe, die ihr dickes, krauses Haar bändigen sollten. Die darin eingearbeiteten Perlen tickten wie Holzklöppel aneinander. „Ich werde mit ihm reden!“ Jodee war nicht nur Heilerin, sie war auch meine beste Freundin. Seit ich damals in Greenerdoor ihre Bekanntschaft schloss, vereinte uns ein unsichtbares Band. Ich wusste, wenn sie sich Skyler vornahm, durfte er sich auf etwas gefasst machen. Auf sie hörte er. Verdammt! Sollte er nicht auch meinen Worten Glauben schenken? „Nein. Vielen Dank. Das kläre ich mit ihm“, presste ich mühsam beherrscht hervor. „Aber nicht heute.“ „In Ordnung. Ich bin sicher, er hat seine Worte unbedacht geäußert.“ „Wessen Freundin bist du?“, murrte ich. Sollte sie nicht auf meiner Seite stehen? „Eure. Daher maße ich mir an, euch zu kennen. Ihr kommt nicht voneinander los, auch wenn Skyler dafür meint, Hilfsmittel anwenden zu müssen.“ Schneeweiße Zähne strahlten mich entwaffnend an. „Ein Irrtum ist ausgeschlossen?“ „Wie meinst du das?“ „Ich bekomme Mädchen?“ „Ihr bekommt Töchter und es werden Schönheiten, wie sie Kandalar noch nicht gesehen hat.“ „Woher willst du das so genau wissen?“ Sie wies auf ihre Tätowierung am Arm, ein Auge, das Symbol der Seher, und sprach unumwunden weiter. „Glaube mir, Skyler wird alle Hände voll zu tun haben, die Männer von ihnen fernzuhalten.“ Ihr Lächeln wich einem herzhaften Lachen. „Das traue ich ihm durchaus zu“, knurrte ich. „Wahrscheinlich lässt er die Bewerber Drachen töten oder abstruse Rätsel lösen.“ „Er wird sie lieben, Avery. Alle beide.“ Da Skylers Stolz nicht zuließ mir nachzugehen, blieb ich über Nacht bei Jodee. Und auch über Tag ignorierte ich sein gedankliches ‚Anklopfen‘. Stattdessen widmete ich meine gesamte Aufmerksamkeit der Herstellung einer Tinktur, die offene Beine rascher heilen ließ. Ein Krankheitsmerkmal, das seit einigen Wochen nicht nur bei den älteren Menschen Gullorways auftrat. Unter ihrer Aufsicht stellte ich ein Extrakt her, dass ich mit abgekochtem Wasser im Verhältnis eins zu drei mischte, bevor ich es in Gläser abfüllte und luftdicht verschloss. „Hier. Nimm diese Beeren und“, sie ließ einige getrocknete Malvenblüten in den Mörser rieseln, „die hier. Du musst sie gleichmäßig zerstampfen. Die zerstoßenen Blüten der Malve ergeben einen wirksamen Tee gegen hohes Fieber. Mit ihnen lassen sich auch Ekzeme behandeln und Entzündungen jeglicher Art. Einen Bestand davon sollten wir immer im Hause haben. Mittels Kompresse auf die betreffende Körperstelle aufgetragen, heilt die Schwellung schneller ab.“ Sie brachte ein kleines Töpfchen aus einer ihrer Kitteltaschen hervor. Ich sog ihre Worte auf wie ein Schwamm, begierig darauf, alles zu erlernen, was Jodee mir an Wissen übertrug. Als ich Skyler eher spürte, als dass ich ihn hörte, kehrte ich ihm demonstrativ den Rücken zu, gab mich weiterhin geschäftig. Dabei behielt ich eine Hand am Mörser, den ich ihm entgegenschleudern würde, sollte er auch nur ein falsches Wort sagen. Dafür müsste ich mich noch nicht einmal zu ihm umdrehen. Ich würde ihn blind treffen. „Avery, es …“ Eine Tür glitt leise ins Schloss. Jodee hatte den Raum verlassen. Verräterin! „Ich habe zu tun.“ Meine Stimme war schneidend, als gelte es die Luft zwischen ihm und mir gewaltsam zu trennen. „Es tut mir leid. Ich war ein Narr.“ „War? So schnell ändert sich kein Bowman.“ „Du weißt, dass ich das nicht mehr bin.“ Vorsichtig trat er in mein Blickfeld. Seine Augen wirkten müde. Die Gesichtshaut fahl. Gut so. Offensichtlich hatte auch er eine schlaflose Nacht hinter sich. Betont langsam drehte ich mich zu ihm um. „Ja. Du hast es mir unmissverständlich zu verstehen gegeben. Erster Botschafter, Statthalter und bald Esch. Ich bin nur die Frau, die deine ungeliebten Töchter zur Welt bringen wird.“ „Du bist weit mehr als das, Avery. Und du bist eine Magierin, das weißt du.“ „Und? Nützt es mir etwa? Dich verzaubert bloß die Macht, die du ausüben kannst. Ich bin nur dein Werkzeug.“ Er sog scharf die Luft ein, sprach aber nicht dagegen. Ich kehrte ihm wieder den Rücken zu, bemüht, die aufkommenden Tränen zurückzuhalten. Verdammt. Würde das jetzt zur Gewohnheit werden? „Ich brauche dich, Avery. Mehr als mein Leben.“ Seine Stimme waberte dunkel und bedeutungsschwer durch den Raum, der mir mit einem Mal viel zu eng erschien. „Wozu? Du hast doch jetzt alles, was du wolltest. Bald liegt dir Kandalar zu Füßen. Du wirst schon einen Weg finden, Esch zu werden.“ Zwei stählerne Arme umschlossen mich wie Schraubstöcke. „Ich will meine Mädchen haben. Und ich will, dass du meine Frau wirst.“ Er hauchte mir einen Kuss aufs Haar. Aber so leicht ließ ich mich nicht besänftigen. Diesmal nicht. „Vielleicht will ich das aber nicht mehr.“ „Dann denk darüber nach.“ Der Druck ließ nach, Skyler verschwand lautlos. So hatte ich mir seine Entschuldigung nicht vorgestellt. „Und?