Das Mädchen mit dem Flammenhaar. Janet Borgward. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Janet Borgward
Издательство: Bookwire
Серия: Das Mädchen mit dem Flammenhaar
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742710345
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…“ Er straffte die Schultern. Zarte Röte überzog sein Gesicht. „Was kann ich denn für dich tun, Avery-Statthalterin?“ Skeptisch hob er eine Augenbraue in die Höhe.

      „Gib mir die Waffen, die ihr dem Gefangenen abgenommen habt.“

      Er runzelte die Stirn, als müsse er über diese schwierige Aufgabenstellung erst nachdenken.

      „Wozu? Sie sind sicher verschlossen, wie alles andere auch“, gab er selbstgefällig zur Antwort.

      „Ich frage kein zweites Mal!“

      Drohend trat ich einen Schritt vor. Ich hatte Skyler oft genug in Situationen wie diesen beobachtet, um zu wissen, wie er sich Respekt verschaffte. Doch als Frau, noch dazu schwanger, schien es nicht dieselbe Wirkung zu haben. Blitzschnell griff ich in die Falten meines Kittels und brachte meinen Dolch YEMAHL zum Vorschein. Seit den vergangenen Ereignissen trug ich ihn stets bei mir. In einer fließenden Bewegung landete mein Wurfmesser nur knapp neben dem Ellbogen des Mannes in der Tischplatte. Erschrocken fuhr er aus dem Stuhl empor und wankte zurück.

      „Kein Grund, mit dem Messer nach mir zu werfen“, stammelte er und griff nach dem Schlüsselring greifend. Er schloss das Gitter einer kleinen Kammer auf, wobei er mich wachsam im Auge behielt. Ich zog den Dolch aus der Holzpatte, ließ ihn wieder unter meinem Gewand verschwinden.

      „Nun?“

      „Das ist alles, was wir bei ihm gefunden haben.“

      Er breitete ein wahres Arsenal auf dem Tisch aus, als wolle er es zum Verkauf feilbieten. Flüchtig warf ich einen Blick darauf. Etwas fehlte.

      „Und der Stab?“

      „Welcher Stab?“ Die Gesichtsfarbe wechselte zu Zinnoberrot. „Er sah nicht wie eine Waffe aus, da habe ich ihn hier eingeschlossen.“

      Ich glaubte ihm kein Wort. Mit zitternden Fingern wählte er einen anderen Schlüssel aus, um die Schublade vor seinem Schreibtisch zu öffnen. Papier raschelte.

      „Ist er das?“ Schweißperlen standen ihm auf der Stirn.

      Ungeduldig entriss ich ihm den Stab aus den Fingern. Unfreiwillig kam ich ihm dabei so nah, dass ich seinen fauligen Atem roch. Würgend drehte ich mich fort.

      „In diesem besonderen Fall nehme ich die Waffen an mich.“

      „Das kannst du nicht …“, widersetzte er sich.

      „Sagt jemand, der sich das beste Stück daraus beiseitelegt? Wie lautet dein Name, Wachmann?“

      Ohne Eile rollte ich die Waffen samt Stab in seinem Umhang ein. Es brauchte niemand zu sehen, dass ich sie besaß.

      „Mein Name? Ähm“, er leckte sich nervös über die Lippen. „Momen.“

      „Den Mantel lasse ich dir später zurückbringen – und, ich behalte dich im Auge, Momen.“

      Raschen Schrittes verließ ich den Raum. Als ich draußen war, lehnte ich mit rasendem Herzen und schweißgebadet an der Mauer des Kerkers. Der Nachmittagssturm zerrte mir an Kleider und Haaren. Gierig nach Sauerstoff pumpte ich meine Lungen voll, bis ich glaubte, mich mit meiner Last fortbewegen zu können, ohne einzuknicken.

      „Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen. Setzt dich erst mal, Avery.“

      Jodee musterte mich besorgt.

      „Was schleppst du da überhaupt unter deinem Arm mit dir herum?“

      „Woodrows Waffen. Den Stab habe ich auch.“ Ich grinste.

      „Und bei den Göttern, iss etwas! Wenn Skyler erfährt, dass ich dich den ganzen Tag ohne Essen herumlaufen lasse, macht er mich einen Kopf kürzer.“

      „Dann bleibt ja nicht mehr viel“, versuchte ich mich an einem lahmen Witz.

      „Eben.“

      Sie stellte eine Schale vor mir hin, füllte sie mit einer sämigen Fischsuppe, die mir das Wasser im Munde zusammenlaufen ließ. Hungrig fiel ich über die Suppe her.

      „Noch einen Teller?“

      Belustigt über meinen Appetit hielt sie die Schöpfkelle in der Hand.

      „Ja, bitte. Es schmeckt köstlich.“

      „Einen gesegneten Appetit hast du jedenfalls. Ich habe noch eine Portion für Annie übrigbehalten, die ich ihr gleich vorbeibringen wollte.“

      „Das kann ich doch erledigen.“

      „Du ruhst dich aus“, bemühte sie sich, streng zu klingen. „Aber zuvor erklärst du mir, was jetzt schon wieder vorgefallen ist.“

      Genussvoll wischte ich mit einem Kanten Brot den Teller aus und lehnte mich gesättigt zurück. Erst dann sah ich mich in der Lage, die Geschehnisse wiederzugeben.

      „Ich kann das nicht mehr, Jodee“, schloss ich meinen Bericht nach dem Vorfall mit den Wachen im Gefängnis ab. „Ich kann Skyler nicht längere vertreten. Ich bin nur seine Frau.“

      „Und künftige Guhlant!“

      „Noch bin ich es nicht.“

      „Doch, das bist du.“

      „Nein, Jodee.“ Ich schüttelte resigniert den Kopf. „Heilerin, vielleicht. Aber eine Herrscherin? Niemals. Ich kann mir nur Respekt verschaffen, indem ich zu magischen Hilfsmitteln greife, und das ist gefährlich.“

      „Es kann nicht schaden, den Menschen von Kandalar deine Stärke zu zeigen, solange du es nicht übertreibst.“ Sie tätschelte beruhigend meine Hand.

      „Jodee, es schmeckt mir nicht von der Macht zu kosten, wie Skyler es zu gefallen scheint.“

      „Du wirst dir doch jetzt wohl nicht Woodrows Worte zu Herzen nehmen?“

      „Nein, natürlich nicht“, log ich. „Aber gewisse Bedenken sind nicht von der Hand zu weisen. Was, wenn die Sage sich erfüllt wie auch alles andere darin?“

      „Als da wären?“

      „Du weißt, wovon ich spreche, was geschehen wird, wenn unsere Zwillinge das Licht der Welt erblicken.“ Gequält sah ich sie an. „Jodee, ich habe Angst vor der Geburt.“

      „Es ist völlig normal, dass du dich davor ängstigst. Schließlich ist es das erste Mal für dich“, bemühte sie sich um Zuversicht.

      „Das allein ist es nicht. Was, wenn wirklich ein Unglück geschieht, nachdem sie geboren wurden?“

      Ich wollte nicht die Schuld daran tragen, dass die Geburt unserer Mädchen anderen Menschen schaden konnte.

      „Avery, wie sollen zwei unbefleckte Säuglinge ein Unglück heraufbeschwören?“, bemühte sie sich, meine Bedenken zu zerstreuen.

      „Weil in ihnen nicht nur Skylers und mein Blut fließt, sondern auch das der dunklen Magier.“

      Es war mir nicht entgangen, dass sie kaum merklich zögerte. Was wusste sie?

      „Avery, du bist das Mädchen aus der Sage. Durch dich wurden die Menschen von Kandalar von der Knechtschaft der Herren von Kandalar befreit.“

      „Nicht durch mich. Es war Skyler, der gegen sie antrat.“

      „Nicht so bescheiden. Hätten die Götter etwas anderes für dich und Skyler vorgesehen, stünde dies in deinem Lesestein.“

      „Du weißt davon?“, fragte ich sie überrascht.

      „Natürlich. Als du bei den Bowmen warst und Skyler von Woodrow den Stein verlangte, fragte er mich nach dessen Bedeutung, obwohl er es längst wusste.“ Sie kicherte verschmitzt. „Wie auch immer. Ihr seid füreinander bestimmt, das Volk von Kandalar zu führen.“

      „Warum gabst du mir dann die Kapseln, um mich vor einer Schwangerschaft zu schützen?“

      „Weil du Skylers Kinder austragen solltest – niemands sonst.“ Ihre Stimme klang ganz ruhig, während sie mich beobachtete.

      „Und wenn ihm jemand zuvorgekommen wäre?“

      „Hätte, wäre, wenn … Dafür hat er dir doch eine andere