Geliebtes Carapuhr. Billy Remie. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Billy Remie
Издательство: Bookwire
Серия: Chroniken der Bruderschaft 3
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752909692
Скачать книгу

      Vynsu sah ärgerlich zur Seite und mahlte mit den Kiefern, als sein Onkel auf ihn zutrat. Groß, muskulös, ein Nordmann wie er im Buche stand.

      »Nimm deine Schar und bringt Eagles Söhnchen in unser Lager im Westen«, befahl sein Onkel ihm gelangweilt. »Wenn er sich vor meinem Eintreffen soweit erholt hat, dass ein längerer Transport ihm nicht mehr schadet, reist ohne uns zurück nach Carapuhr. Ich lege sein Leben nun in deine Hand! Sei sein Bewacher.«

      Melecay wollte ihn nach Hause schicken?

      Alles in Vynsu wollte sich auflehnen, wollte seinen Mann stehen, doch er konnte sich noch rechtzeitig beherrschen und so entkam ihm nur ein kindisches, gezischtes: »Ich bin kein verdammter Leibwächter, ich bin Euer Neffe und habe viele Schlachten geschlagen!«

      Melecay, der sich schon halb abgewandt hatte, drehte sich mit nun gleichgültiger Miene um und konterte trocken: »Und auch Schlachten verloren.«

      Ein Dolch mitten ins Herz. Vynsu musste schlucken. Er streckte den Hals, um größer zu wirken, als sein Onkel erneut nahe an ihn herantrat, sodass er fast den Kopf in den Nacken legen musste, und ihm eindringlich und ebenso unerbittlich erklärte: »Benimm dich nicht wie eine eingeschnappte Hure, Neffe, du hast deine Pflicht nicht erfüllt, solche Dinge passieren eben. Jetzt bist du zurück und hast die Gelegenheit, die Konsequenzen für dein Handeln wie ein Mann zu tragen. Du suchst Vergebung? Vergebung ist für Feiglinge. Du suchst deine Chance, dich zu beweisen? Fein. Dann beweise dich. Bring Desith ins große Lager, und möge dein ach so geschätzter Gott dir gnädig sein, sollte der Bursche nicht überleben. Er ist Kaiser Eagles Sohn, und es wäre nicht von politischem Vorteil, wenn ich Eagle Airynn mitteilen müsste, dass sein Söhnchen unter unserer Obhut den Tod fand, da wir uns doch gerade erst mit dem Kaiserreich wieder versöhnt haben, nach dieser hässlichen, dummen Sache, die dir widerfahren ist.«

      Vynsu war mit jedem Wort innerlich zusammengeschrumpft, auch wenn er es äußerlich nicht zeigte, er stand stramm und unerbittlich vor seinem Onkel. Was jedoch alles andere als stolz und männlich wirkte, war sein Blick, der Melecays durchbohrenden, kalten Augen geflissentlich auswich.

      »Wenn wir Derrick haben, folgen wir«, schloss Melecay den Befehl ab und wandte sich um. »Gute Reise, Neffe«, sagte er zum Abschied noch, wobei seine Worte ganz und gar voller Herablassung waren.

      Vynsu sah ihm nach, die Abendsonne erkämpfte sich Wege durch das dichte Blätterdach, sodass winzige Lichtpunkte über des Großkönigs Haupt und Schultern glitten, fast wie ein göttlicher Segen.

      Erst als sein Onkel in seinem großen Zelt, vor dem zwei Leibwächter positioniert waren, verschwunden war, traute Vynsu sich, tief durchzuatmen. Ernüchtert fuhr er sich über den violetten Kamm. Seine Zöpfe waren fettig und verfilzt, die Seiten seines Schädels mussten dringend rasiert werden, doch sein Aussehen kümmerte ihn zurzeit recht wenig.

      »Wir reisen ab?« Jori stand plötzlich hinter ihm und hätte Vynsu beinahe vor Schreck zusammenzucken lassen. So groß und muskulös wie ein Bär, aber er konnte schleichen wie eine Katze.

      Vynsu schnaubte, doch statt zu antworten, klagte er mit einem Wink in Richtung des Zeltes seines Onkels: »Er hasst mich.«

      »Ja… das lässt sich wohl nicht abstreiten«, seufzte Jori, legte Vynsu aber von hinten brüderlich eine Hand auf die Schulter.

      Vynsu warf einen halb genervten, halb spöttischen Blick zurück, rauchgraue Augen blitzten ihm entgegen, die Sonne verfing sich in langem, dunklem Haar, das durch geflochtene Strähnen aus einem männlichen, aber blutjungen Gesicht gehalten wurde, die vollen Lippen waren zu einem provozierenden, schiefen Schmunzeln verzogen, das dafür sorgte, dass es auch in Vynsus Mundwinkeln zuckte.

      »Mach die Eisbären bereit«, trug Vynsu seinem Freund auf, »und lass eine Trage ins Schamanenzelt bringen, wir haben hochwohlgeborene Fracht zu transportieren.« Er seufzte schwer.

      »Jawohl, mein Prinz«, neckte Jori, bevor er wegtrat.

      Vynsu ließ ausatmend die massiven Schultern hängen und sagte zu sich selbst: »Ich bin kein Prinz mehr.«

      Und am liebsten hätte er die Pflicht, die ihm sein Onkel gerade auferlegt hatte, auch sofort wieder abgetreten. Ausgerechnet er sollte einen Airynn bewachen und beschützen. Ausgerechnet er…

      Kapitel 3

      Eine Berührung an seinem Arm schmerzte derart brutal, dass es ihn aus seiner tiefen Bewusstlosigkeit herausriss.

      Mit einem Aufschrei erwachte Desith und schlug instinktiv zu, blind, aber durch den nebligen Schleier der Schmerzen spürte er, wie seine zur Faust geballte Hand in etwas Warmes einschlug, das sofort nachgab. Ein dumpfer Laut drang an sein Ohr, gefolgt von einem geknurrten Fluch. In seinem Schlag hatte keine Kraft gelegen, aber seinen Angreifer offensichtlich überrascht. Noch immer entsagten ihm seine Sinne den Dienst, waren desertiert, er konnte nicht richtig sehen, seine Lider waren wie verklebt, das versetzte ihn noch mehr in Panik. Er spürte nur Schmerz, Hitze auf der Haut, und eine beunruhigende Kälte in seinem linken Arm, roch nichts, hörte unheilvolle dunkle Stimmen und Schritte um sich herum, und seinen eigenen, rasenden Herzschlag, der schwer vor Anstrengung in seinen Ohren dröhnte.

      Und alles, woran er sich erinnerte, waren blaue Flammen, klares Wasser und gesichtslose Dämonen in dunklen Umhängen. Er warf sich brüllend umher, war sich dem Schaukeln unter sich überhaupt nicht bewusst. Hände packten ihn plötzlich an Armen und Beinen, er kämpfte mit aller Kraft gegen sie an. Stimmen erhoben sich rund herum, traten näher, er hatte das Gefühl, anzuhalten, obwohl ihm zuvor nicht bewusst gewesen war, dass er sich bewegt hatte. Es war ihm auch gleich, er wusste nur eines: er musste sich wehren.

      Schreiend, tretend und schlagend versuchte er, seine Angreifer abzuwehren, während sein geschwächtes Herz einen Satz nach dem anderen machte. Ein Feuer loderte in ihm und ließ ihn schwitzen und zittern zugleich. Übelkeit kam auf und er musste spucken. Wieder fluchte jemand, ein paar Hände ließen locker, er warf sich gegen den Angreifer, dem dieser Fehler unterlaufen war.

      Schmerz entfachte, als er hart auf dem Boden aufkam, und breitete sich wie ein Buschfeuer über seine Rippen aus, stach ihm mitten ins Herz und brachte ihn zum Keuchen. Es raschelte unter ihm, als lägen sie in einem Laubhaufen, während er blind mit seinem Angreifer rang.

      »So tut doch was, Herr!«, ächzte eine alte Stimme, dünn wie Papier. »Er bringt sich noch um.«

      Unter ihm grollte ein Mann: »Nehmt ihn runter von mir! Der hat doch die Tollwut!«

      Irgendwo lachte jemand schmutzig: »So nah war dir noch kein sterbliches Wesen, wah Rurik?«

      »Leck mich, Bragi!«, knurrte der Dämon, den Desith unter sich festhielt. »Nehmt ihn runter, bevor ich ihm das Genick breche!«

      Desith schrie wütend, etwas anderes bekam er nicht heraus. Es machte ihn rasend, dass dieser Dämon glaubte, er käme gegen ihn an, obwohl Desith ihn doch bereits festgesetzt hatte! Pah! Bevor diese Kreatur ihm das Genick brach, hatte er sie mit bloßen Händen zerrissen!

      »Beim Allmächtigen, so beruhige dich doch endlich! Desith!« Er wurde hochgerissen, ein Felsen schien sich um seine Brust zu legen und hielt ihn mühelos in der Luft, gepresst an einen Berg. Desith strampelte, fauchte und spürte, wie die Wut in ihm ein gleißendes, weißes Licht in seinem Inneren zum Erstrahlen brachte, das seinen Schmerz linderte und seinen Gebeinen Lebensgeister einhauchte. »Lasst mich los, aahhhhh, ihr verfluchten Dämonen, mich bekommt ihr nicht!«

      »Er ist von Sinnen, Herr! Schnell, wir müssen ihm Kräuter einflößen!«

      »Still, Desith, es ist jetzt genug!«, sagte der Berg, der ihn gefangen hielt, die Stimme kam ihm seltsam vertraut vor, doch seine Furcht und sein Überlebenswille waren stärker als der Funke Vertrauen, der erwachte. Er versuchte, seinem Widersacher die Ellenbogen in die Rippen zu rammen, doch mehr als ein Grunzen entlockte er dem Angreifer damit nicht. Aus purer Verzweiflung schlug er schließlich die Zähne in den felsengleichen Arm, der ihm die Luft abdrückte.

      Der