Bei der Ankunft in Sansibar fand ich, dass der Sultan gealtert war und nicht lange mehr zu leben hatte. Seyid Bargasch ist sechs Monate später gestorben. Die Engländer konnten in der vorbehaltenen „Interessensphäre“ keine Kapitalien anlegen, bis einige solcher Konzessionen unterzeichnet waren.
„Wenn es Gott gefällt, werden wir zu einer Vereinbarung kommen“, sagte der Sultan, „daran kann weiter kein Zweifel sein.“ Allein seine politischen Sorgen reiben ihn rasch auf, und wenn diese Angelegenheit nicht bald zu Ende geführt wird, wird es zu spät sein.
Die andere Angelegenheit betraf Tippu-Tib. Derselbe hatte tatsächlich drei ungeladene Krupp'sche Granaten im Besitz, welche er von den Stanley-Fällen am Oberkongo nach Sansibar mitgebracht hatte, um seinen Freunden die Art der Geschosse zu zeigen, mit denen die Belgier seine Niederlassungen bombardierten. Er war außerordentlich zornig und brütete im Inneren über Wiedervergeltungsplänen. Ich brauchte längere Zeit, um die Ausbrüche seines Zorns zu besänftigen. Wütenden Leuten muss man Zeit lassen, um ihrem Ärger Luft zu machen. Als er eine Zeit lang seinem Unwillen Ausdruck gegeben hatte, fragte ich ihn in aller Ruhe, ob er nun fertig sei, und sagte ihm in mildem Tone, ich wisse sehr gut, wie groß und mächtig er sei usw. Dann bemerkte ich, es sei kaum gerecht, allen Europäern und dem König Leopold einen Vorwurf zu machen, weil es einem Offizier an den Stanley-Fällen beliebt habe, seine Ansiedelungen mit Krupp'schen Granaten zu bewerfen; die Schwierigkeit sei durch den Übereifer eines Mannes bei der Verteidigung einer Sklavin, welche seinen Schutz aufgesucht hatte, verursacht worden, in derselben Weise, wie sein Neffe Raschid sich durch jugendliche Leidenschaft habe hinreißen lassen, seine Rechte zu verteidigen. „Der Gouverneur des Kongostaates war mehr als 2.400 km flussabwärts entfernt, und Tippu-Tib, der Eigentümer der Niederlassungen, befand sich viele hundert Kilometer ostwärts auf dem Wege nach Sansibar. Nun, ich betrachte die Angelegenheit als die Folge eines Streites zwischen einem jungen Weißen und einem jungen Araber. Die Grauköpfe, welche den Streit ohne Kampf entschieden haben würden, waren abwesend, aber die Jugend will bekanntlich immer ihre Kraft messen.
„Wissen Sie“, fuhr ich fort, „dass die Station uns sehr viel Schwierigkeiten bereitet hat? Wie Sie sich erinnern werden, schickten wir Amelot hin. Kaum hatte er die Station ohne Befehl verlassen, als er irgendwo in der Nähe von Njangwe starb. Der nächste, der Schwede Gleerup, folgte seinem Beispiel und marschierte quer durch Afrika; dann schickten wir Deane, der zur Abwechslung Krieg mit den Arabern haben wollte.
Tippu-Tib
Dem König Leopold ist wegen alles dessen kein Vorwurf zu machen. Es ist schwer, Leute zu finden, welche stets weise handeln und immer vollständig begreifen, wie ihre Befehle lauten. Hätte König Leopold Deane hingeschickt, um Krieg mit Ihnen zu führen, dann würde er ihn, davon können Sie überzeugt sein, nicht mit nur 30 Mann gesandt haben.
„Nun merken Sie auf. Er schlägt Ihnen den Versuch vor, jene Station mit eigener Hand zu regieren; er wird Ihnen jeden Monat dasselbe bezahlen, was ein europäischer Offizier erhalten würde. Jedoch gibt es gewisse kleine Bedingungen, welche Sie erfüllen müssen, ehe Sie Gouverneur werden.“
Tippu-Tib schlug die Augen auf, bewegte dieselben rasch, wie er zu tun pflegt, und fragte: „Ich?“
„Ja, Sie. Sie lieben das Geld; ich biete Ihnen Geld. Sie grollen darüber, dass dort Weiße sind; nun, wenn Sie Ihre Pflicht richtig erfüllen, dann braucht man dort keine Weißen mehr, außer dem Einen, welchen wir unter Ihrem Befehl dorthin schicken müssen, um zu sehen, dass nicht gegen die Bedingungen verstoßen wird.“
„Nun, worin bestehen dieselben?“
„Sie müssen die Flagge des Kongostaates aufhissen. Sie müssen einem Residenten, der Ihre Berichte an den König schreiben wird, gestatten, bei Ihnen zu bleiben. Sie dürfen weder Sklavenhandel treiben, noch irgendjemand erlauben, unterhalb der Stanley-Fälle mit Sklaven zu handeln. Ebenso darf, wie Sie begreifen werden, keine Sklavenjagd stattfinden. Dagegen können Sie mit Elfenbein, Gummi, Guttapercha, Vieh und allen anderen Dingen so viel handeln, wie es Ihnen beliebt. Es darf aber unterhalb Ihrer Station kein den Eingeborenen gehörendes Eigentum irgendwelcher Art geplündert werden. Ihr Monatsgehalt wird an Ihren Agenten in Sansibar ausgezahlt werden. Geben Sie mir nicht sofort eine Antwort, sondern gehen Sie hin und beraten Sie sich mit Ihren Freunden und denken Sie darüber nach, was ich Ihnen biete. Mein Schiff segelt in drei Tagen. Bringen Sie mir morgen Ihre Antwort!“
Da die Antwort günstig lautete, wurde von dem Generalkonsul ein passender Vertrag aufgesetzt, den wir beide unterzeichneten.
Eine weitere Vereinbarung traf ich mit ihm bezüglich der Anwerbung von Trägern, welche die Munition vom Kongo nach dem Albert-See befördern sollen. Gibt es dort kein Elfenbein, dann werde ich Tippu-Tib die Summe von 3.600 Pfd. St. schulden. Es muss aber Elfenbein dort sein, da Emin Pascha und Dr. Junker beide behaupten, es sei ein großer Vorrat davon da. Indessen möchte ich des Elfenbeins wegen die Expedition nicht in Gefahr bringen.
In Anbetracht dieser Dienste, zu deren Leistung Tippu-Tib sich feierlich verpflichtet hat, habe ich ihm für sich und 96 seiner Begleiter freie Fahrt von Sansibar nach dem Kongo, einschließlich Beköstigung, zugestanden. Auch habe ich die Verantwortung übernommen, die ganze Truppe wohlbehalten nach den Stanley-Fällen zu transportieren, wodurch ich nicht geringe Kosten verursacht habe, welche jedoch mit den in den einzelnen Artikeln des Vertrages erwähnten Diensten, wenn dieselben getreulich zur Ausführung gelangen, reichlich bezahlt werden. Diese Verhandlungen mit Tippu-Tib sichern uns auch einen friedlichen Marsch vom Kongo durch sein Gebiet, der ohne ihn keineswegs möglich gewesen wäre, da seine verschiedenen Horden von Beutejägern über ein weites Gebiet zerstreut sein werden und es kaum wahrscheinlich ist, dass sie in ihrem erklärlichen Rachegefühl wegen des jüngsten Bruches mit Deane uns in Frieden passieren lassen würden. Nachdem ich mir Tippu-Tib verpflichtet habe, fühle ich mich einigermaßen sicher vor der beständig zu befürchtenden Desertion der Sansibariten. Jetzt wird kein Araber die Leute überreden, davonzulaufen, wie sie es sonst zu tun pflegen, wenn die Expedition eines Weißen in der Nähe ihrer Niederlassungen vorbeikommt. Tippu-Tib darf ein solches Verfahren jetzt nicht billigen.
Der „MADURA“ ist ein bequemer Dampfer, während der „ORIENTAL“ und der „NAVARINO“ in unangenehmer Weise überfüllt waren. Das Zwischendeck quer ab von den Kesseln ist für die Leute allerdings ein ziemlich heißer Raum, allein wir haben angenehmes Wetter und sie ziehen es daher vor, anstatt in der Bratitze unter Deck in den Booten, zwischen den Eseln und auf Deck sich schlafen zu legen.
Zwei Stunden nach der Abfahrt von Sansibar fand ein sogenanntes „Schindi“ zwischen den Sansibariten und Sudanesen statt, und kurze Zeit schien es, als ob wir mit vielen Toten und Verwundeten würden nach Sansibar zurückkehren müssen. Der Kampf entstand aus einem Streit um den Raum. Die Sudanesen waren direkt neben den Sansibariten untergebracht worden, die, weil sie um das Zehnfache zahlreicher waren, Platz zum Atmen gebrauchten. Sie waren sämtlich Bekenner des Islam, allein kein einziger dachte an seine Religion, als sie Brennholz und Stücke von Planken ergriffen, um aufeinander loszuschlagen und zu prügeln. Die Schlacht hatte bereits einige Zeit gedauert, ehe ich davon hörte. Als ich in die Luke hinabsah, bot sich mir ein fürchterlicher Anblick; das Blut Floß in Strömen an den Gesichtern von Dutzenden von Leuten herab, und es flogen sehr lebhaft gewaltige Brennholzstücke umher. Befehle waren in diesem Aufruhr nicht zu hören, sodass sich einige von uns selbst mit Knitteln an dem Kampfe beteiligten, wobei wir unsere Angriffe auf die lautesten Schreier richteten. Es bedurfte unserer ganzen Überredungskunst in Verbindung mit scharfen Hieben, um die streitbaren Parteien zur Ordnung zu bringen, namentlich bei der sudanesischen Minorität, welche aus großen Burschen besteht. Die Sudanesen wurden aus ihrem Winkel fortgetrieben und hinten untergebracht, während die Sansibariten die ganze vordere Hälfte des Schiffes für sich behielten. Nachdem wir uns von Blut und Schweiß gereinigt hatten, beglückwünschte ich die Offiziere, und besonders Jephson, Nelson und Bonny, wegen des Anteils, den sie an dem Streit genommen hatten. Sie hatten sich höchst wacker benommen. Das Resultat