Henry Morton Stanley: Im dunkelsten Afrika. Henry Morton Stanley. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Henry Morton Stanley
Издательство: Bookwire
Серия: gelbe Buchreihe
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783753192109
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am 28. nahmen wir den Marsch wieder auf und erreichten Masa Mankengi.

Grafik 716

      Herbert Ward – 1863 – 1919

       Unterwegs trafen wir Herrn Herbert Ward, der sich freiwillig zum Mitgliede der Expedition anbot; er wurde engagiert und nach Matadi geschickt, um Herrn Ingham bei der Organisierung des Trägerdienstes zu helfen. Herr Ward hatte während der letzten Jahre in den Diensten des Kongostaates gestanden, früher Reisen in Neuseeland und Borneo gemacht und war von mir stets für einen vielversprechenden jungen Mann gehalten worden.

      Gegen Mittag am 29. März befanden wir uns mit dem Lager in Congo-la-Lemba an einer Stelle, wo früher, wie ich wusste, ein blühendes Dorf gestanden hatte. Der Häuptling desselben stand damals in seinem Glanze und war der unbestrittene Herrscher des Distrikts; das Glück verdarb ihn jedoch und er begann, von den Karawanen des Staates Abgaben zu erheben. Da die Route durch seine Frechheit blockiert wurde, schickte der Staat eine Abteilung Bangala gegen ihn aus, welche ihn gefangen nahmen und enthaupteten. Das Dorf wurde niedergebrannt und die Bewohner flüchteten nach anderen Gegenden. Der Platz, wo das Dorf gestanden hatte, war jetzt mit hohem Gras bedeckt und die Gujavenbäume, Palmen und Zitronenbäume waren vom Schilfrohr überwuchert.

      In der Marschordnung war eine kleine Besserung eingetreten, aber bei einer Expedition ist die Anfangszeit immer aufreibend. Die Sansibariten tragen 65 Pfund Munition, 9 Pfund für jedes Gewehr, viertägige Rationen Reis und ihre eigene Ausrüstung an Stoffen und Schlafmatten, im Gewicht von vielleicht 4-10 Pfund. Wenn sie sich erst akklimatisiert haben, scheint eine solche Last leicht für sie zu sein; aber während des ersten Monats muss man sehr vorsichtig sein, keine zu langen Märsche machen und sehr viel Geduld üben.

      In den frühen Morgenstunden des nächsten Tages hielt ein heftiger Regen uns auf, doch setzten wir uns bald nach 9 Uhr in Bewegung, bis wir den Lufu-Fluss erreichten. Es war ein schrecklich ermüdender Marsch. Bis um Mitternacht trafen die Leute ein, müde, mit geschwollenen Füßen und brummig. Die Offiziere schliefen in meinem Zelte und erhielten zum Abendessen Hartbrot und Reis.

      In der Nähe des Masamba-Waldes trafen wir den Baron von Rotkirch, welcher eine Abteilung Kabinda beaufsichtigte, welche die Welle des Dampfers „FLORIDA“ schleppten. Nach der Geschwindigkeit ihres Vorwärtskommens zu urteilen, würden sie wahrscheinlich im nächsten August den Pool erreichen. Ferner trafen wir bei der Bembesi-Furt einen französischen Händler, welcher mit einer hübschen Partie Elefantenzähnen flussabwärts marschierte.

       Am 31. passierten wir den Mangola-Fluss, wo ich infolge des Genusses von Gujaven in Congo-la-Lemba einen leichten Krankheitsanfall hatte; am 1. April marschierten wir nach Bansa Manteka. Auf der Station der Livingstone-Inland-Mission wurden wir von Herrn und Frau Richards sehr freundlich aufgenommen. Einige Jahre Missionstätigkeit hat an diesem Orte eine große Veränderung hervorgerufen. Fast die gesamte eingeborene Bevölkerung bekennt sich zum Christentum und besucht pünktlich mit der Inbrunst eines Sektenbruders den Gottesdienst. Einige Leute, welche ich als berüchtigte Schnapstrinker gekannt hatte, waren nüchterne, anständige Menschen geworden und hatten ein höchst manierliches Wesen angenommen.

      Vom oberen Laufe des Flusses erhielt ich hier drei Briefe, je einen von Troup aus Manjanga, Swinburne aus Kinshasa und Glave aus der Äquator-Station, die sämtlich betrübende Nachrichten über die Dampfer „STANLEY“, „PEACE“, „HENRY REED“ und „EN AVANT“ meldeten. Der erste ist meinen Gewährsleuten zufolge durch und durch beschädigt, die Missionsdampfer erfordern eine gründliche Ausbesserung, und der „EN AVANT“ ist zu einem Leichter umgewandelt. Herr Troup schlägt vor, einen oder zwei Leichter von Manjanga nach dem Pool zu tragen, ein Ding der Unmöglichkeit, da wir durch den Reis, welchen wir zum Unterhalt von fast 800 Mann auf dem Marsch durch ein Hungersnot leidendes Land mitnehmen müssen, bereits überlastet sind. Um uns die Arbeit etwas zu erleichtern, schickte ich die Herren Jephson und Walker mit unserm Stahlboot „ADVANCE“ auf dem Kongo nach Manjanga.

      Wir überschritten den Lunionso-Fluss am 3. April und lagerten am nächsten Tage an der Stelle des verlassenen Dorfes Kilolo. Auf dem Marsche bemerkte ich, wie ein Sudanese einen Sansibariten zu erdrosseln versuchte, weil der ermüdete Mann mit seiner Kiste den anderen leicht an der Schulter berührt hatte. Wir sind erbittert über die üble Laune der Sudanesen, müssen aber noch eine Weile Geduld üben.

      Ein dreistündiger Marsch mit dem gewöhnlichen Auf und Ab an den Hügeln, was die Karawane so sehr ermüdet, brachte uns nach dem Kuilu. An diesem gegen 100 m breiten Fluss, der eine starke Strömung besitzt, fanden wir ein Kanu ohne Eigentümer, das wir in Besitz nahmen, worauf wir mit dem Übersetzen der Vorhut in Abteilungen von zehn Mann begannen.

       Ich benutzte die mir durch das Übersetzen mit der Fähre gebotene Gelegenheit, um dem Kommandanten am Stanley-Pool in einem Schreiben dringend ans Herz zu legen, dass er die Befehle des Herrn Strauch, des Ministers des Inneren, in dem hochherzigen Sinne auslegen möge, welchen König Leopold bekundet habe, als er uns aufforderte, Emin Pascha auf der Kongo-Route aufzusuchen. Ein anderes Schreiben richtete ich an den Rev. Bentley von der Baptisten-Mission, den ich bat, der Unterstützung zu gedenken, welche ich den Baptisten in den Jahren 1880 bis 1884 hatte angedeihen lassen, und sich darauf vorzubereiten, dass er uns den Dampfer „PEACE“ leihen müsse, damit ich die Expedition schleunigst aus der verarmten Gegend um den Stanley-Pool fortbringen könnte. Einen weiteren Brief ähnlichen Inhalts sandte ich an den Inspektor des „HENRY REED“, Herrn Billington, den ich darauf aufmerksam machte, dass ich es gewesen sei, der ihnen am Stanley-Pool Grund und Boden geschenkt hätte. Ein Schreiben an den Befehlshaber der Station Lukungu ersuchte diesen, mir 400 Träger zur Erleichterung der Arbeit meiner Leute anzuwerben.

      Bei der Ankunft in Muembi am 6. April wurde ich durch die zunehmende Demoralisation in der Karawane besonders überrascht. Um die Leute nicht anzutreiben, hatte ich mich bisher sehr ruhig verhalten und die Arbeit, die Zerstreuten zu sammeln, den jüngeren Offizieren überlassen, damit dieselben eigene Erfahrung sammelten bezüglich der Schwierigkeiten, mit denen Expeditionen in Afrika zu kämpfen haben; allein namentlich auf diesem Marsche zeigte sich mir die Notwendigkeit, die Disziplin strengstens aufrecht zu erhalten. Kaum hatten die Sansibariten die Zelte ihrer Offiziere aufgeschlagen, als sie wie Wilde in die benachbarten Dörfer stürzten und das Eigentum der Eingeborenen zu plündern begannen, wobei ein gewisser Chamis-ben-Athman von einem mutigen Eingeborenen erschossen wurde. Dieser fatale Unfall ist einer der deutlichsten Beweise dafür, dass die Disziplin der beständigen Nachsicht vorzuziehen ist, und wie bald selbst eine ganze Armee von zügellosen, ungehorsamen und widersetzlichen Leuten vernichtet werden würde.

       Die große Masse der Leute war vermutlich zu dem Glauben gekommen, dass ich schon zu alt geworden sei, um den Marsch wie in früheren Zeiten zu überwachen; allein auf dem Wege nach Vombo am 7. April wurden sie sämtlich aus ihrem Irrtum gerissen. Der letzte Mann der in die Länge gezogenen Karawane war gegen 11 Uhr vormittags im Lager, und alle Offiziere konnten sich mittags zum Essen niedersetzen in dem frohen und beruhigenden Gefühle, ihre Pflicht getan und einen guten Tagemarsch gemacht zu haben. Es gibt kein angenehmeres Gefühl als dasjenige, wenn man einen tüchtigen Tagemarsch in kurzer Zeit ausgeführt hat. Wir haben uns eine gute Tagesrast gesichert; der Rest des Tages gehört uns, um zu lesen, zu essen, zu schlafen, den Luxus der Untätigkeit zu genießen und über das Morgen nachzudenken; während es kaum etwas Unangenehmeres gibt, als zu wissen, dass, obwohl der Marsch nur ein kurzer ist, das Nachlassen der Strenge jenes grausame Zeitvergeuden in dem erstickenden hohen Grase und in den sengenden Strahlen der glühenden Sonne am Wege gestattet. Die lange Linie der Träger hat sich in schwitzende Fragmente aufgelöst; Wasser ist, wenn man es am Notwendigsten braucht, weit entfernt, kein schattenspendender Baum befindet sich in der Nähe der Straße, die Lasten werden beraubt und sind über mehr als fünfzehn Kilometer Weges zerstreut, die Träger verstecken sich zwischen dem Röhricht oder suchen unter entfernteren Baumgruppen Kühlung, und die Offiziere, hungrig und ärgerlich, sind in Verzweiflung darüber, dass das Ende des Tages so nahe und sichere Aussicht auf eine Wiederholung dieser Schwierigkeiten morgen und am folgenden Tage vorhanden ist. Ein in der Nähe unserer Marschlinie befindlicher, nicht weiter nachdenkender Zuschauer könnte vielleicht glauben, dass wir unnötigerweise grausam seien, allein einige