»Das sind ja ganz neue Töne«, mischte sich ihr Vater ein, der aus seinem Arbeitszimmer herauskam. Er arbeitete in einer Anwaltskanzlei und brachte oft Akten mit nach Hause.
»Bist du sauer auf uns?«, fragte er arglos.
»Nein, ich bin total happy. Mir geht es super und ihr macht sowieso, was ihr wollt.«
»Imke, treib es nicht auf die Spitze!« Ihre Mutter hob mahnend den Finger. »Es wird noch viele Spiele und Turniere in deinem Leben geben. Aber dieses Auswahlturnier wirst du auslassen!«
Imkes Augen füllten sich einmal mehr mit Tränen. »Ich hab’s verstanden«, sagte sie mit leiser, zittriger Stimme.
»Aber deswegen lieben wir dich doch trotzdem und wollen dich weiter beim Fußball anfeuern.« Ihre Mutter strich ihr über das Haar.
»Ich habe noch niemandem gesagt, dass ich nicht mitkomme«, flüsterte Imke. »Und wenn ihr da seid …«
»… werden uns Hannah, Tinas Mama und Tanjas Eltern fragen, ob wir mitfahren. Dann werden wir erzählen, dass du nicht teilnimmst.« Martin Strobel nickte verständnisvoll. »Okay, Kleine, regle das allein. Wir sind das nächste Mal wieder dabei!«
»Danke.« Imke wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Dann nahm sie ihren Rucksack und lief zur Tür hinaus.
Als Imke die Anlage betrat, standen die meisten Mitspielerinnen und auch Christian vor der Kabine.
»Unser Star ist da«, rief Christian.
»Jep«, rief Dani. »Wir gründen jetzt den Imke-Fanclub.«
»Oh ja«, rief Laura. Sie war ein riesiger Fan von Imke, weil diese in einer schwierigen Anfangszeit im Verein zu ihr gehalten hatte. »Dann fahren wir zu jedem Auswahlspiel von Imke mit.«
Christian lachte und streichelte Imke über den Kopf. »Du bist der Stolz der Kompanie.«
»Ach ihr.« Imke lächelte verlegen. »Vielleicht bin ich morgen schon nicht mehr dabei.«
»Ich dachte, du wärst inzwischen selbstbewusster«, sagte Karin. »Wenn es jemand packt, dann bestimmt du.«
Christian legte den Arm um Imke und drückte sie an sich. »Was hast du nur für Gedanken?«
Imkes Herz wurde immer schwerer. Sie musste endlich sagen, dass sie nicht am Turnier teilnahm.
Die Spielerinnen schlenderten laut plaudern und kichernd in die Kabine. Hannah stand an der Taktiktafel und stellte die Magnete auf.
»Füllst du den Spielberichtsbogen aus?«, bat sie Christian. »Zur Besprechung kommst du mit rein.«
Imke hatte neben der Taktiktafel ihren Stammplatz in der Kabine. Sie zog sich das Trikot an und band sich die Fußballschuhe zu. Hannah beugte sich zu ihr herunter. »Was haben deine Eltern dazu gesagt, dass du beim Turnier dabei bist?«
Imkes Herz schlug schneller. »Ja, sie sind mächtig stolz.«
»Fahren sie mit?«
Imke hob die Schultern. »Weiß noch nicht.«
»Ach, das werden sich die beiden doch nicht entgehen lassen«, sagte Hannah lächelnd.
Na, du wirst es ja wissen. Sie antwortete nicht, sondern beschäftigte sich intensiv mit den Schnürsenkeln der Schuhe.
Nachdem alle Mädchen umgezogen waren, kam Christian in die Kabine und stellte sich neben Hannah.
Diese gab die Aufstellung für das Spiel bekannt. An der Taktiktafel erklärte sie den Spielerinnen ihre Aufgaben und zeigte die Stärken der Gegnerinnen aus Langstetten auf.
»Das Spiel findet auf dem Trainingsplatz statt«, beendete sie ihre Ansprache.
»Warum das denn?«, fragte Karin. »Das ist ein Trainingsplatz, wir wollen auf dem Hauptplatz spielen.«
»Dafür kennen wir ihn bestens und das ist durchaus ein Vorteil.« Christian versuchte, das Positive aus der Situation herauszuholen.
»Wir spielen immer auf dem Hauptplatz.« Lydia stapfte mit dem Fuß auf. »Dafür ist er doch da.«
»Dem Grohmann und dem Vorstand verdanken wir das.« Tina plauderte aus dem Nähkästchen. Lisa, ihre Mutter, hatte ihr das erzählt.
»Wieso?«, fragte Dani. »Was haben die damit zu tun?«
»Der Grohmann will aufsteigen und deshalb darf keine andere Mannschaft mehr den heiligen Rasen betreten«, schimpfte Tina weiter. »Die Frauen dürfen nicht mehr auf dem Rasenplatz trainieren.« Bei dieser Nachricht waren die Mädchen völlig außer sich.
»Das dürft ihr euch nicht gefallen lassen!«, rief Karin.
»Genau«, stimmte Dani zu. »Warum können die das überhaupt einfach bestimmen?«
»Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.« Christian versuchte, die Mädchen zu beruhigen.
»Warum kannst du denn nichts ausrichten?«, fragte Imke und sah die Trainerin mit blitzenden Augen an. »Du hast doch so eine innige Beziehung zum Grohmann.«
Die Blicke der Mädchen richteten sich auf Hannah, deren Gesicht eine leichte Rötung annahm.
»Haben wir was verpasst?«, fragte Dani.
«Nein, habt ihr nicht. Imke hat da etwas missverstanden!«
»Das sah -«
»Schluss jetzt!«, unterbrach Hannah Imke. »Wir gehen auf den Platz, wärmen uns ordentlich auf und danach will ich, dass ihr ein engagiertes Spiel abliefert. Christian, du kümmerst dich um Tina. Auf geht’s!«
Die Mädchen sprangen auf und liefen aus der Kabine. Dani kam an Imkes Seite. »Was meintest du denn wegen Grohmann und Hannah?«
»Ich sag nichts mehr dazu.« Imke zog den Reißverschluss ihrer Jacke hoch.
»Sei nicht so zu Hannah.« Tanja verzog missmutig den Mund.
»Komm, sag schon, was du weißt.« Dani stupste Imke an.
»Du hast Hannah auf jeden Fall mit deiner Aussage getroffen«, sagte Lydia.
»Wieso getroffen?« Imke starrte nach vorne. »Das ist doch ihre Sache, mit wem sie was hat.«
»Also stimmt es wirklich?« Karin blies die Wangen auf. »Ich will mir das nicht vorstellen.«
»Denkt doch, was ihr wollt.« Imke spurtete los.
Der SV Winkelbach kam nicht ins Spiel. Gegen die körperlich überlegenen Gegenspielerinnen gewannen sie kaum einen Zweikampf. Angriff auf Angriff rollte auf Tinas Tor, doch diese hielt mit fantastischen Reflexen die Null fest.
Hannah half der Mannschaft in der Pause mit klaren Ansagen.
»Haltet den Ball in den eigenen Reihen und geht nicht zu viel in die Dribblings. Ihr zieht den Kürzeren!«
Sie sah zu Imke: »Versuch einen schnellen Doppelpass, du reibst dich sonst auf!«
Imke nickte. Sie presse die Lippen aufeinander. Das Spiel lief bisher an ihr vorbei. Wenn sie den Ball führte, wurde sie zur Seite geschoben oder gefoult. »Okay! In den defensiven Zweikämpfen haltet dagegen, setzt euren Körper zwischen Spielerin und Ball. Ihr seid die technisch bessere Mannschaft und schneller. Diese Stärken müsst ihr einbringen. Auf geht es, Mädels!«
Die Spielerinnen klatschten sich ab.
»Auf jetzt!«, rief Karin. Der Schiedsrichter pfiff die zweite Halbzeit an. Mit Biss und Willen setzten sie die Vorgaben ihrer Trainerin um. Sie bewegten sich ständig bei Ballbesitz und fanden dadurch immer eine freie Mitspielerin.
Die Gäste