Pechschwarzer Sand. Liv-Malin Winter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Liv-Malin Winter
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742735836
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wies Eric den Mann zurecht.

      »Wie wäre es, wenn ich Ihnen 1000 Euro bezahle?«, schlug Edelmann vor.

      »Dieses Angebot ist inakzeptabel. Aber damit dieser Schandfleck von einem Laden endlich renoviert wird, bin ich bereit, die Arbeit für 2800 Euro zu erledigen.«

      Nach langem Feilschen einigten sie sich schließlich auf 2300 Euro.

      »Ich werde meinen Anwalt beauftragen, die Papiere fertig zu machen. Die Summe wird bei Vertragsunterzeichnung fällig. Sobald ich das Geld erhalten habe, werde ich mit der Arbeit beginnen«, sagte Eric.

      Er verabschiedete sich und verließ das Büro. Ein ungutes Gefühl nagte an ihm. Er hoffte, dass sich Alfred Edelmann an die Vereinbarung halten und ihm das Geld pünktlich zahlen würde. Erics Anwalt würde den Vertrag absolut wasserfest gestalten müssen, damit Edelmann ihn nicht über den Tisch ziehen konnte.

      »Wir haben das Geld. Ich habe eine E-Mail von Eric erhalten«, berichtete Chris erleichtert.

      Rena sah von dem Dokument auf, das sie gerade las. Chris saß ihr gegenüber am Esstisch. Sie lebten in einem Holzhaus, das neben einem Wohnzimmer und einem Schlafzimmer nur noch über einen kleinen weiteren Raum verfügte. Die Einrichtung war in Naturtönen gehalten. Die warmen Farben des Holzes, das in Wänden und Böden verarbeitet war, harmonierten mit der grünen Couch, die zum Entspannen einlud. Ein paar farbige Akzente verliehen dem Haus Behaglichkeit. Sie sah ihren Mann an. Er war groß und hatte rotblondes Haar. Sie erinnerte sich daran, wie sie ihm zum ersten Mal begegnet war. Seine Augen waren so strahlend blau wie der Himmel an dem schönen Sommertag, als ihr Chris als neuer Ranger vorgestellt worden war. Inzwischen hatten sich Sorgenfalten in sein Gesicht eingegraben. In den letzten Tagen hatte er sich ständig mit der Frage gequält, ob Eric ihnen helfen konnte.

      »Wenn wir die billigsten Zugtickets nehmen, kommen wir mit unserem Geld bis nach Halifax.« Rena hatte viel Zeit damit zugebracht, die günstigsten Angebote für ihre Reise zu finden.

      »Wäre es nicht besser, eine Kabine mit Bett zu nehmen? In deinem Zustand ist es nicht ratsam, mehrere Nächte in einem Zugsitz zu verbringen.« Chris warf seiner Frau einen besorgten Blick zu.

      »Chris, das können wir uns nicht aussuchen. Wir haben nur noch 4000 Dollar. Alles andere ist für die Behandlungskosten meiner Mutter draufgegangen. Wenn wir die günstigsten Plätze im Zug nehmen, kostet das knapp 2000 Dollar. Außerdem brauchen wir Geld für Hotels. Wir haben zwischen den einzelnen Stationen unserer Reise an die Küste immer wieder ein paar Tage Aufenthalt.«

      »Wie teuer ist eine Kabine?«

      »Wenn wir eine Kabine für zwei Personen buchen, kostet uns die Zugfahrt 3400 Dollar. Die Reserve, die uns dann bleibt, ist zu gering. Glaub mir, ich hätte auf dieser Fahrt auch gerne ein Bett. Aber es muss leider ohne gehen. Ich werde das schon irgendwie schaffen.« Rena sah ihn entschlossen an.

      »Ich habe gehofft, dass es diesem Polizisten nach ein paar Tagen langweilig wird, dich zu beobachten. Aber das ist nicht der Fall. Wir müssen uns irgendetwas einfallen lassen, wie wir unbemerkt verschwinden können.«

      Rena hatte auf der Polizeiwache Krämpfe vorgetäuscht. Chris war zunächst nicht klar gewesen, dass diese Probleme nur gespielt waren. Er dachte mit Schaudern daran, wie das Telefon geklingelt hatte. Die 81jährige Rebekka hatte beobachtet, wie ein Polizist Rena genötigt hatte, in einen Streifenwagen zu steigen.

      Chris war sofort zur Polizeiwache geeilt. Der wachhabende Polizist war Colin. Er kannte den Mann, so wie er fast jeden in Fort Chipewyan kannte.

      »Ist meine Frau hier?« Noch immer hatte Chris an eine Verwechslung geglaubt.

      »Ja«, hatte Colin geantwortet.

      »Ich will sie sehen.«

      »Das geht nicht. Sie wird gerade verhört.«

      »Was wird ihr vorgeworfen?«

      »Darüber darf ich im Moment keine Auskunft geben.«

      »Was kann eine Frau, die im sechsten Monat schwanger ist für ein Verbrechen begangen haben?« Der große Deutsche hatte sich bedrohlich vor dem Polizisten aufgebaut.

      »Bitte geh jetzt, Chris!«

      »Ich gehe erst, wenn ich mich davon überzeugt habe, dass es ihr gut geht!«, hatte Chris stur erwidert. Er hatte versucht sein Gegenüber mit purer Willenskraft zum Einlenken zu bewegen. Colin hatte den unverwandten Blick erwidert, mit dem Chris ihn bedacht hatte. Dann hatte er nachgegeben.

      »Warte hier«, hatte er zu Chris gesagt und war um die Ecke verschwunden.

      Einen Moment später hatte Chris Colins besorgte Stimme gehört, gefolgt vom schmerzhaften Aufstöhnen einer Frau. Das musste Rena sein.

      Chris war zu ihr geeilt und hatte Colin beiseitegeschoben. Er hatte sie fürsorglich gestützt. »Was ist mit dir?« Seine Stimme hatte vor Besorgnis gezittert.

      »Rena hatte die Augen geschlossen. »Das Baby«, hatte sie geflüstert.

      »Sie muss sich hinlegen. Außerdem brauchen wir die Hebamme!« Chris hatte sich an Colin gewandt. Mit dem anderen Polizisten hatte er sich nicht abgegeben. Er wusste, dass dieser Mann kein Funken Mitleid besaß.

      »Das Verhör ist noch nicht beendet.« Der Polizist war verärgert gewesen, dass seine Autorität untergraben worden war.

      »Das ist ein medizinischer Notfall!«, hatte Chris ihn angeherrscht. Er hatte Rena auf die Arme gehoben und trug sie zum Ausgang.

      »Bleiben Sie sofort stehen!«, hatte der Polizist ihm nachgerufen.

      »Ich werde meine Frau nach Hause bringen und dafür sorgen, dass die Hebamme sich um sie kümmert. Danach können Sie mich verhaften, wenn Sie ernsthaft der Meinung sind, dass ich gegen ein Gesetz verstoßen habe«, antwortete Chris über die Schulter hinweg.

      »Ich werde euch nach Hause fahren.« Colin hatte sich den Autoschlüssel des Streifenwagens geschnappt und war Chris und Rena nach draußen gefolgt.

      Die Hebamme des Ortes hatte Rena gedeckt. Sie hatte bestätigt, dass die Schwangerschaft in Gefahr war. Sie verordnete ihr Bettruhe und verbot jegliche Aufregung. Das schloss Verhöre durch die Polizei aus. Seitdem konnte Rena das Haus nicht mehr verlassen. Besucher durften sie nur auf der Couch oder im Bett antreffen. Ihr fiel es schwer die kranke Frau zu mimen. Sie fühlte sich eingesperrt und zur Untätigkeit verdammt.

      »Ich muss zur Arbeit«, bemerkte Chris. »Pass gut auf unser Baby auf und mach keine Dummheiten.«

      Rena musste lächeln. So verabschiedete er sich in den letzten Tagen immer von ihr. Er gab ihr einen Kuss und streichelte sanft ihren Bauch. Sein Gesichtsausdruck wurde weich und zärtlich, als er eine Bewegung des Babys spürte.

      Unvermittelt klopfte es. Erschrocken sah Rena ihren Mann an. Sie erwarteten keinen Besuch.

      »Leg dich auf die Couch«, flüsterte Chris ihr zu.

      Eilig erhob sie sich von ihrem Stuhl und ging die wenigen Schritte durch den Raum. Anspannung war in Chris Gesicht zu erkennen, als er die Tür öffnete.

      »Hallo Ivy«, begrüßte er dann die Hebamme erleichtert. Chris lebte seit Tagen in der Angst, dass die Polizei sich nicht mehr länger vertrösten lassen würde.

      »Hast du ein paar Minuten Zeit?«, erkundigte sich Ivy, während sie eintrat.

      Chris nickte und schloss die Tür hinter ihr.

      »Wie geht es dir?«, fragte Ivy, an Rena gerichtet.

      »Gut«, erwiderte diese. Die Müdigkeit hatte allerdings deutliche Spuren in ihrem Gesicht hinterlassen. Vor wenigen Tagen hatte sie erfahren, dass ihr Vater schwer krank war. Er hatte Krebs. Es war ein Schock gewesen, das zu erfahren. Ihre Mutter war erst vor wenigen Monaten an dieser Krankheit gestorben. Die Sorge um ihren Vater und ihre eigene Sicherheit hielten sie nachts oft für viele Stunden wach.

      Ivy nickte nach einem wissenden Blick in Renas Gesicht.

      »Habt