Caromera. H. G Götz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: H. G Götz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753193274
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können? Wie lange würde er noch die Energie haben, sich gegen diesen aufzulehnen? Er wusste, dass auch manch andere der Ratsmitglieder den Ideen Hauptmans nicht mehr ganz so entschlossen entgegentraten, wie sie es zu Beginn getan hatten. Kleiner sah, den Blick den Hauptman ihm zuwarf. Dessen spöttische Kälte, die in seinen Augen lag. So sehr er sich auch darum bemühte und es ihm leid um die Energie tat, es musste gesagt werden.

      „Wir alle wissen, welche Gedenken, welche ungeheuerlichen Gedanken sie mit sich herumtragen. Doch seien sie versichert, dass ich keinen Mord an auch nur einem unserer Bürger zulassen werde!“

      „Aber, aber, wer wird denn gleich von Mord sprechen“, sagte Hauptman mit gespielt belustigter Stimme. Hauptman lehnte sich leger in seinem wackeligen Stuhl zurück. Jenen den er hasste und von dem er überzeugt war, dass man ihm diesen bewusst überlassen hatte. Schon immer sah er sich seiner Meinung nach diesen kleinen unwürdigen Schikanen der anderen ausgesetzt. Demütigungen, die er nur deswegen zu erdulden hatte, weil er sich nicht damit abfinden wollte das dieses Land, sein Land, von ein paar Weichlingen in den Ruin getrieben wurde. Von Weichlingen, die sich Idealen verschrieben hatten, die jenseits aller Vernunft lagen. Von schwachen Männern, die es nicht verdient hatten, diesem Rat anzugehören!

      Wie sehr er diesen Rat doch hasste. Dessen Unvernunft, dessen ineffektive Art, das Land zu führen. „Auf christlichen Werten basierend!“ Wie oft hatte er diesen Satz mit Verachtung ausgespien? Unwürdig waren sie all diese Narren, die sich erdreisteten, jedem daher gelaufenen Schmarotzer Obdach und Nahrung zu geben. Diesen unproduktiven Abschaum, welche zu nichts anderem taugten als der Allgemeinheit zur Last zu fallen!

      Hass, der sich über viele Jahre in ihm aufgestaut hatte, machte sich wieder in ihm breit. Aber auch diesmal wusste er diesen Hass tief in sich zu verbergen. Er musste nur warten. Warten bis diese Narren an diesem Tisch einsahen, dass sein Weg der einzige richtige war, um das Land zu retten.

      Sein Land!

      Vielleicht war das, was dieser Hauptman vorschlug – wenn er es bisher auch noch nie direkt ausgesprochen hatte, tatsächlich die einzige Lösung, um wenigstens den jämmerlichen Rest dieses einstig schönen und friedlichen Landes am Leben zu erhalten.

      „Was denkst du nur“, fragte Kleiner sich selbst.

      „Wie kommst du nur auf den Gedanken …?“

      Er spürte, wie die Scham ihm das Gesicht heiß werden ließ.

      Doch geschehen musste etwas. Hauptman hatte recht. Ihre kleine einst so zufriedene kleine Nation war kurz vor dem Zugrundegehen. Allerorts sah man nichts als Zerfall. Menschen, die Hunger litten, Kinder, die das Lachen verlernt hatten.

      Mit sich selbst hadernd, schlurfte Bogwin seinem Zuhause entgegen.

      Selbst in seinem eigenen Leben, dass seiner Familie hatte sich so etwas wie Verzweiflung breitgemacht. Etwas, dass er als Oberhaupt der Familie und als Mitglied des obersten Rates nicht zulassen konnte. Doch musste er es sich selbst eingestehen, dass es auch für ihn immer schwerer wurde, Haltung zu bewahren. Aber wie lange noch. Wie lange noch würde es ihm gelingen? „Ich muss morgen mit Lampert reden“, sagte er sich, als er in die kleine Straße einbog, die zu seinem Haus führte. „Etwas muss geschehen. Etwas muss sich ändern, bevor alles zu spät ist.“

      Mit diesem Gedanken kam er vor seinem Haus an. Langsam steckte er den Schlüssel ins Schloss, drehte den Schlüssel zweimal um und trat in den stillen dunklen Flur. Es war bereits spät. Verwundert hatte er festgestellt, dass es bereits nach 21 Uhr war, als er das Ratsgebäude verlassen hatte. Mit leisen Schritten ging er den Flur entlang. Er lauschte in das Haus hinein.

      War da etwas?

      Er musste sich verhört haben.

      Seine Frau schien bereits im Bett zu sein.

      „Gut“, dachte er sich.

      Als er sich von seinen Schuhen und seiner Jacke befreit hatte, ging er in die Küche. Ihm war nach einem Glas Wein. Einer jener Selbstverständlichkeiten, die in diesen Tagen zu einem Luxus verkommen waren. Vorsichtig nahm er ein Glas aus dem Schrank, darauf achtend keinen Lärm zu machen, und goss sich ein halbes Glas davon ein.

      Der Wein beruhigte ihn. Doch nicht so sehr, als das er behaupten könnte, dass es gut wäre.

      Nein, etwas musste geschehen.

      „Morgen“, sagte er sich. „Morgen rede ich mich

      Lampert.“

      „Er weiß sicher Rat!“

      Stumm saß Bogwin seinem Freund und Amtskollegen in dessen Büro gegenüber. In diesem Büro, das vor nicht allzu langer Zeit vor Geschäftigkeit gebebt hatte. Doch nun, inmitten dieser Situation, in der sich das Land befand, schien der Raum, etwas von der Befangenheit, die im ganzen Land herrschte, abbekommen zu haben. Selbst das Licht, das durch die bunten Mosaikfenster fiel und das dem Raum einst eine lebendige Fröhlichkeit verliehen hatte, konnte nichts mehr dazu beitragen dem einstig gediegenen Raum seine Lebendigkeit zurückzugeben.

      Die Gemütlichkeit, die dem Raum einst zu eigen war, war verflogen. Die alten aus edlem Eichenholz und nach Maß angefertigten Möbel atmeten düstere Stimmung.

      Die Tatsache, dass eine Frage im Raum stand, ein Gedanke, den ihr Kollege Hauptman schon vor langer Zeit aufgeworfen hatte, erfüllte den Raum.

      Beide gehörten sie zu jenen, die mit der

      Ungeheuerlichkeit des angestimmten Gedankens Hauptmans in Wahrheit nichts zu tun haben wollten. Diese Idee, die Hauptman als die einzige und wahre Lösung dargestellt hatte. Allein der Gedanke daran verursachte ihnen Übelkeit. Doch, was war, wenn dieser Gedanke, diese Idee, so ungeheuerlich sie auch war, tatsächlich die einzige Lösung war?

      „Ich weiß nicht mehr was ich denken soll“, gestand Bogwin seinem Freund.

      Er schüttelte den Kopf, suchte nach Worten, die er verwenden konnte.

      „Seit der Gründung unseres Landes haben wir es uns zur

      Aufgabe gemacht, einem christlichen Leitbild zu folgen. Einem das besagt das niemand Armut, Not und Hunger zu leiden haben wird. Auf diesen Gedanken ist unsere ganze Nation aufgebaut. Und nun sitzen wir hier und denken über ..., nach!“ Er suchte nach einem Wort, das er verwenden konnte. Ein Wort, das die Tatsache weniger abscheulich klingen lassen würde, fand aber keines.

      Lampert hob seine Hand, wollte einen Einwand vorbringen.

      „Nein, nein lassen sie nur lieber Freund. Nichts anderes als eine menschenunwürdige Abscheulichkeit wäre es. Oder wie sollten wir es nennen, wenn wir diejenige die, nur weil sie nichts mehr zur Produktivität des Landes beitragen können, das Recht zu leben versagen würden!“

      Beiden schien es eine endlos lange Zeit zu sein, in der sie ein weiteres Wort zu sagen wussten.

      „Hauptman meint, dass dies die einzige Lösung sei, um das Land zu retten“, sagte Lampert.

      „Hauptman und dessen ganze Sippschaft waren von jeher ein Haufen profitgeiler Aasgeier“, entgegnete Bogwin empört.

      „Ich frage mich heute, wie es ihnen jemals gelingen konnte einen Sitz im Rat zu bekommen.“ „Wie wir beide wissen, steht ihnen ein Platz im obersten Rat aufgrund der Erbnachfolge zu, welches in unserer Verfassung verankert ist.“

      „Ja, ich weiß“, entgegnete Lampert. „Und trotzdem …!“ Bogwin stand auf, ging an eines der Fenster, verschränkte seine Hände hinter dem Rücken und sah auf die Straße.

      Lampert konnte nur zu gut sehen, dass sein Freund mit jeder Sekunde angespannter wurde.

      „Fest steht, dass etwas geschehen muss bevor Leute sich wegen eines Stück Brotes gegenseitig umbringen“, meinte Bogwin.

      Wieder schüttelte er den Kopf.

      „Wie konnte es nur so weit kommen“, fragte er in hörbar erschüttertem Ton.

      „Wie sie wissen waren auch meine Vorfahren unter denen, die die Konstitution des Landes mitgestaltet haben.