Die Soliamit-Krise. Peter R. Krüger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter R. Krüger
Издательство: Bookwire
Серия: Sternenlicht
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754181324
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Chance darin lag, den Kommandostand zu erreichen. Was sie außerhalb des Schiffs gesehen hatte, jagte ihr einen Schrecken ein, der ihr durch Mark und Bein fuhr. Aus reinem Reflex rannte sie zurück zur JAGELLOVSK. Dort wähnte sie sich für einen Moment in Sicherheit, als sie ihren Helm abnahm, um durchzuatmen. Doch der Sicherheitsalarm, der kurz darauf erklang, belehrte sie eines Besseren.

      Sie wusste, dass Walt und Bilmen in der Zentrale waren. Sie mussten gewarnt werden. So schnell wie noch nie zuvor entledigte sie sich ihres Raumanzugs und rannte durch die Gänge der JAGELLOVSK. Gerade hatte sie die Messe erreicht, als ihr Bilmen Okan entgegenkam und sie unter seinen strengen Augenbrauen fragend ansah.

      „Keine Zeit, Bilmen. Wir müssen schnell zu Walt.“ Sie rannte weiter und riss ihn am Arm mit.

      „Was ist denn los?“, wollte er wissen, doch nur einen Moment später hörte sie ihn scharf nach Luft schnappen. Er hatte es gesehen. Sogleich hielt er mit ihr Schritt. Auch er erkannte die Gefahr.

      Die Kreuzer der ORION-Klasse waren eigentlich nicht sonderlich groß, wenn man bedachte, welches Ausmaß die riesigen Expeditionsschiffe oder gar die Kriegsschiffe einnahmen. War man jedoch auf der Flucht vor etwas, das einem schiere Angst einjagte, kam einem jeder Meter vor wie eine endlose Strecke, die kaum zu schaffen war.

      So musste es auch Bilmen Okan gehen, der nach nur wenigen gerannten Metern anfing zu schnaufen. Gella wusste, dass er falsch atmete und sich sicher in Kürze über Seitenstechen beschweren würde, doch Seitenstechen wäre bald das geringste Problem, mit dem sich der Professor herumschlagen musste.

      Mit einem unsanften Ruck schob sie ihn schließlich in den Lift, mit dem sie die Kommandozentrale erreichen wollten. Ihre Augen weiteten sich, als sie mit ansah, wie dieses Etwas, das sie verfolgte, sich immer mehr des Schiffs bemächtigte, das ihre einzige Überlebenschance auf diesem Planetoiden war.

      Gerade noch rechtzeitig schloss sich der Lift. Sie atmete auf und sah dabei zu Bilmen herüber, der sich wortlos, aber schweratmend die Seite hielt.

      Es dauerte nur einen Augenblick, bis sich der Lift wieder öffnete. Walt Kargon drehte sich von der Astroscheibe zum Lift. Offenbar wollte er irgendetwas sagen, doch Gella würgte ihn sofort ab.

      „In Deckung!“, fauchte sie und erreichte damit, dass sich Walt hinter die Astrogationskontrolle schwang. Gehetzt suchte sie sich eine gute Position hinter der Astroscheibe. Ihre blonden Haare klebten vor Schweiß an ihrer Kopfhaut, während sie versuchte, die beiden Lifts mit ihrem HM-6 Handlaser abwechselnd anzuvisieren. Ein Blick zur Seite verriet ihr, dass sich der Wissenschaftsoffizier Bilmen ebenfalls eine Deckung gesucht hatte.

      Hätten sie doch nur einen Bogen um diesen verfluchten Planeten gemacht! Ihre Gedanken rasten. Es hätte ein Routineflug werden sollen und der provisorisch eingebaute Beta-3 Stabilisator schien auch einwandfrei zu funktionieren, bis er dann völlig unerwartet seine Funktion einstellte und die JAGELLOVSK gezwungen war notzulanden.

      Vor ihrem geistigen Auge spielte sich die Szene nochmals in Sekundenschnelle ab.

      „Schlafende Energie, jetzt!“, hörte sie Commander Kargon blaffen. „Bremstriebwerke! Fay, wir brauchen dringend Ausgleichsschub, sonst zerschellen wir auf der Planetenoberfläche!“

      Die JAGELLOVSK trudelte beinahe unkontrollierbar auf die zerklüftete Oberfläche des Planeten zu. Die Besatzung wurde von einer Seite zur anderen geschleudert, Gegenstände schossen durch die Räume, als sich der Kreuzer immer mehr hochschaukelte. Die Anziehungskraft des Planeten sorgte dafür, dass die Bewegungen immer heftiger wurden und die Kräfte, die an dem Schiff zerrten, ließen Abdeckungen und Verbindungsstreben herunterkrachen oder zerreißen. Das Schiff drohte binnen weniger Augenblicke vollständig auseinanderzufallen, als Fayolas Stimme aus der Bordsprechanlage tönte: „Der verdammte Beta-3 setzt den ganzen Maschinenraum in Brand. Das Koppeln mit dem kaputten Beta-5 hilft auch nichts mehr. Wir müssen runter, sonst ist es aus mit uns!

      Liane, auf drei gibst du drei Sekunden Vorderschub auf Backbord und Gegenschub auf Steuerbord. Das wird mir hier alles wegbrennen, aber es ist unsere einzige Chance. Eins. Zwei.“

      „Warte!“, rief Kargon, doch da war es schon zu spät.

      Unbeirrbar zählte Fay bis drei und Liane führte ihre Anweisung ganz genau aus. Die Kräfte, die dabei auf das Schiff und alles darin wirkten, waren unbeschreiblich. Poul und Bilmen verloren das Bewusstsein, James, der Bordarzt, verletzte sich an herumfliegenden Operationswerkzeugen und selbst sie, Gella, hatte Mühe, den ungeheuren Kräften zu widerstehen, die auf die JAGELLOVSK einwirkten.

      Die Geräuschkulisse war beängstigend. Ein schweres, metallisches Stöhnen durchdrang das Schiff, so als ob die JAGELLOVSK aufgeben wollte. Für einen kurzen Augenblick zerrte die Angst an Gellas Herz, dass nun alles vorbei sein sollte. Dass das Raumschiff der ORION-Klasse auf diesem fernen Planeten ihr Ende finden und die gesamte Mannschaft unter sich begraben sollte.

      Im letzten Moment gelang es der Besatzung jedoch, das Schiff zu stabilisieren, den Schub abzubremsen und eine konstante Position einzunehmen. Etwas zu niedrig verglichen mit den Vorschriften des Landeprotokolls, doch hoch genug, um den Zentrallift auszufahren. Als dieser auf dem Boden aufsetzte, schob er die JAGELLOVSK noch ein Stück weiter hoch.

      Als Gella an das grausige Geräusch dachte, das sich daraufhin durch das Schiff quälte, wünschte sie sich nicht zum ersten Mal, dass sie den Planeten lieber nie angesteuert hätten. Die JAGELLOVSK drohte in diesem Moment auseinanderzubrechen. Als ob sie laut aufstöhnen würde, begann sie zu kippen, doch zum Glück wurde sie von einer Felswand aufgehalten. Krachend wurde die Bewegung des Schiffs gestoppt und die Besatzung konnte aufatmen.

      „Wenn es doch nur einen anderen Weg gegeben hätte“, murmelte sie und bemerkte erst einen Moment später, dass Bilmen sie fragend ansah.

      „Dieser schrottige Beta-3 Stabilisator“, schimpfte sie nun laut und war mit ihren Gedanken wieder in der Gegenwart. „Hält nicht mal einen Flug bis zur Basis aus.“

      Bilmen lächelte verlegen. „Wenigstens ist er nicht explodiert.“

      „Das nicht“, sagte sie und sah ihn mit zu Schlitzen verengten Augen an, ohne den HM-6 Handlaser sinken zu lassen. „Aber was immer da auch gleich durch den Lift herauskommen wird, lässt Sie vielleicht wünschen, dass Sie doch der schnelle Tod durch eine Explosion ereilt hätte.“

      „Sie sind aber sehr pessimistisch.“

      „Als Sicherheitsoffizier muss ich das sein“, entgegnete sie. Ein unbestimmtes Geräusch sorgte dafür, dass sie sich wieder auf die Lifttüren konzentrierte und den Handlaser nochmals ausrichtete.

      Wie für diese Schiffsklasse üblich, hatte auch die JAGELLOVSK zwei Aufzugröhren, in denen sich Liftkabinen nahezu geräuschlos durch das Schiff bewegten, um sämtliche Decks erreichen zu können. Nur durch ein kaum wahrnehmbares Geräusch wurde die Ankunft eines der beiden Aufzüge angekündigt. Es war aber kaum auszumachen, welcher von beiden es war. Von ihrer Position hinter der Aufhängung der Astroscheibe konnte sie nur hoffen, dass sich die Gefahr aus dem linken Lift in den Kommandostand begeben würde, da Bilmen und Walt hinter der Astrogationskonsole rechts von ihr Zuflucht gesucht hatten. Doch sicher konnte sie sich nicht sein, weswegen sie versuchte, ihren Handlaser so auszurichten, dass sie schnell zu beiden Aufzugtüren schwenken konnte.

      Ihr Puls beruhigte sich langsam, sodass sie sich stärker auf ihre Umgebung konzentrieren konnte.

      Beide Männer schienen ihre Anspannung zu bemerken und verhielten sich ruhig hinter der Konsole.

      Das Geräusch endete und es wurde still. Zu still für Gellas Empfinden. Es kam ihr vor wie die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm.

      Nur zwei Herzschläge später brach die Tür des rechten Lifts auf. Was sich dann in die Zentrale hineinbewegte, war kaum zu beschreiben. Ohne zu zögern gab Gella einen Feuerstoß aus ihrem HM-6 Handlaser ab. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie als Einzige bewaffnet war.

      Mit einem klirrenden Geräusch traf der Lichtstrahl auf das fremde Etwas. Es sah aus wie ein sich bewegender Fels. Dunkelgrau, zerklüftet, und aus seinem Inneren schimmerte ein orangenes Leuchten, das stark an die Farbe