Mirabella und die Neun Welten. Isabelle Pard. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Isabelle Pard
Издательство: Bookwire
Серия: Mirabella
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754172490
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und Mirabella schwebte zurück.

      Abends im Bett dachte Mirabella über all das nach, was Vesta ihr gesagt hatte. Erneut stellten sich ein Kribbeln im Bauch und schweißige Hände bei der Vorstellung ein, für den Schutz der Statue mitverantwortlich zu sein. Sie schloss die Augen und versuchte ihren Energieanteil auf Reisen zu schicken. Sie spürte die Verbindung zum Heiligtum, aber es gelang ihr nicht, ihren Geist, ihre göttliche Hälfte von ihrem Körper zu trennen. Erschöpft schlief sie ein.

      6 - DER HALBGÖTTER-STAMMTISCH

      „Aaahhh, auxilium! Non, noooonnnn…“ Voller Angst wachte Mirabella in ihrem Bett auf, starrte die Wand ihr gegenüber an, während sie sich aufsetzte und noch immer diese junge weibliche Stimme in ihrem Kopf hörte. Es war noch dunkel im Zimmer, die Beo-Familie schlief friedlich im nun geschlossenen Käfig, eine Vorsichtsmaßnahme wegen der Kleinen. Mirabella versuchte, sich an ihren Traum zu erinnern, aber sie fand keine Bilder, nur die Stimme eines jungen Mädchens, das um Hilfe schrie. Mirabella hatte erneut versucht, ihre göttliche Hälfte von ihrem Körper zu trennen und zum Vesta Tempel zu schicken, aber es war ihr wieder nicht gelungen, dann war sie eingeschlafen und hatte jene Stimme gehört, die ihr Gänsehaut bereitete.

      Es fröstelte sie leicht, Mirabella sank zurück auf ihr Kissen und zog sich die Bettdecke bis ans Kinn. Vielleicht war es doch keine gute Idee gewesen, Vestalin zu werden. Sie war froh, dass heute Nikolaos zu Besuch kommen würde. Er würde sie auf andere Gedanken bringen, morgen wollten Luk und Toni mit den beiden Halbgöttern Mirabellas Geburtstag nachfeiern. Seufzend schlief sie noch mal ein, traumlos, und wurde erst vom Klopfen an der Tür geweckt.

      „Mirabella, aufstehen, wir müssen zum Flughafen!“

      Da Nikolaos an Ostern bereits in München zu Besuch gewesen war, mussten sie dieses Mal kein touristisches Programm abarbeiten. Die Geschwister trafen sich oft mit Lukas und Antonia, gingen schwimmen, bladen oder spielten Tennis, unternahmen Radtouren und grillten an der Isar. Das Band zwischen Mirabella und Nikolaos schien eng wie eh und je, sie verstanden sich ohne Worte, tauschten still vergnügt ein Lächeln aus und doch spürte Mirabella, dass sich etwas geändert hatte. Sie hatte sich verändert. Nicht nur, dass in den Sommerferien ihre Tage erstmalig eingesetzt hatten und sie die berühmt-berüchtigte Pubertät nicht mehr länger leugnen konnte, stets begleitete sie das Bewusstsein, Vestalin zu sein. Eine gewisse Distanziertheit ergriff von ihr Besitz, oft war sie mit ihren Gedanken bei der Statue, dem Raub, der Stimme, die ihr immer wieder im Traum erschien, oder der Prophezeiung. Manchmal sah sie Nikolaos nachdenklich an, wenn er ins Gespräch mit ihren Freunden vertieft war, wie gerne hätte sie sich ihm anvertraut, aber sie wollte ihn mit ihren Sorgen nicht belasten, die Vestalin-Geschichte war ganz allein ihre Aufgabe, die sie selbst meistern musste. Jupiter hatte seinem Sohn andere Aufgaben zugewiesen.

      „Was macht eigentlich die Arbeit an dem Vertrag?“, fragte sie eines Tages, als sie am Frühstückstisch saßen. Ihre Adoptiveltern waren schon lange in der Arbeit.

      Nikolaos stöhnte. „Dieses Vertragswerk ist trockener als die Wüste Gobi. Zu einer Verhandlung kam es noch nicht. Ich hoffe, Jupiter hat noch Spannenderes für mich zu tun!“

      Mirabella lächelte leicht.

      „Und du? Hattest du schon einen Einsatz als Vestalin?“

      Mirabella schüttelte den Kopf. „Seit 1500 Jahren ist die zweite Statue sicher in der ‚Kammer des Schreckens‘, da wird so schnell keiner kommen.“

      „Hoffentlich! Der letzten Vestalin erging es ja nicht so gut…“

      „Woher weißt DU denn das?“, fragte Mirabella erstaunt.

      „Jupiter machte eine Bemerkung, er macht sich wohl Sorgen um dich.“

      „Hat er gesagt, wie sie gestorben ist?“

      „Wohl von Nyx zerfleischt, die Tür stand ja offen und die Statue war weg…“

      Mirabella nickte. „Ja, gruselig. Aber jetzt ist das ja fast uneinnehmbar.“

      „Pass trotzdem auf dich auf! Du kannst mich immer rufen!“

      Ein Lächeln entschlüpfte Mirabella. „Ja, großer Bruder, aber ich muss vor allem Vesta alarmieren.“

      „Natürlich, aber schadet ja nicht, mir auch Bescheid zu geben, falls es Probleme gibt.“

      „Das ist nicht deine Aufgabe, Nick!“

      „Das weiß ich, aber es ist meine Aufgabe, meine Schwester zu beschützen.“

      Mirabella verdrehte die Augen. „Die arme Olympia! Nein, also, mit dem darfst du nicht ins Kino!“

      „Ach, komm, du weißt, dass ich nicht so bin, außerdem ist das Aufgabe meiner Eltern. Ich dachte, wir passen auf einander auf?“

      „Wirst du mich rufen, wenn du in Gefahr bist?“, konterte Mirabella.

      Nikolaos lächelte ertappt. „Vielleicht nicht immer. Aber wenn ich eine Feuerwand brauche zum Beispiel…“

      „Okay, ich melde mich, wenn ich Suggestion brauche.“

      „Na, wenigstens.“ Er grinste ansteckend und Mirabellas Mundwinkel verzogen sich ebenfalls.

      Am frühen Abend war Ehemaligen-Treffen im Olymp. Die Klasse vom letzten Jahr hatte sich verabredet, um weitere gemeinsame Treffen und Aktivitäten zu besprechen. Die Trainingseinheiten mit Mars würden in zwei Wochen beginnen, regulärer Unterricht würde jedoch nicht mehr stattfinden. Als Nikolaos und Mirabella mit einer von Greta kreierten Blase eintrafen, saßen schon Delphine und Lorenzo auf dem Boden. Delphine schien sichtlich erfreut, Mirabella zu sehen. Lorenzo hatte einen Ruf als Flirter und Sprücheklopfer erworben und speziell Delphine war schnell von ihm genervt. Mirabella versuchte diese Seite von Lorenzo zu ignorieren, da sie ihn mittlerweile ein wenig zu schätzen gelernt hatte. Sein mit Intelligenz gepaarter Witz brachte sie oft zum Lachen und er war durchaus einfühlsamer als sein oft oberflächliches Geschwätz vermuten ließ. Er ähnelte äußerlich seinem Vater Apoll, dem schönen Gott der Künste und der Medizin mit vollendetem Körper, strahlend blauen Augen und blonden Locken, nach Lorenzos Surf-Urlaub unterstrich die gebräunte Haut seine hellen, von der Sonne ausgebleichten Haare. Mirabella fand zwar Nikolaos‘ dunkelbraune Locken schöner, aber sie konnte nachvollziehen, dass Terra an dem Jüngling Gefallen gefunden hatte. Sie war schon sehr gespannt, ob die beiden miteinander gingen oder die Knutscherei bei der Aufnahmefeier eine einmalige Sache war.

      Delphine umarmte Mirabella zur Begrüßung, die ihre neue Muschelkette von Delphine trug. Das blonde Mädchen trug ebenfalls eine Muschelkette und einen Armreif ihres Vaters Neptun, der Mirabellas Aufmerksamkeit erregte. Nikolaos nickte Delphine freundlich zu und fragte Lorenzo nach seinem Surf-Urlaub, als Leon, der Sohn des Vulcanus, auftauchte. Vulcanus, der Gott der Schmiedekunst, war ein Sohn des Ehepaares Jupiter und Juno, und Bruder des Mars. Vulcanus war von Geburt an leicht behindert, was sich darin zeigte, dass er nur bei sehr hohen Temperaturen, wie in seiner Werkstatt, formwandeln konnte. Auf der Erde oder in den anderen Zwischenwelten war er auf seine Energieform angewiesen. Er spendete seinen Samen, damit das kinderlose Vulkanologenpaar Leon empfangen konnte. Vulcanus war mit Venus einst vereinigt gewesen, die ihn jedoch für Mars verlassen hatte, was die Bruderliebe nicht gerade förderte.

      Leon war wie sein Vater von ausgeglichener und gütiger Natur, sein Körper war stämmiger als der der anderen Halbgötter, die athletischer wirkten, Haare und Augen waren dunkel. Er hatte etwas von einem Bären. Sie stand auf und umarmte Leon zur Begrüßung, er drückte sie freundschaftlich zurück. Er war schwer verliebt in Delphine gewesen und hatte Mirabella sein Leid geklagt. Zu Mirabellas Bedauern hatte Delphine jedoch einen Meerjungen zum Freund gewählt. Leon begrüßte Delphine mit einem Nicken, Mirabella bemerkte ein ganz leichtes Erröten, dann wandte er sich den Jungen zu. Plötzlich stand jedoch Lorenzo vor ihr. „Und ich werde als einziger nicht umarmt, bella Mira?“ Dieses Wortspiel mit ihrem Namen liebte er.

      „Womit hast du das verdient?“, konterte Mirabella frech, die merkte,