Der Oger fing an zu wanken. Mauran würde bei weitem zu langsam sein. Klai fand einen weiteren Grund zum Winseln. Er weinte mit aufgerissenen Augen vor Schmerz und ob der Gewissheit, dass der Oger auf ihn fallen würde.
Der Oger fiel. Im gleichen Moment rammte ihn Zrak mit aller Gewalt, der er mächtig war, mit seinem ganzen Körper, die linke Schulter voran.
Fast gleichzeitig spritzte der Matsch zweimal neben Klai auf. Der tote Oger ging schwer links von ihm nieder, und der Minotaur lag ein wenig rechts auf dem Rücken und rang nach Atem. Zrak kämpfte um seine Besinnung.
Es wurde still. Klai lag leise wimmernd in seinem Blut. Zrak bewegte sich kaum mehr als Brube, welcher gar nicht zu atmen schien.
Mauran sank auf die Knie. Das alles war zu viel für ihn. Seine Kameraden blickte er nur kurz an, dann begrub er die Hände im Schlamm und weinte. Die Nacht legte sich wie ein Leichentuch über das tote Land. So, als wolle es versuchen, dies Leid zu verbergen.
Irgendwann, körperlich überfordert und mental getroffen, schluchzte Mauran kaum hörbar, verloren zwischen Tränen und Dreck: „Wir ... haben ... wir haben den Sieg errungen …“
Naars Auge
Kapitel 3
Meisterlich war angespannt, wie immer, wenngleich ein Hoffnungsschimmer in ihm keimte. Naars Auge und die erste der drei zu überquerenden Schluchten lag nun in Sichtweite. Sollte er bei deren Überquerung nicht um Gold und Leben kommen, würde er es wohl schaffen, seine Heimat zu erreichen und einen glücklichen Lebensabend zu verbringen. Der Fuhrweg lag ungepflegt und steinig vor ihnen, die gewaltige Schlucht immer noch zu ihrer Rechten. Das Land um das Zentrum der Welt war öde und leblos. Matsch und das damit verbundene Klatschen der Stiefel, waren immer noch die treusten Begleiter der Männer.
Die freundliche Mittagssonne und die Gedanken an seine Familie, wärmten das Herz des alten Händlers. Er dachte an seine Frau und an die beiden Töchter, die sie ihm geschenkt hatte. Sie waren beide schon erwachsen. Wirklich gute Töchter. Die ältere hatte ihn bereits zum Großvater gemacht und er freute sich, seinen kleinen Enkel in den Arm zu nehmen, so er es nach Hause schaffen würde.
Die Stimmung der Söldner war der des Händlers ähnlich, jedoch gedrückt durch den Gedanken an die Verwundeten in ihren Reihen. Klai wurde auf einer Bahre transportiert, abwechselnd getragen von jedem einzelnen der Mannen, abgesehen von Thef und Garantor selbst. Klai hatte die Nacht nur schwer überstanden und lag im Schüttelfrost. Der alte Brand verstand viel von Kräutern und Pflanzen sowie vom richtigen Umgang mit ihnen. Ständig schweiften seine Augen auf der Suche nach frischem Grün umher, aber in dieser Ödnis wuchs nichts, das Linderung schenken konnte. So lag Klai da, in blutgetränkte Verbände gewickelt, mit verdrehten Augen und klappernden Zähnen. Man konnte nichts für ihn tun.
Brube war gegen Morgengrauen aus seiner Bewusstlosigkeit erwacht. Halb geistesabwesend hatte er nach seiner Hellebarde gebrüllt. Er müsse noch den Oger schlachten, lamentierte er mehrmals. Schon bald jedoch verließen ihn die Nebel in seinem Geist, um Platz für unerträgliche Kopfschmerzen zu machen. Der Hüne war damit beschäftigt zu murren, seine Schläfen zu reiben und den Kameraden zu folgen.
Zraks rechter Arm war immer noch geschwollen und weitgehend gefühllos. Er schnaubte ab und zu seinen Schmerz durch seine zusammengebissenen Zähne in die Welt. Davon abgesehen, befand er sich jedoch in einer guten Verfassung.
Garantor bildete mit Cebrid und Mauran Falkenflug die Spitze der Truppe. Mauran hatte berichtet, was sich zugetragen hatte. Schon seit geraumer Zeit diskutierten der Söldnerführer und seine Flügelführer über das Geschehene. Garantors linke Hand befand sich in seinem Bart, wo sie mit immergleichen Bewegungen das Kinn massierte. Cebrid sprach gerade über das unnatürliche Verhalten des Ogers. Seine schwere Rüstung knarrte währenddessen ununterbrochen. Der massive Zweihänder rieb auf seinem Rücken am schweren Plattenpanzer und unter seinem Stahlhelm zog die ansonsten glatte Stirn Furchen.
Nachdem Cebrid geendet hatte ergriff Mauran das Wort: „Und ich sage euch, dieser Oger war kein schlichter Späher. Geschult schien er mir. Instruiert. Ja gar bewandert in taktischer Vorgehensweise!“
Garantors Geduldsfaden riss, und das nicht zum ersten Mal im Zuge dieser Diskussion. „Niemals! Das glaub ich einfach nicht.“ Seine Rechte vollführte eine wegwerfende Geste in der Luft, während seine Linke immer noch fest in seinem Bart verankert schien.
„Wenn ich es euch sage“, begann Mauran und sprach schnell weiter. „Zrak fand sich kaum in der Lage, das Untier in Rage zu versetzen. Im Kampf selbst, konnten wir den Oger nicht einkreisen. Er wich nach hinten aus und warf sich dann gegen mich, obwohl ich weit zu seiner Linken stand. Den fernsten Gegner stellte ich!“
Durch das Ballen seiner sehnigen Fäuste, verlieh er seinen Worten Nachdruck. Weder Cebrid noch Garantor fielen ihm ins Wort, so sprach er weiter. „Ich schwöre euch: mein alter Lehrmeister, Meister Geb, begann auch bei mir die grundlegenden Regeln der Kampftaktik mit derlei Lehren. Er mahnte mich, den Rücken frei zu halten, überraschende Angriffe zu führen, wenn möglich auf jenen, welcher die Rede, welcher den Kampf anführt.“
Fragend blickte Cebrid Mauran ins Gesicht. Der bemerkte es und erklärte in bestimmtem Ton: „Der Oger hat die Situation eingeschätzt, Überlegungen angestellt und Entscheidungen getroffen. Ich kenne nicht die Gesichtspunkte, nach denen er dies tat, aber ich versichere euch, er hat es getan.“
Die Diskussion währte noch lange. Dies bedeutete aber nicht, dass sie Früchte trug.
Der alte Brand gesellte sich zu Zrak, nachdem er eine Weile an der Seite des zitternden an Klai verbracht hatte. „Geht’s dir gut Zrak?“, fragte er mit nachdenklicher Stimme.
„Macht es einen Unterschied?“, antwortete Zrak trocken.
Leise lachte Brand, und strich sich mit beiden Händen die halblangen, grau melierten Haare aus dem Gesicht hinter seinen Nacken. „Wieso lache ich eigentlich? ...“ sprach er dann weiter, leise, mehr zu sich, als zu sonst jemandem. Die kugelrunden, gelben Augen des Stiermenschen blickten auf Brand, als er antwortete: „Ich wüsste, was ich mit jemandem meines Volkes tun würde, wäre er in dieser Situation.“
Stille herrschte. Brands buschige Augenbrauen zogen sich zusammen. Was wollte der Minotaur ihm sagen? Zrak fügte kein Wort hinzu. Ganz im Gegenteil. Gleichmütig lag sein Blick auf dem alten Waldläufer. Geduldig, aber nicht gleichgültig.
„Er wird sterben ... es gibt keine Hoffnung ...“ Brand war sich nicht sicher, warum er seine Gedanken einfach so offenbarte. Er war sich noch nicht einmal sicher, ob der Minotaur über das gleiche sprach, wie er selbst.
Zrak nickte bestimmt. „So ist es. Wie jeder andere auch, wird er sterben. Seine Zeit ist gekommen, so wie unsere kommen wird. So oder anders, heute oder morgen …“
Wütend antwortete Brand: „Pahh! Bist du ´n Priester oder ´n Stier, dass du solche Sprüche von dir gibst?“
Mit fester Stimme und ohne Emotionen antwortete der Befragte: „Weder noch, mein Freund. Du missverstehst meine Worte. Mir liegt es fern, dich zu beleidigen oder zu belehren. Du solltest wissen, dass wir Minotauren die Dinge anders sehen, als ihr Menschen.“
Brand spuckte aus, und versuchte zu verstehen, was der Gehörnte ihm zu sagen versuchte.
Derweil sprach Zrak weiter: „Jeder stirbt, aber kaum einer, einen so guten Tod wie Klai.“
„Stimmt“, keuchte Brand voller fassungsloser Entrüstung. „Ich würde mich auch freuen, tagelang mit aufgerissenem Bauch auf den Tod zu warten.“
Geduldig schüttelte Zrak seinen Schädel, wobei die schmale