Sommer des Zorns. Roberta C. Keil. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roberta C. Keil
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738099591
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Sein Hotel…

      Ich küsste ihn. Kurz. Brachte ihn damit zum Schweigen. Zumindest für eine halbe Minute. Das hatte ich mich damals bei Frank noch nicht getraut. Mir fehlte einfach die Erfahrung. Ich lauschte seiner angenehm weichen Stimme und ließ mich von ihr durch den Abend tragen. Wir sahen uns am nächsten Tag in einer Vorlesung über die ökologische Bewirtschaftung von Feldern in trockenen Regionen wieder. Ich hielt es für einen Hinweis des Schicksals, als er sich, ein paar Minuten zu spät, auf den Sitz neben mir gleiten ließ und mich anlächelte. Zuerst nur freundlich und dann freudig erstaunt.

      Jetzt war ich erstaunt, wie weich und gefällig Davids Lippen waren. Wie leicht sie auf mich eingingen, erwartet hatten, was ich tat.

      „Okay, ich habe verstanden!“, sagte er dicht an meinem Ohr und jagte mir einen Schauer über den Rücken. Mein Blick tauchte in den dunklen Samt seiner Augen ein. „Du willst dich nur amüsieren.“, sagte er dann leise und zog mich fester an sich. Ich hatte ihm ein Signal gegeben und er ging darauf ein. Ein warmes Gefühl durchflutete mich. Das war es, was ich haben wollte. Diese Wärme, diese Nähe eines attraktiven Mannes spüren. Etwas, was mir sehr fehlte, seit Frank… - Nein! Nur nicht mehr an Frank denken, jetzt. Ich konzentrierte mich auf die braunen Augen, die im Moment versuchten, meine zu ergründen. Dunkel und unergründlich erschienen sie mir. Ich blendete die Vergangenheit aus und küsste ihn noch einmal, während wir uns in einen engen Blues fallen ließen.

      „Lass uns gehen!“ Er forderte nach einer Weile und seine Stimme klang rau. Ich senkte den Kopf und sah ihn von unten herauf an.

      „Sicher?“

      Er nickte. „Absolut sicher!“

      Sein Hotel befand sich in der Nähe. Auf dem Weg dorthin nutzten wir jede Nische der Häuserfluchten, um wilde Küsse auszutauschen. Sie ließen nur schwach erahnen, was uns erwartete.

      David öffnete seine Zimmertür und kaum hatte sie sich hinter uns geschlossen, begann er fast schon hektisch, mich zu entkleiden.

      „Stopp, mein Lieber!“ Ich fasste seine Handgelenke und schob ihn etwas zurück. „Ich mag es, wenn wir es langsam angehen.“

      Er holte tief Luft und warf einen verzweifelten Blick zur Decke, bevor das Lächeln in sein Gesicht zurückkehrte. Dann küsste er meine Hände.

      „Okay, Baby, entschuldige bitte, aber du bist so heiß, dass ich glatt meinen Anstand vergessen habe.“

      Ich lächelte ihn an. „Schon okay. Lass mich für einen Moment ins Bad, ja?“

      Wenn er jetzt keine Abwechslung bekam, war mein Abend in zehn Minuten zu Ende und danach stand mir nicht der Sinn. Ich küsste ihn zur Entschädigung und schubste ihn dann sanft weg und begab mich in das kleine Bad und schloss die Tür hinter mir.

      Innen atmete ich erst tief durch. Mein Blick begegnete mir im Spiegel. Ich wich ihm nicht aus. Ich konnte mir noch in die Augen schauen, auch wenn das, was ich hier gerade tat, vielleicht verwerflich war. Zumindest würde mein Vater das so bezeichnen, wenn er es wüsste. Aber ich musste für einen Moment lang das Gefühl haben, zu leben, begehrenswert zu sein. Eine Anerkennung, die ich auf der Ranch nicht bekam, seit Frank… Nach seinem Tod hatte ich versucht, mir diese Bestätigung durch meine Ausflüge nach Phoenix zu verschaffen. Und manchmal endete es wie heute, in diesen Hotelzimmern, mit den Davids, die die Stadt mir bot. Nicht immer, nicht jedes Mal. Aber heute.

      Mit kaltem Wasser kühlte ich mir die Handgelenke. Dann kontrollierte ich mein Make-Up und hoffte, dass David sich jetzt etwas entspannt hatte. Ich öffnete an meiner Bluse einen Knopf mehr und schob meinen kurzen Stretch-Rock ein wenig höher, zog meine Boots aus. Dann verließ ich das Bad.

      Er telefonierte. Er gab mir ein kurzes Zeichen, aber ich war schon dabei, meine Schuhe wieder anzuziehen. Und er verstand mein Signal sofort.

      „Hörzu, wir müssen das morgen klären. Ich habe noch einen Termin und muss jetzt Schluss machen!“, erklärte er der Gegenseite.

      Ich hatte die Tür schon erreicht und öffnete sie einen Spalt, als er sie von hinten wieder zudrückte.

      „Hey! Du wirst doch nicht so ungeduldig sein.“ Er lehnte jetzt auch den zweiten Arm gegen die Tür und schloss mich damit zwischen ihnen ein. Sein fragender Blick traf mich. „Oder magst du nicht mehr?“

      „Ich dachte, du hättest das Interesse verloren.“

      Er lächelte und küsste mich leicht am Hals. Ich spürte seinen Atem auf meiner Haut. Fühlte das leichte Prickeln auf meinem Körper, das sich ausbreitete, je öfter seine Lippen ihn berührten.

      „Wie könnte ich bei einer so schönen Frau das Interesse verlieren? – Ich schalte mein Telefon jetzt aus. – Keine Störung mehr, okay?“

      „Okay.“ Ich legte meine Arme um seinen Hals und ließ mich in einen langen Kuss fallen. Ich wollte meine Boots abstreifen. Doch er drehte mich leicht herum und stieß mich sanft Richtung Bett.

      „Lass sie ruhig an. Finde ich besser!“

      Er zog mich an sich. Sein Kuss war von Verlangen geprägt und er presste meinen Unterleib gegen seinen. Ich spürte seine Erregung und schloss für einen Moment die Augen, um zu genießen, wie sie sich auf meinen Körper übertrug. Ich atmete tief ein.

      „Zieh mich bitte aus!“, befahl er leise. „Aber langsam!“ Seine höfliche Art gefiel mir und ich gehorchte. Langsam öffnete ich einen Knopf nach dem Anderen seines Hemdes. Ich erhaschte einen Blick auf sein Sixpack, das Tattoo auf der Brust. Ich ließ meine Finger zart darüber gleiten, malte die Schrift nach. Unsere Blicke verschlangen einander. Er küsste mich, wir ließen uns fallen. Ja, ich wollte diesen Körper, spürte seine Muskeln nach, als ich das Hemd über seine Schultern abstreifte und dabei meine Hände über seine Oberarme gleiten ließ. Ich wollte diesen Mann, jetzt!

      Es dämmerte bereits, als ich mich vorsichtig aus seinen Armen befreite. Für einen Moment verweilte mein Blick an seinen gepflegten Händen. Ich dachte daran, wie sie in der Nacht weich und feinfühlig meinen Körper erforscht hatten. Leise raffte ich meine Sachen zusammen, sah die Visitenkarte auf dem Nachtschrank liegen, griff danach und schlich mich ins Bad. Lauschte kurz seinen regelmäßigen Atemzügen. Um keinen Preis der Welt wollte ich ihn wecken. Kein Abschied, keine leeren Versprechungen von einem möglichen Wiedersehen. Auch wenn mir die Nacht gefallen hatte, ich wollte ihn nicht noch einmal treffen.

      Wenig später zog ich vorsichtig die Tür seines Hotelzimmers ins Schloss, hoffend, danach von innen kein Geräusch zu hören. Erst als ich auf der Straße vom kühlen Nachtwind umfangen wurde, atmete ich auf. Leichten Schrittes lief ich zum Parkplatz des ‚Char‘s‘ zurück, um nach Hause zu fahren.

      David war Vergangenheit. Ich erreichte meinen Wagen.

      „Hallo Schönheit!“

      Vor Schreck fiel mir der Autoschlüssel aus der Hand, gerade als ich ihn ins Schloss der Fahrertür stecken wollte. Ich wandte mich langsam um. Diese Stimme kannte ich. Sie gehörte zu dem halslosen Kopf mit schütterem Haar. Zu den rötlichen Wangen, die auf einen erhöhten Blutdruck hinwiesen und den wässrigen blassblauen Augen. Dem Angestellten unserer Bank in Prescott. Ich lächelte verlegen.

      „Hallo.“

      „Na? Eine gute Nacht gehabt?“

      „Kann ich helfen?“ Ich hatte ihn in unserer Bank nur kurz gesehen und gehofft, dass er mich nicht entdeckt hatte. An seinen Namen erinnerte ich mich gerade nicht, aber er war einer der Männer gewesen, die ich an einem dieser Abende im Char‘s getroffen hatte und abblitzen ließ. Er glich einem Frosch. Und ich hatte nicht einmal mit ihm getanzt. Warum lauerte er mir jetzt hier auf?

      „Ich bin froh, dass ich dich noch mal hier treffe. Ich dachte schon, ich würde dich nie wiedersehen“, sagte er.

      Ich lachte leicht.

      „Ich bin immer wieder einmal hier.“

      „Ja, Springfield, das weiß ich inzwischen auch.“

      Das er meinen Namen kannte, traf mich! Er wusste, wer ich war!