Sommer des Zorns. Roberta C. Keil. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roberta C. Keil
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738099591
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Studium mit meinem Wissen anfangen und wo ich es einsetzen würde. Ich lächelte nur und sagte ihm, ich träume von einer Ranch in Arizona. Sicher vergaß ich dabei zu erwähnen, dass es diese Ranch längst gab. Und er nahm an, ich wolle dazu erst ein Stück Land kaufen. Ach, mein lieber Frank. Wir hatten danach einfach nicht mehr darüber gesprochen. Bis zu diesem Tag, als er mich das erste Mal zu Hause besuchte.

      „Endlich ist der Regen da! Wurde auch Zeit!“ Mit seinen Worten holte Jack mich in die Gegenwart zurück. Ich wandte mich nicht zu ihm um, weil er sich auch so meiner Aufmerksamkeit bewusst war.

      „Hoffentlich zerstört er nicht den jungen Weizen.“

      Die Saat war gerade erst zart gewachsen und wir hatten es vor zwei Jahren erleben müssen, als in dem Sommer, in dem Frank starb, ein Unwetter mit Sturm und Starkregen, fast ein Drittel unserer Ernte zerstörte.

      Jack trat neben mich, schüttelte bedächtig den Kopf und nahm einen Zug aus seiner Pfeife. Ich liebte den süßlichen Geruch seines Tabaks. Erinnerte er mich an meine Kindheit. Die langen Winterabende, die wir am Kamin verbrachten und Großvaters Geschichten lauschten, Jack Junior mit einem Lächeln, das seine Mundwinkel umspielte und ich mit großen Augen, die ich oft mühsam offen hielt, damit niemand merkte, wie müde ich war.

      „Ich denke, so schlimm wird es dieses Mal nicht werden. Kannst du morgen früh zur Bank fahren?“

      „Was gibt es zu erledigen?“ Meine Buchhaltungs-angelegenheiten waren vollständig durchgeführt.

      „Ich habe da noch eine Rechnung offen. Aber das ist ein Spezialfall. Vielleicht sollte ich das doch lieber selbst klären.“

      Er sog nachdenklich an seiner Pfeife und ich legte meine Stirn in Falten. Rechnungen, von denen ich nichts wusste, warfen Fragen bei mir auf. Aber wenn Jack nicht mehr dazu sagen wollte, würde er mir die Antwort schuldig bleiben. Also fragte ich nicht nach.

      Ich hörte, wie sich die Haustür öffnete und schloss, erkannte Aiden am Schritt. So vertraut, wie mir auch seine ständige Anwesenheit war.

      „Halleluja, es regnet. Und das nicht mal zu knapp!“

      Er lachte und schüttelte die Regentropfen aus seinem langen schwarzen Haar.

      „Ja, das alljährliche Aprilunwetter. Sind die Rohre zu den Zisternen in Ordnung?“

      „Ja, Sir! Das haben wir letzte Woche alles überprüft.“

      Jack nickte wohlwollend. Aiden war unser zuverlässigster Mitarbeiter. Er hatte immer den Blick für das Ganze und arbeitete mit viel Voraussicht. Wir schätzten das sehr.

      „Sehr schön, mein Junge. Sehr schön.“

      „Jacky, fährst du morgen in die Stadt?“

      „Ja!“ „Ich fahre!“

      Jack sprach es gleichzeitig mit mir aus. Mein Blick ruhte auf ihm. Warum wollte er diese Angelegenheit unbedingt selbst erledigen? Ich gab mich geschlagen und deutete mit der offenen Hand auf Jack.

      „Er fährt!“

      „Wir brauchen noch Dachrinnenmaterial. In der Personalunterkunft ist eine Rinne undicht und wir sollten Ersatzmaterial auf Lager legen.“

      Jack plante einen Besuch bei Farmers Grocers ein, um das Material zu beschaffen.

      Aiden sah mich an.

      „Jacky, kontrollierst du dann morgen mit mir die Weiden?“

      Ich nickte leicht. Mit Aiden die Weiden zu überprüfen, war eine meiner Lieblingsbeschäftigungen. Wir waren gemeinsam hier aufgewachsen.

      Seine Mutter Waleah, eine Indianerin, arbeitete schon früh für meinen Vater im Haushalt und Aidens Vater Michael, ein Ire, war schon bei meinem Großvater Cowboy gewesen. Aiden hatte das indianische Aussehen seiner Mutter geerbt und sie hatte ihm sehr viel über ihre Kultur vermittelt. Von seiner irischen Abstammung waren seine Fähigkeiten als Cowboy und Vorarbeiter übriggeblieben. Wer ihn nicht kannte, zählte ihn eher zu den Indianern, als seine irische Abstammung zu vermuten, da er sein pechschwarzes Haar lang trug, mit Stolz auf seinen Ursprung.

      Waleah trug jetzt das Abendessen auf. Ich ging ihr dabei zur Hand. Es hatte sich seit Ewigkeiten eingebürgert, dass wir gemeinsam mit Waleah und Aiden unser Essen einnahmen. Und waren auf diese Art ein Stück zur Familie zusammengewachsen.

      Aiden setzte sich auf den Platz mir gegenüber. Er war ein stiller Typ, der als Kind für jeden Streich zu haben war. Sein Einfallsreichtum kannte keine Grenzen. Mit dem Erwachsenwerden lehrte seine Mutter ihn die Vernunft. In ihrer Kultur war es wichtig, dass die jungen Männer mit zunehmender Reife auch lernten, weise Entscheidungen zu treffen. Aiden verfügte schon früh über ein Verantwortungsbewusstsein, das seinesgleichen suchen musste. Der Tod seines Vaters verwandelte ihn in einen ernsten jungen Mann, der sich selbst sehr gut kontrollieren konnte. Trotz allem verhielt er sich immer freundlich und gut gelaunt. Dass er mich mitnahm, um die Weiden zu kontrollieren, hatte den Sinn, mich von meinen deprimierenden Gedanken um Franks Tod abzuhalten. Jedenfalls vermutete ich das. Er hätte diese Arbeit auch mit jedem unserer Cowboys durchführen können.

      Das erste Mal bat er mich um meine Begleitung, kurz nachdem der Unfall geschehen war. Damals folgte ich ihm wie ein Geist, ohne im Entferntesten etwas zu meiner Aufgabe beizusteuern. Ich sah nur die Orte, an denen ich mit Frank gewesen war und versuchte, mich an unsere Erlebnisse zu erinnern.

      Aber Aiden schwieg zu meiner Untätigkeit. Seine Mutter hatte ihm viel über den Tod erklärt, als Michael starb. Damals hatten wir oft am Fluss gesessen und er hatte mir von diesen Dingen erzählt. Waleahs Ansichten über den Tod wichen stark von meinen ab. Sie war als Tochter eines Schamanen aufgewachsen, während mein Großvater mich christlich erzogen hatte, noch heute besuchten Jack und ich manchmal den Gottesdienst der Baptistenkirche in der Stadt.

      Wenn wir Zäune kontrollierten sprach Aiden manchmal davon, was seine Mutter ihm vermittelt hatte. Ich schwieg dazu, diskutierte unsere Unterschiede nicht aus. Doch seine Stimme zu hören, war wie ein Streicheln meiner verletzten Seele. Weich und ruhig flossen die Worte dahin, und sein dunkler Tonfall brannte sich in mein Herz.

      Es machte für mich keinen Unterschied, wo Frank jetzt nach seinem Tod verweilte, er war gegangen und somit nicht mehr bei mir. Und wie ich damit leben sollte, schien mir damals ein unlösbares Problem.

      Ich fragte mich, ob der Schmerz darüber abends allein im Bett zu liegen jemals aufhören würde? Ich konnte mir kaum vorstellen, jemandem zu begegnen, der diese Lücke wieder füllte. Diesen Menschen gab es nicht, da war ich sicher. Frank fehlte mir so sehr. Es gab keine Stunde, in der ich nicht etwas bemerkte, was ich jetzt mit ihm besprochen oder getan hätte. Ich sehnte mich nach seinen Berührungen, seinen zärtlichen Worten und den Spielereien, die wir beide so geliebt hatten. Ja, ich vermisste ihn an jedem Tag mehrere hundert Male. Und dafür fand ich keine Lösung. Nur Tränen. Lange Zeit.

      „Du isst nicht viel, Kind!“ Waleah unterbrach meine Gedankengänge. Jack und Aiden sprachen über die Ernte. Ich hatte ihnen nicht zugehört. Jetzt schaute ich Waleah an und rang mir ein Lächeln ab. Ich hatte kaum Hunger.

      Stattdessen merkte ich, wie die Trauer immer mehr Raum in mir gewann. Und so traf ich meine Entscheidung, die ich häufig dann traf, wenn ich so empfand.

      „Ich muss noch weg.“ Ich erhob mich und gab Jack einen versöhnlichen Kuss auf die Wange, verließ den Esstisch, ohne abzuwarten, ob er wissen wollte, wo ich hingehen würde.

      In meinem Bad duschte ich, schminkte mich, steckte mir die Haare hoch, ging in mein Zimmer und zog mir die Kleidung an, die ich gerne an solchen Abenden trug.

      Ich prüfte mein Aussehen in dem großen Standspiegel. Wenn ich mein blondes Haar hochsteckte, sah man die Locken besser, als wenn ich es offen trug. Ein prüfender Blick glitt über meine Figur. Die Arbeit hielt mich schlank. So konnte ich auf Diäten verzichten, um keinen Speck anzusetzen. Ich drehte mich etwas. Der schwarze Minirock saß wie angegossen, betonte meine Rundungen. Und die helle Westernbluse betonte die Rundungen meines Oberkörpers und meine schlanke Taille. Was ich sah, gefiel mir. Dennoch achtete ich darauf,