Katakomben. Mark Prayon. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Mark Prayon
Издательство: Bookwire
Серия: Kommissar van den Berg
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754170793
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richtig?“ „Schon möglich“, wich van den Berg aus. Er kramte nach dem Foto von Catherine Bouvier in seiner Jackentasche. „Kennen sie die?“ Die Frau studierte das Foto und schüttelte den Kopf. „So eine Süße wäre mir bestimmt aufgefallen.“ Wie viele der Frauen hatten noch engeren Kontakt zu Dorothee?“ „Wie soll ich das noch wissen? Das ist lange her!“ „Wussten sie, dass das Mädchen minderjährig war?“ Die Nutte zuckte ungläubig mit den Schultern. „Glauben sie, ich lasse mir von den Mädels die Ausweise zeigen?“

      Van den Berg fuhr zurück ins Kommissariat, Eric Deflandre blieb im Bahnhofsviertel. „Ich will morgen früh alle Frauen, die mit Dorothee in Kontakt standen, im Büro sitzen haben, okay?“ „Ich tue mein Bestes!“ gab Deflandre zurück.

      4

      Van den Berg schossen die Namen durch den Kopf, die Freddy De Breuyn seinem Rechner entlockt hatte: Thierry Muller und Yves Grangé. Er rief Nicole an - die beiden entschieden, sich in einer halben Stunde im Präsidium zu treffen. Van den Berg hoffte, dass die beiden Männer sie auf die richtige Spur führen würden. Sie hatten herzlich wenig in der Hand – das musste sich schnell ändern. „Wir fahren sofort los“, begrüßte er die Psychologin, die ganz in Schwarz gekleidet war.

      Die beiden Vorbestraften waren ordnungsgemäß gemeldet. De Breuyn hatte allerdings vergeblich versucht, die Telefonnummern der verurteilten Mörder herauszubekommen. „Wir fahren erst zu Muller“, sagte van den Berg im Befehlston. Nicole lächelte charmant. „Warum nicht?“ Sie fuhren in hohem Tempo in Richtung Norden, nach Schaerbeek.

      Die Kommune hatte sich in den letzten Jahrzehnten zu einem reinen Einwandererstadtteil entwickelt. Gewalt und Kriminalität gehörten zum Alltag im größten Brüsseler Bezirk. Sie bogen in die Rue Dupont ein, einer schmuddeligen Straße, deren bessere Zeiten lange zurücklagen. „Da muss es sein“, rief Deflandre.

      Die beiden Polizisten sprangen ungeduldig aus dem Wagen. Van den Berg näherte sich der unscheinbaren Eingangstür mit gezogener Waffe. Das Namensschild am Briefkasten bestätigte, dass sie an der richtigen Adresse waren. Nicole kauerte lässig im Rücken ihres Kollegen. Van den Berg tippte vorsichtig auf die Klingel. Nichts rührte sich in dem Haus, das grau und unauffällig wirkte und sich in nichts von den Nachbargebäuden unterschied. Sie schellten erneut. Wieder kam keine Reaktion. Beim dritten Versuch vernahmen sie ein dumpfes Rumpeln aus dem Innern des Hauses. Dann war es wieder still.

      Van den Berg überlegte kurz, ob er Verstärkung anfordern sollte. Im gleichen Moment schlug etwas von innen an die Tür. Die beiden wurden nervös, van den Berg entsicherte blitzschnell seine Waffe. Die Tür öffnete sich langsam. Vor ihnen stand ein etwa 50-jähriger Mann. Er trug einen weißen Bademantel, er war unrasiert und seine glasigen Augen blickten aus tiefen Augenhöhlen. „Was gibt´s?“, nuschelte die Gestalt. „Sind sie Thierry Muller?“ „Wer will das wissen?“ Van den Berg zog hastig den Dienstausweis aus seiner Innentasche.

      Die Polizisten folgten dem Mann ins Wohnzimmer. Ein mächtiger Eichentisch stand am Ende des Raumes, an den Wänden hingen Reproduktionen von Werken aus der Zeit des Expressionismus. „Herr Muller, wo waren sie gestern und vorgestern?“, fragte van den Berg knapp. Nicole beobachtete den Mann konzentriert, während er seine Stirn in Falten zog und nachdachte. „Ich war zu Hause.“ „Was denn, die ganze Zeit? Arbeiten sie nicht?“ „Ich bin krank. Ich leide unter Pfeifferschem Drüsenfieber.“

      Van den Berg musterte den Mann skeptisch. „Kann jemand bezeugen, dass sie die letzten Tage hier waren?“ Nein, ich lebe allein.“ Van den Berg warf Nicole einen fragenden Blick zu. Der Blick der Psychologin verriet, dass sie Muller bereits durchschaut hatte. Dieser schwächliche Typ sollte die Mädchen zu den Kirchen geschleppt haben? Das konnte sie sich schwerlich vorstellen. „Ich nehme an, sie sind in ärztlicher Behandlung?“, fragte van den Berg. Muller nickte und schrieb die Telefonnummer seines Docs auf einen Zettel. „Wir werden das überprüfen.“ „Worum geht es hier eigentlich? Von welcher Abteilung sind sie?“ „Wir ermitteln in einem Mordfall. Sie lesen wohl keine Zeitung?“

      Muller machte Anstalten zu protestieren. „Unser Besuch ist reine Routine“, beruhigte ihn van den Berg. Die Polizisten verabschiedeten sich. „Dass der Typ ziemlich kaputt ist, dürfte klar sein, oder?“, meinte Nicole, als sie in den Wagen stieg. „Aber er hat kein Alibi. Vielleicht spielt er uns was vor. Wir lassen ihn observieren, bis wir mehr wissen.“ Nicole zögerte einen Augenblick. „Ist dir aufgefallen, dass Muller deinem Blick ein einziges Mal ausgewichen ist?“ Der Kommissar schaute Nicole verblüfft an. „Nein, wann denn?“ „Als du ihm klargemacht hast, dass es um Mord geht.“ „Und?“ „Er hat nicht nur weggeschaut, er hat sich mit seiner Hand über die Stirn gestrichen. Das war eine Spur zu heftig. Irgendetwas gefällt mir an dem Typen nicht.“ „Muller ist ein verurteilter Mörder, da darfst du nicht zu viel erwarten“, scherzte van den Berg.

      Nicole lächelte nachdenklich. „Jedenfalls hat er das Mädchen nicht die Treppe raufgeschleppt.“ Van den Berg nickte. Er hatte Muller nicht mehr auf der Rechnung, aber ganz sicher war er sich nicht. „Ich werde mit seinem Arzt sprechen, dann wissen wir, ob er uns Märchen erzählt hat.“

      Yves Grangé war in der Rue de Spa gemeldet. Der Zufall wollte es, dass die gutbürgerliche Straße, die an der großen Verkehrsachse Rue de la Loi lag, Nicole bestens bekannt war. Eine Freundin war vor ein paar Monaten nach Brüssel gezogen und lebte in der ruhigen Straße in einer Wohngemeinschaft. Van den Berg parkte seinen MG in zweiter Reihe neben einem Mercedes SL. Die beiden Polizisten begutachteten das helle Mehrfamilienhaus. Van den Berg studierte die Klingelschilder und den Briefkasten. „Kein Grangé! Scheiße!“ stöhnte der Polizist.

      Van den Berg blickte noch einmal an der Hausfassade hoch. Ihm wurde schlagartig klar, dass die Suche nach dem zweiten Verdächtigen länger dauern würde. Er überließ Deflandre die Befragung der Nachbarn und fuhr ins Büro. Im Kommissariat kam ihm De Breuyn auf dem Flur entgegen. „Ich habe mit Mullers Arzt gesprochen. Der Typ leidet tatsächlich unter Pfeifferschem Drüsenfieber, seit mindestens einem Jahr. Außerdem säuft er wie ein Loch. Der Doc hält es für ziemlich unwahrscheinlich, dass dieses Wrack ganz easy eine Mädchenleiche so eine lange Treppe hinauf schleppt“, meinte der Polizist mit seinem typischen schrulligen Lachen " „Du bist ja echt fix, Freddy. Dann können wir den ja abhaken", erwiderte van den Berg nachdenklich. Irgendetwas gefiel ihm nicht an Muller, er kam nur nicht darauf, was es war.

      Die Polizisten tappten im Dunkeln. Die Befragung der Prostituierten vom Gare du Nord hatte in puncto Catherine Lerisse rein gar nichts ergeben. Keine der Damen wollte das zarte Mädchen in der Rue de la Prairie gesehen haben. Was Dorothee betraf, glaubte sich eine Nutte zu erinnern, dass sie aus Liège stammte.

      Die Suche nach Yves Grangé gestaltete sich schwierig. Keiner der Nachbarn hatte ihn offenbar jemals zu Gesicht bekommen. Der Mann schien ein Phantom zu sein. Deflandre fragte sich, ob die Rue de Spa eine Briefkastenadresse war, mit der der Gesuchte kriminelle Geschäfte abwickelte. Der Polizist wählte gerade van den Bergs Nummer, als ein unscheinbarer Mann im blauen Arbeitskittel an der Haustür auftauchte.

      Deflandre wartete, bis er aufgeschlossen hatte, und hastete dann mit gezogenem Dienstausweis auf ihn zu. „Deflandre, Polizei Brüssel. Darf ich fragen, wer sie sind?“ Der Mann schaute Deflandre leicht verängstigt an und stellte sich als Hausmeister vor. „Gibt es einen Ort, an dem wir in Ruhe sprechen können?“ Der unscheinbare Mann lotste Deflandre in den Keller bis zu einer schweren Eisentür, hinter der die Heizungsanlage untergebracht war.

      „Wir suchen diesen Mann“, sagte Deflandre, während er das Foto des Gesuchten gegen das schwache Deckenlicht hielt. Der Hausmeister zuckte mit den Schultern. „Wer soll das sein?“ „Yves Grangé, er ist in diesem Haus gemeldet.“ Deflandre sah dem Mann an, dass er eine Idee hatte. „Es gibt eine Wohnung ohne Namensschild, die ist vollkommen leer. Wir mussten da vor ein paar Wochen rein, Wasserrohrbruch!“ Deflandre nickte und wählte noch einmal van den Bergs Nummer. Der Hausmeister besorgte derweil den Schlüssel für die Wohnung.

      Es stellte sich heraus, dass er kaum übertrieben hatte. Die Zweizimmerwohnung war tatsächlich fast leer, lediglich eine Matratze und