„Dieser Sturkopf macht mich noch wahnsinnig!“, schimpfte Wilhelm, die Augen verdrehend und zeigte auch noch anklagend auf Henry. „Ganz gleich was ich ihm auch vorschlage, er blockt alles ab!“
„Was denn?“, hakte Richard nach, wobei er nicht gerade interessiert wirkte.
„Diese blöde Namenstagfeier kann mir gestohlen bleiben“, brummte Henry und wandte ihnen trotzig den Rücken zu.
„Gut, dann lassen wir sie eben ausfallen“, meinte Richard lässig und beide sahen ihn gleichermaßen verdutzt an. Wilhelm vor Verständnislosigkeit und Henry echt überrascht. „Warum auch nicht? Wenn es sein Wunsch ist? Es ist eh eiskalt draußen und wer möchte sich schon gerne den Arsch abfrieren, nur um einen König zu sehen, der eine Trauermiene zur Schau trägt als stünde sein Reich in Flammen“, winkte er ab und setzte sich. „Könntest du nicht wenigstens Kai wieder reinlassen?“, brummte er und schenkte sich selbst ein. „Und würde einer von euch mal Holz nachlegen?“
Henry stampfte trotzig zu ihm hinüber und warf gleich eine ganze Unmenge davon in die glimmende Glut, was eine starke Rauchentwicklung zur Folge hatte. „Willst du uns alle umbringen?“, schnauzte Wilhelm ihn an, stieß ihn vom Kamin fort und fischte die Hälfte der Scheite wieder heraus.
„Wäre keine schlechte Idee“, zischte Henry hämisch zurück, während sein Bruder in der Glut herumstocherte.
„Jetzt reichts wirklich langsam!“, fuhr Richard mit erhobener Stimme dazwischen. „Hör endlich auf damit! Dein Bruder meint es nur gut mit dir und will dir helfen! So, wie wir alle“, zwang er sich wieder ruhiger zu sprechen.
„Ach ja? Und wenn ich mir nicht helfen lassen will? Mir kann sowieso niemand mehr helfen und wieso überhaupt Alle? Wer denn?!“, wurde dafür Henry mit jedem Wort lauter und ungehaltener. „Ich sehe hier nur euch zwei!“, schrie er schließlich seinen Onkel an und verschränkte vor lauter Hilflosigkeit die Arme vor seiner bebenden Brust wie ein Schutzschild. „Jedem anderen bin ich doch mittlerweile entweder scheißegal oder sie verachten mich! Ja! Es wäre tatsächlich besser, wenn ich krepieren würde“, hängte er wieder leiser werdend dran und ließ den Kopf hängen.
„Langsam kann ich es nicht mehr hören! Seit Wochen zerfließt du jetzt in Selbstmitleid und ja, allmählich bin ich auch deiner Meinung, dass du dir einfach nicht helfen lassen willst!“, brüllte Wilhelm plötzlich los, packte ihn grob bei den Schultern und schüttelte ihn heftig durch. „Wir sind hier, bei dir! Weil wir dich lieben, du Vollidiot!“
Henry ließ sich wehrlos abermals von ihm durchschütteln und sank danach schluchzend in sich zusammen. Wilhelm fing ihn auf und hielt ihn fest an sich gedrückt in seinen Armen. Auch Richard erhob sich seufzend und umarmte beide. „Bitte, Heinrich, gib dich nicht auf“, flüsterte er mühsam und endlich nickte der nachgebend.
***
Zwei Tage später gab der König die erste Audienz im neuen Jahr. Es kamen allerdings wegen der Eiseskälte nur die wichtigsten ansässigen Adligen und ein paar hochrangige Bürger der Hauptstadt, um dem Königspaar persönlich ihre Glückwünsche auszusprechen und so konnte Henry sich bereits am frühen Nachmittag wieder zurückziehen. Jedenfalls dachte er es.
Der letzte Adlige hatte sich gerade verabschiedet, als Brac sich vor dem Thron aufbaute. „Eure Majestät“, sagte er mit einer tadellosen Verbeugung, „auch ich möchte es mir nicht nehmen lassen und Euch persönlich zu Eurem Thronfolger gratulieren! Und ich soll Euch selbstverständlich auch die Glückwünsche meiner Jungs überbringen! Äh, ja, gut gemacht, alter Junge“, meinte er und klopfte dem überraschten Henry etwas unbeholfen die Schulter.
Der König blinzelte irritiert, doch dann riss er sich zusammen. „Habt vielen Dank, Baron de Brac und dankt auch Eurer Truppe vielmals“, presste er gedämpft hervor.
„Is was? Also, warum schaust`n so angepisst? Wir sind nur noch unter uns, der fette Sack is weg, was soll`n der Käse mit dem förmlichen Gerede?“, fragte jetzt auch Brac verwirrt, als sich Henry einfach erhob und Richtung kleine Halle umwandte. „Was`n los? Henry?“, rief Brac ihm nach und ging ihm hinterher. „Eigentlich wollte ich dich noch was Persönliches fragen, jetzt wart halt mal!“
Henry blieb nicht stehen und so latschte Brac ihm und den beiden Herzögen nach, bis ins private Audienzzimmer. „Kann ich mit rein?“, fragte er unschlüssig und Richard nickte.
„Komm schon rein! Eigentlich hätte ich dich schon früher erwartet“, raunte der leise und Brac sah ihn verblüfft an.
„Wie denn? Er hatte sich doch noch gar nich öffentlich gezeigt und die Holzköpfe vor seiner Tür ham mich nicht zu ihm gelassen“, entschuldigte er sich brummend.
Henry stand vor dem Kamin und blickte argwöhnisch zu ihnen. „Macht ihr endlich die Tür zu? Was willst du noch?!“
„Boaah, hier isses ja noch kälter, als draußen! Gleich wachsen noch die Eiszapfen von der Decke“, erwiderte Brac auf Henrys unterkühlten Tonfall hin und marschierte erst einmal auf Wilhelm zu. „Du, äh, Eure Gnaden, tut mir echt leid, mit deinem Kleinen, wie packst du`s denn so?“, fragte er auf seine etwas tollpatschige und rüde Art und legte ihm mitfühlend eine seiner Riesenpranken auf die Schulter.
Wilhelm hätte beinahe gelacht, doch dann konnte er sich gerade noch zurücknehmen. „Vielen Dank für deine Anteilnahme“, antwortete er, ohne ihn anzusehen.
„Echt blöde Frage, grad von mir, ´tschuldige! Muss dir echt Scheiße gehen und Hilde sicher erst recht“, meinte Brac, der Wilhelms gesenktes Haupt als Trauer deutete und der zwang sich zu nicken.
„Genug!“, fauchte Henry plötzlich. „Du hast jetzt deine Sprüche zum Besten gegeben, also herzlichen Dank und auf Wiedersehen!“
Brac drehte sich zu ihm um und starrte ihn mit offenem Mund an. „War das `n Rauswurf? Wenn ja, dann bin ich auch gleich wieder weg, aber eins möchte ich dich noch fragen, was is`n mit Amanoue los? Und wieso hast`n den unter Bewachung gestellt? Und nur von Ulrichs Leuten? Keiner von uns weiß was über ihn und von denen sagt uns auch keiner was! Nur Richard war neulich bei mir drüben und hat `ne komische Andeutung gemacht, dass du ihn eingesperrt hättest und ich mal mit dir reden soll! Also, hier bin ich und ich gehe nicht eher, bis ich eine ordentliche Antwort von dir erhalten habe“, meinte er entschlossen.
Henry warf seinem Onkel einen bitterbösen Blick zu, sah dann wieder zu Brac und verschränkte die Arme. „Das geht dich nichts an und jetzt raus, bevor ich die Wachen rufe!“, drohte er und der riesige Mann stellte sich entspannt hin.
„Da musst du schon ein ganzes Bataillon aufbieten! Die paar Hansel da draußen machen mir keine Angst“, erwiderte er trocken. „Wenn du mich loshaben willst, dann gib mir eine vernünftige Antwort. Was zum Geier, ist hier los?!“
Richard und Wilhelm sahen sich fragend unschlüssig an und dann zu Henry hin. „Sagst du´s ihm?“, fragte sein Onkel vorsichtig. „Also, ich meine, es ist Brac und er gehört ja schon fast zur Familie, zumindest ist er dein bester Freund, aber es liegt bei dir“, meinte er, die Hände abwehrend hebend.
„Ja, was denn?“, warf Brac noch verwirrter dazwischen.
„Wieviel hast du ihm schon verraten, hm?“, bellte Henry seinen Onkel an.
„Eigentlich nichts! Ich sagte ihm lediglich, dass du mal wieder einen heftigen Streit mit Amanoue hattest und du ihn deshalb eingesperrt hättest und ja, ich bat ihn, mit dir zu sprechen!“, gab Richard achselzuckend zu und Henry schnaubte mal wieder zynisch.
„Einen heftigen Streit“, raunte er voller Hohn und nickte vor sich hin. „So kann man es auch nennen!“
„Kann mir endlich mal einer sagen, was hier los ist?“, mischte sich Brac wieder ein, „ich kapier nämlich gar nix! Wilhelms Trauermiene kann ich ja verstehen, aber bei dir? Du hättest doch allen Grund dich zu freuen und feiernd durch die Gegend zu tanzen! Mensch, du hast endlich deinen Erben und ziehst ein Gesicht, als wäre morgen deine eigene Beerdigung! Was`n los mit dir, spuck`s endlich aus! Oder is was mit dem Kleinen,