Warum wissen wir so gut wie nichts von alldem? Warum hat das Wissen um die Kraft der Weiblichkeit keinen Eingang in unsere allgemeine Bildung gefunden?
Das ist keineswegs Zufall, es geht um nichts weniger als um männliche Dominanz.
Jahrtausende waren die Götterwelten reich an weiblichen Gottheiten oftmals sogar von existenzieller Bedeutung für die Menschen. Sie nahmen Rollen ein, die selbstverständlich bis in das alltägliche Verhalten der jeweiligen Gesellschaften abfärbten.
Für diejenigen, denen diese Ausführungen zu feministisch erscheinen, möchte ich versichern, dass es mir keineswegs darum geht hier eine ‚Frauenwelt‘ zu idealisieren, es geht vielmehr darum männliche Anmassung aufzudecken.
Gehen wir also davon aus, dass in den Götterwelten weder Frauen noch Männer dominierten. Diese These würde zu der gesicherten Erkenntnis passen, dass beispielsweise im Germanischen das Wort für „guda Gott“ ursprünglich gramattisch ein Neutrum war. Alle Götter waren Neutren. Erst zur Zeit der arianischen Christianisierung (3.-4. Jahrhundert) wurde der Gottesbegriff zum Maskulinum.
Mit dem Monotheismus erhält die Männerdominanz eine solide religiöse Grundlage, indem sich die gesamte universale Macht auf eine abstrakte Gottesgewalt konzentriert, die von den Gläubigen individuell figürlich ausgestattet werden konnte und somit als verinnerlichte Macht ge- und missbraucht wurde, die aber selbstverständlich männlich war und ist.
Sie repräsentiert ein maximales Machtmonopol. Von diesem erdrückenden Machtdepot leiteten die Leader in den monotheistischen Gesellschaften ihre Machtansprüche ab, sozusagen von Gottes Gnaden. Der grösste Vorteil war, dass sie nicht um ihrer persönlichen Autorität Willen für Loyalität zu sorgen hatten; es reichte, die Heiligkeit von Gottes Geboten durchzusetzen, wenn nötig mit Feuer und Schwert. Vor allem die Kaste der religiösen Würdenträger mästete sich mit der göttlichen Autorität. Natürlich auch Staatsoberhäupter und deren Funktionäre.
Die magische Kraft der Vulva im Mittelalter
Dieser Prozess verlief langsam über viele Generationen. Die Verbreitung des Christentums im Mittelalter ging mit einer Vermischung von heidnischen Gottheiten und Mythen einher. Eine einmal verinnerlichte Mystik lässt sich nicht so ohne weiteres aushebeln.
Der Bau der ersten Kirchen wurde von Mönchen und Freiwilligen aus den Gemeinden betrieben. Um den Widerstand so klein wie möglich zu halten gab es viele Zugeständnisse bisherige Bräuche zu integrieren. Dabei achteten die Kleriker darauf, dass solche ausserhalb der Kirchen stattfanden um den Schoss der Kirche, das Innere davon rein zu halten.
So gab es im ursprünglich keltischen Irland beispielsweise ausserhalb einen ausgehöhlten Stein um den herumprozessiert wurde um die bösen Geister in die Aushöhlung zu locken, die der Priester plötzlich mit einem anderen Stein verschloss, um so die bösen Geister gefangen zu halten.
Auch finden wir bis in die Gotik viele Steinfiguren die aus dem Heidnischen kommen, so auch ihre Vulva zeigenden Frauen, wie die als Kragstein dienende Nonne der Abteikirche von Saint Radegonde, Poitiers 13. Jahrhundert.
Im angelsächsischen Raum werden sie Sheela-na-gig genannt. Ein keltischer Begriff, der so etwas wie Hexe bedeuten soll.
Es ist anzunehmen, dass wie in etlichen Mythen beschrieben das entblösste weibliche Geschlecht die bösen Geister vertreibe oder von ihrem verderblichen Tun abhalten. Man glaubte, dass so selbst Tote wieder erweckt werden könnten und sich nach einer Fabel von Lafontaine selbst der Teufel davon besiegen lässt. Solche Figuren gab es auch an weltlichen Gebäuden, wie am Stadttor von Porta Tosa.
Und der mythische irische Held Cuchulian wird durch 150 Frauen die die Röcke heben, davon abgehalten, gegen sein eigenes Volk zu kämpfen.
Die Kirche tat damals alles um die heidnische Spiritualität zu vereinnahmen. Waren die Welten der Götter und Naturgeister allgemeiner Besitz sodass jedermann seine eigene spirituelle Welt entwickeln konnte, so vereinnahmte die Kirche die Glaubensspiritualität für sich und machte aus den Gläubigen demütig Dienende.
Um die kirchliche Macht zu verankern, gab es viele Ge- und Verbote. Manche Einschränkungen würden wir heute als sadistisch bezeichnen. In Irland wurden bis Anfang des vorigen Jahrhunderts Kinder die vor der Taufe starben auf einem abgelegenen Feld namenlos verscharrt und es war den Müttern verboten diese Orte zu besuchen.
Der kirchlich geformte Monotheismus gab den Männern in den Familien mehr Macht und schwächte die weibliche Würde. Ihre Spiritualität war für die Kirche der bedrohlichste Widerstand, der mit allen Mitteln bekämpft werden musste.
Das bestätigt die Sage vom heiligen Patrik, der alle Schlangen aus Irland vertrieb. Da es aber niemals Schlangen in Irland gab, besagt die Metapher dass er das Heidentum vertrieb und speziell den Frauen austrieb, die sich bei Not (Krankheit, Hunger, etc,) immer wieder an die überlieferten Geister wandten (was einige bis heute tun).
Wie gross auch die, meistens von Männern verursachte alltägliche Not war, die Frauen hatten zu gebären und irgendwie einen Weg zu finden die Familie über Wasser zu halten. Wer in den unteren sozialen Schichten als Mädchen geboren wurde, hatte meist ein erbärmliches ohnmächtiges Schicksal vor sich. Die magische Kraft ihres Geschlechts hatte sich ins Nichts aufgelöst.
Matriarchat versus Patriarchat
Das Matriarchat (Frauenherrschaft) als Gegenentwurf zum Patriarchat im Sinne eines feministisch geprägten Ideals macht keinen Sinn und hat auch kein historisches Vorbild.
Was wir kennen sind matrilineale soziale Strukturen. Das betrifft ca. 20 % der mittlerweile 1300 erfassten Ethnien, und die sagen noch nichts über bestehende Machtverhältnisse aus.
Im Feminismus gibt es die Tendenz, dass im Matriarchat eine friedlichere und menschlichere Gesellschaft entstehen würde. Dabei wird unterstellt, dass die gesamte Machtstruktur von Frauen bewirtschaftet wird. Ausser in der Legende von den Amazonen (die offensichtlich nicht friedlich waren) ist mir kein entsprechendes Beispiel bekannt.
Hingegen gibt es historisch wie in der Gegenwart etliche martrilineare Gesellschaften, in denen Frauen eine herausragend bestimmende und gestaltende Rolle wahrnehmen.
Matrilineare Gesellschaften gibt es seit Jahrtausenden. Angelika Lohwasser schreibt in ihrem Buch „Die Darstellung der königlichen Frauen von Kusch“:
Im Vergleich zu den Kulturen der Alten Welt, auch im Vergleich zu Ägypten, hatten die königlichen Frauen im Reich von Kusch eine bedeutende Stellung inne, sodass sie in der meroitischen Periode (ca. 275 v.Chr. – 330 n.Chr.) sogar als regierende Herrscherinnen den Thron besteigen konnten. Doch auch schon in der davorliegenden napatanischen Periode (8.Jh.v.Chr. - ca.275 v.Chr.) wurden solche Frauen in verschiedenen Zusammenhängen dargestellt und in Texten erwähnt. Grundsätzlich sind sie als Begleiterinnen des Königs in Kulthandlungen, aber auch als selbständige Akteurinnen vor Göttern zu finden. Als regierende Herrscherinnen treten sie wie ihre männlichen Amtsgenossen auf, jedoch werden sie ikonographisch deutlich als Frauen gekennzeichnet.
Leider können Schrift und Zeichen noch nicht genügend verstanden werden, aber nach allem Anschein handelt es sich um eine matrilineare Kultur.
Es ist naheliegend, dass Frauen als Gebärende und Behütende, alles zerstörende und tötende ablehnen. Das Schlachtfeld als Feld der Ehre ist eine männliche Perversion. Der Krieg aus Macht und Habgier ist ebenfalls männlich besetzt. Der Krieg als Sicherung des eigenen Territoriums wird durchaus auch von Frauen geführt, und religiös motivierte Kriege betreffen beide Geschlechter.
Interessant sind die matrilinealen Gesellschaften bei denen die Frauen auch die wirtschaftlichen Mittel beherrschen. Dort bleibt nicht nur die Namensgebung, Erziehungsgewalt und Sippenzugehörigkeit in der mütterlichen Linie, sondern auch das Eigentum wie Häuser, Grund- und Wasserrechte, Vieh und alle anderen Vermögenswerte. Damit ist die existenzielle Sicherheit der Frau und ihrer Nachkommen gewährleistet. So können