Rätsel im Ballsaal. Historischer Roman. Catherine St.John. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Catherine St.John
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754900239
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er kennt alle diese Gerüchte über ihn und lehnt die Gesellschaft deshalb ab?“, schlug Cecilia vor.

      „Wahrscheinlich beides“, seufzte Portia.

      Cecilia zwinkerte ihrem Gemahl zu. „Und eine gewisse Düsternis kann bei einem Mann ja auch recht attraktiv wirken, nicht wahr?“

      „Wie bitte? Wann war ich denn jemals düster?“

      „Wer spricht denn von dir, mein Schatz? Du warst höchstens rätselhaft – und das ist nicht unbedingt anziehend!“

      Er ergriff die Hand seiner Gemahlin und hauchte einen Kuss darauf. „Ich bin nur froh, dass du mittlerweile nicht mehr so schlecht von mir denkst!“

      Cecilia kicherte und Portia überlegte, ob die beiden sie ganz vergessen hatten oder ihr mit dem verliebten Geplänkel etwas sagen wollten: Sollte sie vielleicht nicht auf die düstere Atmosphäre, die Walsey um sich verbreitete, hereinfallen? Aber was hieß denn überhaupt hereinfallen? Sie hatte nicht das Gefühl, dass Walsey sie überhaupt umworben hatte; er hatte sich doch nur ernsthaft mit ihr unterhalten! War er überhaupt düster gewesen? Vielleicht war das auch das falsche Wort gewesen…

      In der Ferne sah sie den großen Braunen mit Walsey im Sattel, wie er den Park verließ. Er saß sehr gut zu Pferde – aber das taten nahezu alle Gentlemen… nun, Sir Alexander bestimmt nicht, der hing wohl wie ein Sack im Sattel!

      „Portia, was ist los? Bist du müde?“

      „Nein“, antwortete sie verträumt, „ich dachte nur an Sir Alexander Jessen.“

      „Wie bitte? Warum ausgerechnet an diesen – diesen -“

      „Trottel“, ergänzte Benedict den Satz seiner Frau.

      „Herzlichen Dank.“

      „Ich dachte gerade, er hat gewiss einen furchtbaren Sitz zu Pferde. Wie ein Sack Getreide…“

      Die Lynets prusteten beide los. „Genau!“, japste Cecilia dann. „Portia, du hast eine böse Zunge – und du hast vollkommen recht! Er muss ein miserabler Reiter sein…“

      Sie winkten noch Lady Tenfield und ihrer immer geknechtet wirkenden Gesellschafterin zu, gönnten Sir George Dalley und seiner arroganten Gemahlin einen recht schmallippigen Gruß und versuchten den Earl of Carew zu ignorieren.

      Dann wies Benedict den Kutscher an, zur South Audley Street zu fahren und Cecilia erinnerte an den Ball bei Mrs. Ramsworth am folgenden Abend.

      „Darauf freue ich mich schon sehr – ihre Bälle sind immer besonders nett“, antwortete Portia. „Und mir scheint, sie lädt vergleichsweise wenige unangenehme Gäste ein, nicht wahr?“

      „Ich würde mir nicht zu viele Hoffnungen machen, dass dir Kelling und Jessen erspart bleiben, meine Liebe“, wandte Benedict ein. Portia seufzte darob kummervoll und machte sich daran vor dem Haus ihrer Verwandten auszusteigen.

      Kapitel 5

      Am nächsten Vormittag besuchte sie mit Melinda und deren Zofe zusammen Hatchards am Piccadilly, um nach interessanten Büchern Ausschau zu halten. Melinda hatte zuerst verkündet, ein Spaziergang tue ihr in ihrem delikaten Zustand nur gut – die frische Luft, nicht wahr?

      Das ließ Portia grinsen. „Frisch? Mir scheint eher, es weht etwas Garstiges vom Fluss hierher. Aber die Bewegung ist gewiss gesund…“

      Melinda fand einen neuen Roman mit einer vernünftigen Heldin, Portia eine kurzgefasste Geschichte Englands und eine Abhandlung über den richtigen Umgang mit Waisenkindern, obendrein ein Buch, das sich zum Lesenlernen eignete. Sie blätterte kurz darin – ja, das würde den kleinen Mädchen gefallen!

      Zufrieden wandte sie sich um, um ihre Fundstücke zu bezahlen, und wäre fast mit einem sehr großen Gentleman zusammengestoßen.

      „Oh! Es tut mir leid – Lord Walsey? Ich wünsche einen guten Morgen!“

      Walsey erwiderte diesen Wunsch freundlich, begrüßte auch Lady Hertwood formvollendet und erkundigte sich nach ihren Lektüregepflogenheiten. Es stellte sich heraus, dass seine Vorlieben eher bei Reisebeschreibungen und landwirtschaftlichen Verbesserungen, aber auch bei der Armenfürsorge lagen. Er und Portia waren schon im Begriff, ein längeres Gespräch über ihre Leseerfahrungen zu beginnen, aber Melinda mahnte zum Aufbruch; das lange Stehen strengte sie doch schon an.

      „Natürlich, Melinda! Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag, Mylord – und gewiss können wir uns ein anderes Mal über Bücher unterhalten…“

      „Zum Beispiel heute Abend bei Mrs. Ramsworth“, schlug Melinda lächelnd vor.

      Walsey verbeugte sich. „Das sollte mich freuen.“

      „Er scheint ganz sympathisch zu sein“, bemerkte Melinda auf dem Rückweg betont beiläufig.

      „Auf jeden Fall tanze ich lieber mit ihm als mit Kelling oder Jessen. Aber es gibt auch noch andere nette Männer. Ich werde ja sehen, wieviele Männer mit mir tanzen wollen!“

      „Walsey zum Beispiel…“

      „Zum Beispiel“, antwortete Portia friedlich. „Ich hoffe nur, dass Kelling sich den Fuß verstaucht und Jessen sich den Magen verdorben hat. Die beiden sollen sich bitte schön lange auskurieren.“

      „Wünschen wir ihnen also gute, aber langsame Besserung!“, bemerkte Melinda fromm. „Ach, mir geht es so gut!“

      „Weil du den idealen Mann schon gefunden hast?“, erkundigte sich Portia.

      „Richtig. Den richtigen Mann für mich, der mir alle meine Ängste genommen hat, dazu einen netten Onkel, der sich um Mama und Jane kümmert – nächstes Jahr könnte Jane schon debütieren! -, einen entzückenden Sohn und hoffentlich bald eine kleine Schwester für ihn, ich habe Spaß an der Saison und zwei liebe Freundinnen – Cecilia und dich: Was sollte ich mir mehr wünschen?“

      „Vergiss nicht Lady Tenfield und ihre unschätzbaren Ratschläge“, entgegnete Portia mit einem Kloß im Hals. Sie war Melindas Freundin? Wie nett von ihr… spontan umarmte sie Melinda kurz. „Ich denke, das alles hast du doch auch mehr als verdient! Du bist eine so liebe Freundin!“

      Melinda lachte etwas zittrig. „Komm, wir gehen rasch zu uns, bevor wir uns auf offener Straße weinend in den Armen liegen und zum Gespräch des Tages werden.“

      Portia sah sich hastig um und kicherte. „Zwei Nannys… aber die tratschen gewiss.“

      „Und damit rennen die Gerüchte von Haushalt zu Haushalt.“

      Zu Hause trafen sie auf Sebastian, der offensichtlich seine Zeit im Arbeitszimmer verbracht hatte und nun ein Brieflein in der Hand hielt. „Ben hat mir geschrieben, ihr wüsstet gerne mehr über die Gerüchte um Walsey?“

      „Und, weißt du etwas?“ Melinda reckte sich und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. Er strich ihr zärtlich über den schon sichtbar gerundeten Bauch. „Und wie geht es unserer Kleinen?“

      „Ich glaube, jetzt hast du sie geweckt!“, kicherte Melinda.

      Portia versuchte, die Augen diskret abzuwenden, aber das war nicht einfach – zu faszinierend war die Szene. Ob sie wohl eines Tages auch eine solche Ehe führen konnte – so liebevoll, so zärtlich, so – so gar nicht steif und förmlich?

      Das konnte sie sich mit niemandem vorstellen, mit Walsey nicht, mit Kelling oder Jessen schon überhaupt nicht.

      „Ich habe noch keine weiteren Informationen, denn es ist zwar bekannt, dass Lady Walsey mit einem Liebhaber durchbrennen wollte – sofern das eine Tatsache und nicht nur ein verselbstständigtes Gerücht ist, aber niemand hat jemals den Namen dieses Liebhabers erfahren. Walsey spricht nicht über die Ereignisse,