„Erst hat er festgestellt, ich hätte mit Walsey getanzt. Das habe ich nicht bestritten, wozu auch? Daraufhin meinte er, Walsey werde mich nicht heiraten.“
„Was für ein Idiot!“, kommentierte Lady Tenfield nicht gerade leise.
Portia lächelte ihr zustimmend zu. „Ich wurde natürlich wütend – soll ich bei jedem Mann, der mit mir tanzt, Heiratswünsche entwickeln? Wenn ich sogar mit einem Unsympathen wie Kelling tanzen muss? Oh, wie schade! Dass hätte ich als Argument anführen sollen, dann hätte er mich auf der Tanzfläche stehen gelassen.“
„Der Höhepunkt des Abends“, kommentierte Cecilia.
„Und ein Skandal!“, merkte Melinda sanft an. „Das war alles?“
„Nein. Er sagte noch Das ist auch besser so. Meint er, es ist besser, wenn mich niemand heiratet? Wenn ich mir keine zu großen Hoffnungen mache? Oder wenn Walsey nicht heiratet?“
„Was hast du denn geantwortet?“
„Nur noch ein betont gleichgültiges Ach? Daraufhin hat er gar nichts mehr gesagt.“ Portia zuckte die Achseln. „Verstanden habe ich das alles nicht, aber dummerweise würde es mich jetzt doch interessieren, auch wenn es, weil es von Kelling kommt, gewiss doch nur lauter Unsinn ist.“
„Vermutlich“, sinnierte Melinda und drehte sich zu Lady Tenfield. „Mylady, Sie wissen doch alles! Was könnte die Giftkröte Kelling denn gemeint haben?“
Die Angesprochene seufzte. „Das hieße, über die Angelegenheiten eines Mannes zu klatschen, der mir nie etwas getan hat. Bei Kelling selbst oder Gestalten wie Carew hätte ich da deutlich weniger Skrupel.“
„Nur das Nötigste, bitte, Mylady!“, flehte Portia.
„Es wäre mir lieber, sie fragten Hertwood oder Lynet, die doch mit ihm einigermaßen gut bekannt sind – aber nun ja. Es gab da Gerüchte über den Tod seiner Frau, vor einigen Jahren.“
„Ach, der Arme… das ist bitter. Hat er Kinder?“
„Eine kleine Tochter, soweit ich weiß.“
„Ohne Mutter… das kenne ich aus eigener Erfahrung“, sinnierte Portia.
„Es heißt, er kümmere sich sehr liebevoll um sie.“
Portia nickte gedankenverloren. „Wir haben über Waisenhäuser gesprochen…“
Die Musik setzte wieder ein und ihr Herz sank, denn es kam ein junger Mann auf sie zu, der trotz seiner noch jungen Jahre schon recht wohlbeleibt war und mit seinen leicht vorquellenden, leer dreinblickenden blassblauen Augen einen wenig intelligenten Eindruck vermittelte – einen Eindruck, der sich schon bei Tänzen in der letzten Saison auch bestätigt hatte.
„Bezaubernde Miss Willingham!“
„Wie bitte, Sir Alexander?“
„Was meinen Sie?“ Jetzt staunte er auch noch mit offenem Mund!
„Das tut wohl nichts zu Sache, Sir Alexander.“ Sie bemühte sich streng dreinzusehen, vielleicht erinnerte ihn das an seine Nanny (derer er immer noch zu bedürfen schien) und er benahm sich geringfügig besser?
Nein, er griff nach ihrer Hand und zog sie hoch. „Kommen Sie tanzen!“
Sie konnte sich nicht wehren, ohne Aufsehen zu erregen, aber sie zischte ihm auf dem Weg zur Tanzfläche doch zu: „Könnten Sie das vielleicht etwas gesitteter gestalten, anstatt mich durch die Gegend zu zerren?“
„Was haben Sie denn plötzlich?“
Ihr Glück, dass es kein Walzer war! Bei einer Allemande konnte er sich wenigstens nicht so dicht an sie pressen…
„Was heißt hier plötzlich? Ich wüsste nicht, dass ich schon einmal Gefallen in schlechtem Betragen gefunden hätte!“
„Ich kann mich gar nicht schlecht benehmen, immerhin bin ich ein Baronet!“
Was für ein dümmliches Argument: Sogar der Prince of Wales konnte sich schlecht benehmen - und das nicht zu knapp!
Aber das sagte sie jetzt besser nicht, am besten schwieg sie überhaupt und zog eine belästigte Miene!
„Wenn Sie so hochnäsig dreinschauen, sehen Sie besonders reizend aus.“
Verflixt! Und das hätte sie jetzt beinahe auch noch laut gesagt…
„Ach.“
Die Allemande schien ihr ewig zu dauern, aber immerhin machte Sir Alexander keine Andeutungen über Walsey. Das konnte natürlich auch daran liegen, dass er den Klatsch der Leute nicht mitbekam, schließlich sah er nicht nur recht töricht drein, er war auch nicht gerade das, was man geistvoll oder auch nur einigermaßen klug nannte.
Er verneigte sich, als die Musik verklang und ließ sie alleine zu ihren Bekannten zurückfinden. Nicht, dass sie das nicht auch selbst fertigbrachte – aber seine Manieren waren wirklich unter aller Kritik!
„Diesem Lümmel sollte jemand mal angemessenes Benehmen einprügeln“, fand Lady Tenfield.
Portia lächelte. „Aber Mylady, Sie verstehen nicht – er ist ein Baronet und hat von daher doch automatisch eine perfekte Aufführung, oder etwa nicht?“
Die alte Dame kicherte beglückt. „Das würde ich ja zu gerne ein wenig unter die Leute bringen.“
„Aber von Herzen gerne!“ Portia setzte sich, zupfte ihr Kleid zurecht und seufzte. Sie würde wirklich gerne heiraten – einen vernünftigen, klugen und netten Mann! – und bestimmt zwei, drei Jahre lang keinen Ballsaal mehr von innen sehen…
Nach einigen Minuten stand sie wieder auf und schlenderte einmal durch den Ballsaal, unterhielt sich mit einigen Mädchen, mit denen sie sich angefreundet hatte, trank mit Cecilia de Lys ein Glas Champagner, spottete mit ihr über ein grauenvolles Ballkleid in schreiendem Purpur, abgesetzt mit jadegrünem Samt, passend zum Turban in Grün mit einer purpurn gefärbten Feder. Leider wussten sie beide nicht, wer die fragliche Dame war. Cecilia tanzte danach mit ihrem Gemahl und Portia kehrte zu Melinda zurück, die etwas müde wirkte und sehr gerne bereit war, nach Hause zu fahren und Portia unterwegs in der South Audley Street abzuliefern.
Im Wagen atmete Portia tief auf.
„So schrecklich?“, fragte Melinda mitfühlend.
„Nun ja… ich bin dir und Cecilia so dankbar, dass ihr mich chaperoniert, wenn Tante Margaret dazu nicht in der Lage ist, aber wenn ich ehrlich bin, habe ich mir heute erst gedacht, sobald ich einen annehmbaren Mann gefunden habe, möchte ich einige Jahre lang keinen Ballsaal mehr sehen. Vor allem Kelling und Sir Alexander Jessen waren wirklich unangenehm.“
„Ich habe mich schon gefragt, warum diese beiden plötzlich an dir so interessiert sind“, sinnierte Melinda.
„Also, so ein Schreckmittel bin ich doch auch nicht!“, empörte sich Portia nur halb im Scherz.
„Natürlich nicht, aber ich frage mich… ausgerechnet diese beiden – mit Verlaub – Trottel? Was haben sie außer schlechten Manieren noch gemein? Ich muss Sebastian fragen, er weiß es bestimmt.“
„Und dann diese seltsame Art, Walsey bei mir anzuschwärzen, nur weil ich einmal mit ihm getanzt habe…“
„Du hast dich auch recht lange mit ihm unterhalten. War es ein gutes Gespräch?“
„Oh, das finde ich schon. Was man für Waisenkinder tun müsste, ist doch wohl interessanter als das Wetter, der überfüllte Ballsaal oder die Frage, ob der Pavillon des Regenten in Brighton grauenvoll oder wunderschön ist. Dass er nicht an Reformen interessiert zu sein scheint, finde ich