»Nein! Gar nichts!«
»Sind Ihnen keine Narben des Eingriffes aufgefallen?«
»Nein! Wie gesagt, mir ist nichts aufgefallen!«
»In Ordnung.« Der Richter lehnte sich seufzend zurück. »Dadurch verändert sich die Sachlage signifikant – und Ihre Bedingung, der Trennung zuzustimmen, wenn Ihr Mann Unterhaltszahlung leistet, kann nicht stattgegeben werden.«
»Wie bitte?!« Sabrina sprang vom Stuhl hoch. Alleine durch dessen ausgeprägtes Gewicht kippte das Möbelstück nicht um. »Mit diesem Eingriff hat mein Mann mich im höchsten und abscheulichsten Maße hintergangen! Normalerweise müsste ich mich von ihm scheiden lassen! Aber ich bin nach wie vor zu gutgläubig und versuche unsere Ehe mit allen Mitteln zu retten!«
Etwas Vehementes blitzte in des Richters Konterfei auf. »Gnädige Frau, ich muss Sie bitten, sich hinzusetzen und Ihre Anschuldigungen zu beenden. Ansonsten bin ich dazu gezwungen, Sie des Raums zu verweisen.«
Sabrina schnappte nach Luft. Ihr Rechtsanwalt tätschelte ihr liebevoll den Arm, woraufhin sie sich zögerlich hinsetzte. Lilian sah und spürte es gleichermaßen, wie viel Energie Sabrina dazu aufbringen musste, um nicht gänzlich die Beherrschung zu verlieren.
Wie einst, als sie ihm das einzige Erbstück seines Vaters, eine wunderschön verzierte lilafarbene Vase, entgegengeschleudert hatte.
Tausende Erinnerungen waren mit dem Gegenstand verknüpft. Die meisten aus Lilians Kindheit. Vor sieben Jahren hatte sein Vater ihm die Vase weitervererbt – es war ein Einstandsgeschenk für seine erste Wohnung gewesen.
Dann, mit einem Wutausbruch, war das Kunstwerk in Abertausend Stücke an der Wohnzimmerwand zerschellt. Ein jede einzelne Scherbe hatte einen Teil von Lilians Seele dargestellt.
Sabrinas aalglatter, abgeschleckter Rechtsanwalt flüsterte ihr etwas ins Ohr.
Lilian konnte sich längst denken, was es war.
»Herr Gruber-Steiner.« Nun brachte der Beamte eine unerwartete Milde zum Ausdruck. »Durch die Geburt des Kindes Ihrer Ehefrau sowie den Betrug möchten Sie die Scheidung einreichen, habe ich dies korrekt zusammengefasst?«
»Ja.«
»Wie lange leben Sie beide getrennt?«
»Knapp neun Monate. Ich bin von unserer gemeinsamen Eigentumswohnung ausgezogen.«
Der Richter wollte etwas einwerfen, Lilian kam ihm zuvor. »Da ich die Eigentumswohnung komplett auf meine Frau überschrieben habe, kann ich dahingehend nichts einfordernd – und ich muss gestehen, ich habe es satt, um einen jeden Stuhl zu kämpfen. Sabrina erhielt längst alles, was sie wollte: den SUV, das Ersparte, meine Filmsammlung … Soll sie damit glücklich werden. Dafür will ich alleine eines: Meinen zukünftigen Frieden vor ihrem Telefonterror, den Verleumdungen und Ihren Vorwürfen. Ich musste bereits Gesprächstherapien beginnen, da ich diesen Dauerstress nicht mehr ertrage. Ich leide an Schlaf- und Konzentrationsstörungen. Ausnahmslos meinen Frieden möchte ich zurückerhalten – dieses Kapitel meines Lebens abschließen. Diese Frau hat mich systematisch fertiggemacht. Ich will nichts mehr mit ihr zu tun haben. Niemals mehr.«
»Ihre Situation kann ich sehr gut nachempfinden.« Herr Kornhammer erfasste einen Stift und kritzelte etwas auf ein Blatt Papier. »Allerdings werden Sie beide sich noch einmal hier einfinden müssen, um die Scheidungsdokumente zu unterzeichnen.«
»Ich unterzeichne erst, wenn er mir Unterhalt zahlt!«, kam es polternd von der Seite, woraufhin sich Sabrinas Anwalt einschaltete. »Wir finden bestimmt einen Kompromiss. Das Gehalt meiner Mandantin liegt unter dem ihres Mannes, zudem muss sie, neben den Ausgaben durch ihr Kind, enorme Kosten stemmen, welche sich auf tausend Euro pro Monat belaufen.«
Der Beamte blickte über seine Brille. »Welche da wären?«
»Ihr tägliches Fitnessprogramm, das Frau Gruber-Steiner bezüglich Rückenschmerzen konsequent durchführen muss.«
»Meine Ehefrau hat noch nie über Rückenschmerzen geklagt.«
»Ich habe ein Gesundheitsattest!«, kreischte Sabrina dazwischen. »Das lege ich dir gerne vor!«
Lilian wandte sich dem Richter zu. »Im Vergleich zu meiner Frau verdiene ich um läppische fünfzig Euro brutto mehr. Darüber hinaus habe ich keinen Besitz mehr. Ich kann Unterhaltszahlungen, in welchem Umfang auch immer, unmöglich leisten.«
Sabrina war in der Firma Ihres Vaters im Vorstandssekretariat angestellt. Ihr Bruttolohn betrug zweitausendzweihundert Euro – für zwanzig Wochenstunden. Dachte er an all ihre weiteren zahllosen Vorzüge und Vergütungen, wurde ihm erst recht kotzübel.
Der Richter schrieb eifrig. »Das werden Sie nicht müssen.« Einige Momente später blickte er auf. »Frau Gruber-Steiner hat durch ihren Betrug zur Zerrüttung der Ehe maßgeblich beigetragen, womit sie keinerlei Ansprüche fordern kann – unerheblich irgendwelcher außertürlicher Ausgaben.«
»Was erlauben Sie sich?!«, durchschnitt Sabrinas hasserfüllter Ausruf den Raum.
»Lass gut sein«, versuchte ihr Rechtsanwalt sie zu beruhigen. »Sich aufzuregen bringt dir in dieser Situation rein gar nichts.«
Unterdessen hatte sich des Richters Gemüt sichtlich verdunkelt. »Ich habe viel Geduld, gnädige Frau. Nun allerdings langt es. Ich muss Sie bitten, das Zimmer zu verlassen. Die Einzelheiten wird Ihnen Ihr Rechtsanwalt gerne übermitteln.«
Abermals wurde Lilian Zeuge von Sabrinas hollywoodreifer Gesichtsakrobatik. Wie ein frisch ausgesetztes Hundebaby musterte sie den Richter demütig und unschuldsvoll. Ihr Rechtsanwalt versuchte es auf verbaler Ebene: »Ich bitte Sie, Herr Kornhammer –«
Durch Vollführung einer minimalen Handgeste brachte der Richter den Rechtsanwalt zum Schweigen. »Ich dulde keine Störungen. Frau Gruber-Steiner, verlassen Sie das Zimmer. Wir werden ohnehin nicht mehr benötigen.«
Lilian sah und spürte gleichermaßen, wie gerne Sabrina getobt und geschrien hätte. Unglaublicherweise gelang es dieser Fotze nochmals, sich zusammenzureißen und samt tödlichem Augenausdruck des Richters Anweisung Folge zu leisten.
Alsbald sie die Tür hinter sich mit einem Knall in die Angeln geworfen hatte, konnte Lilian sich nicht mehr davon abhalten, einmal tief durchzuatmen.
»Nun.« Herr Kornhammer richtete sich etwas auf. »Die Scheidung wird ohne weitere Bedingungen durchgeführt. Herr Gruber-Steiner, Sie haben keine Verpflichtungen gegenüber Ihrer Frau zu leisten, weder im ersten Scheidungsjahr noch in den darauffolgenden. Zudem lege ich Ihnen nahe, sämtliche Kosten, welche durch die Trennung direkt oder indirekt entstanden, durch ein gesondertes Gerichtsverfahren einzuklagen.«
»Dazu fehlen mir leider die finanziellen Mittel.«
Der Richter nickte. »Ich verstehe. Nun. Alsbald die Scheidungspapiere vorbereitet wurden, wird meine Sekretärin Sie zeitnah kontaktieren. Anschließend setzen Sie die Unterschrift, und die Auflösung ist vollzogen.«
»Ich danke Ihnen vielmals.«
»Nichts zu danken.« Der Richter besah ihn verständnisvoll. »Manchmal irrt man sich in einem Menschen. Dass dadurch das restliche Leben zerstört werden soll, halte ich jedoch für grausam.« Er erhob sich, Lilian und Sabrinas Rechtsanwalt taten es ihm gleich. »Sollten noch Fragen auftreten, können Sie gerne mit meiner Sekretärin in Kontakt treten.«
Lilian schüttelte dem Richter die Hand, bedanke sich nochmals und verließ das prunkvolle Zimmer.
»Na?!«, kam es keifend von links. »Hast du bekommen, was du wolltest?!« Sabrina schien kurz davor zu stehen, einen der wuchtigen Besucherholzstühle in seine Richtung schmettern zu wollen. »Du bist das Allerletzte, was diese Welt hervorgebracht hat! Ein verlogenes, hinterhältiges, nutzloses Miststück! Weshalb habe ich fünf Jahre meines Lebens mit dir vergeudet?!«
»Eigenartig.« Lilian hatte wahnsinnige Mühe dabei, die Stimme voll und kräftig erklingen zu lassen. Die beschleunigte Atmung sowie das rasende