Kullmann stolpert über eine Leiche. Elke Schwab. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elke Schwab
Издательство: Bookwire
Серия: Kullmann-Reihe
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750237179
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was ihr jedoch nicht gelingen wollte.

      »Wie gefällt dir der Weihnachtsschmuck an deiner Tür?«, fragte er mit einem strahlenden Lachen, als sei er der Weihnachtsmann höchstpersönlich.

      Trixi überlegte sich die Antwort gut. Ein Lob könnte ihn ermuntern weiterzumachen – das Allerletzte, was sie wollte. Deshalb war ihr Ton schärfer als beabsichtigt. »Hast du nichts Besseres zu tun, als fremde Häuser zu schmücken?«

      Wie ein begossener Pudel stand Roland vor Trixi, schaute sie eine Weile an, bis er sich umdrehte und wortlos verschwand.

      So betroffen hatte sie ihn noch nicht gesehen. Wie ein begossener Pudel wirkte er plötzlich auf sie. Aber Zeit, darüber nachzudenken, blieb ihr nicht, denn die Arbeit wartete. Fast alle Stühle im Salon waren besetzt.

      Bei ihrer Rückkehr am Abend war der Nikolaus verschwunden. Ihre Reaktion war wohl doch zu heftig ausgefallen. Obwohl Trixi Rolands Liebeswerben nicht nur verabscheute, sondern sogar fürchtete, war sie enttäuscht. Obwohl … welche Gedanken hegte sie da? Die Dekoration war eine Grenzverletzung von einem Mann, den sie nicht mochte und der das nicht einsehen wollte. Also musste sie sich selbst am Riemen reißen und diese Tatsache als Triumpf betrachten.

      Vielleicht hatte sie endlich erreicht, was sie wollte: Roland Berkes gab auf.

      Doch leider war der Wunsch der Vater des Gedankens. Nur wenige Tage später ging der Spuk weiter. Trixi kam von der Arbeit nach Hause, müde, erschöpft, keine Spur von Weihnachtsstimmung. Kaum hatte sie das Haus betreten, spürte sie, dass dort etwas anders war. Gänsehaut kroch in ihr hoch, sie bekam Angst. Leise schlich sie durch den schmalen Flur bis zur Wohnzimmertür. Alles war still. Erst als sie im Zimmer stand, erkannte sie, was anders war: Tannenduft stieg ihr in die Nase. Neugierig geworden schaltete sie das Licht ein. Anstelle der Deckenlampe leuchtete im Erker ein Tannenbaum in den schönsten Farben auf. Gleichzeitig ertönte das Lied: Ich find dich scheiße von Tic Tac Toe.

      Trixi wich erschrocken zurück.

      Bestürzt beäugte sie die vielen, kleinen Figuren, in den Zweigen. Nichts daran war anstößig, nichts, was nicht an einen Weihnachtsbaum gehörte. Auch kein Hinweis, kein Brief, keine Botschaft.

      Sie nahm die CD aus der Musikanlage und warf sie weg. Dabei fiel ihr nur eine Erklärung ein: Roland Berkes war ein Psychopath – eine gespaltene Persönlichkeit. Die eine Hälfte wusste nicht, was die andere tat. Während seine gute Seite den Baum schmückte, legte die schlechte Seite dieses scheußliche Lied auf.

      Eine Weile betrachtete sie den Tannenbaum, der mit einer Präzision geschmückt worden war, die große Geduld erforderte. Ihm war nichts zu viel gewesen.

      Was tun?

      Wenn sie alles so ließ, kam auch das einem Einverständnis gleich. Das Gespräch mit dem Polizisten fiel ihr wieder ein. Das war so ergebnislos verlaufen, als gäbe es keinen Grund, ihre Situation als gefährlich einzustufen. Und wenn sie ehrlich zu selbst war, riskierte sie ihre Glaubwürdigkeit endgültig, wenn sie den Baum einfach stehen ließ? Aber sollte sie jetzt, nach einem arbeitsreichen Tag einen großen, mit bunten Kugeln, elektrischen Lichtern und glitzernden Sternen überhäuften Baum entsorgen? Und wo und wie? Dazu hatte sie nicht die geringste Lust. Weihnachten war nicht mehr weit. Auch wenn die Herkunft des Baumes zweifelhaft war; seine Wirkung verfehlte er nicht.

      sollte er stehen bleiben.

      In der Nacht regnete es. Die Temperaturen sanken bis unter null Grad, der Regen fror zu Glatteis. An Schlafen war nicht zu denken. Die Selbstzweifel, dass sie gerade einen entscheidenden Fehler machte, hielten Trixi wach. Sie fühlte sich mit dieser Situation überfordert. War es das Alleinsein, das ihre Motivation lähmte? Oder waren es die Gesten, die Roland Berkes zeigte, die sie verwirrten. Unter Belästigung verstand sie unangenehme Dinge. Doch der Tannenbaum stellte diese Theorie total auf den Kopf.

      *

      Mit dem Fahrrad konnte Trixi an diesem Morgen nicht zur Arbeit fahren. Es war spiegelglatt. Also machte sie sich zu Fuß auf den Weg. Die sonst stark befahrene Kaiserstraße war fast leer. Nur ein Auto näherte sich und hielt direkt neben ihr. Verunsichert schaute sie sich um. Es war der Lieferwagen von Roland Berkes.

      Sie stöhnte innerlich.

      »Steig ein. Ich fahre dich zur Arbeit.« Er öffnete die Beifahrertür, als erwartete er keinen Widerspruch von Trixi.

      Trixi schüttelte den Kopf und schlitterte weiter.

      »Es ist nur eine Frage der Zeit, bis ich dich vom Eis kratzen muss.«

      Stur rutschte sie weiter.

      Roland folgte ihr im Schritttempo.

      Trotz aller Vorsicht rutschte sie aus und landete unsanft auf dem Boden. Roland hielt an, stieg aus und half ihr aufzustehen.

      »Wirst du jetzt einsteigen? Oder willst du dir alle Knochen brechen?«

      Gegen ihren Willen musste Trixi einsehen, dass er recht hatte.

      Während der Fahrt sprachen beide kein Wort. Einerseits verwunderlich, andererseits gut so. Am Salon angekommen, stieg Trixi aus und warf ihm einen fragenden Blick zu.

      »Heute habe ich keine Lieferung für euch. Leider muss ich sofort weiter.«

      Sie konnte sein Verhalten nicht einordnen. Bisher hatte er jedes Mal nachgefragt, wie seine Einfälle bei ihr angekommen waren. Nur dieses Mal nicht. Wäre es nicht sinnlos, sich diese Arbeit zu machen, ohne eine Reaktion darauf zu erwarten?

      2. Kapitel

      Feierabend! Trixi wusste gerade nicht, ob sie sich freuen sollte. Zumindest die Straßen waren nicht mehr glatt. Saukalt war es aber immer noch. Trixi beschloss, aus der Not eine Tugend zu machen. Sie stellte sich auf dem Heimweg vor, wie sie sich einen lauschigen Abend vor dem geschmückten Tannenbaum machte. Über seine zweifelhafte Herkunft wollte sie einfach nicht nachdenken. Einfach nur ungestört die weihnachtliche Atmosphäre genießen. Die Vorstellung klang verlockend.

      Sie betrat das Haus, schaltete sie die Beleuchtung ein und ließ sich aufs Sofa plumpsen. Das klappte ja schon prima. Der Baum war eine Wucht. Niemals wäre ihr selbst ein derartiges Kunstwerk gelungen. Sie versank in ihren Betrachtungen dieser glitzernden Lichter.

      Es klopfte an der Tür.

      Erstaunt darüber, warum ihr Besucher nicht klingelte, erhob sie sich und ging das kurze Stück durch den Flur auf die Tür zu. Kurz davor blieb sie stehen. Es wäre sicher nicht klug zu öffnen. Sie kehrte ins Wohnzimmer zurück, schob sich am Tannenbaum vorbei ans Erkerfenster, das genau auf die Haustür zeigte.

      Kein Mensch war zu sehen. Aber etwas lag auf dem Boden. In der Dunkelheit konnte Trixi nicht erkennen, was es war.

      Scheiße! Da war sie wieder – ihre Angst. Sie hatte doch abschalten wollen, Abstand gewinnen und sich durch nichts mehr erschüttern lassen. Doch mit diesem kleinen Paket vor ihrer Tür waren alle ihre Vorsätze zunichte gemacht. Allein die Vorstellung, jetzt nach draußen zu gehen und das Paket anzunehmen ließ sie zittern.

      Morgen früh, wenn sie das Haus verließ, konnte sie sich darum kümmern.

      Aber den Entschluss umzusetzen kostete sie mehr Nerven, als sie geahnt hatte. Unentwegt ging sie von Zimmer zu Zimmer, fühlte sich in ihren eigenen vier Wänden nicht mehr wohl. Wie lange sollte das so weitergehen? Jeglicher Anfall von Normalität wurde durch eine neue Attacke zerstört. Oder war Normalität für sie nur eine Ausflucht, nicht wieder zur Polizei gehen zu müssen. Die Abfuhr dieses Bullen in dem Büro – und der Korb von Polizeihauptmeister Hollmann – hatten sie an sich selbst zweifeln lassen. Doch das war falsch. Sie spürte, dass sie nicht weiter tatenlos abwarten konnte, sie musste etwas tun. Ihr Blick fiel auf den Computer. Dabei kamen ihr wieder die Worte des Polizeihauptmeisters in den Sinn: »So wie Sie die Sachlage schildern, besteht die Möglichkeit, dass er auch diese Technologie nutzt, um mit Ihnen in Kontakt zu treten. Oftmals geschieht das durch beleidigende E-Mails.«

      Also schaute sie nach. Immer noch nichts.

      Es