Pyria. Elin Bedelis. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elin Bedelis
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754940136
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in der Luft und ihre Glieder wirkten so zart und filigran, dass man bei der kleinsten Berührung Angst haben musste, sie zu zerbrechen. Der ganze Körper war durchsichtig, sodass Gwyn die Blätter hinter ihnen erkennen und man sie sicher leicht übersehen konnte. Einzig ein leichter Hauch von Rosa war erkennbar, wenn man sie genau betrachtete. Es erinnerte ihn an Rosenquarz, nur schöner und subtiler.

      Noch nie hatte Gwyn solche Idylle erlebt. Selbst der Rest der Insel erschien dagegen durchschnittlich und trüb. Dieser Ort war der Inbegriff der Schönheit. Ein winziger Bachlauf plätscherte überwucherte Felsen hinab und die Bäume streckten dichte Kronen neckisch in den Himmel. Saftiges Grün und prachtvolle Blütenkelche umgaben den Feuerspucker und überall schwirrten diese kleinen Feenwesen. Jedes ihrer kleinen Augen ruhte auf ihm, wie er völlig hingerissen und reglos dasaß und die Augen nicht von den Wundern abwenden konnte, die ihn umgaben. Das aufgeregte Tuscheln ihrer hohen Stimmchen war sanft wie das Flüstern des Windes und als sich das erste zögerlich und scheu auf sein Knie sinken ließ, wurde ihm klar, dass er erstmals seit Om’falo etwas wie Frieden verspürte.

      Mit einem zaghaften Lächeln betrachtete er die winzige Gestalt, die auf seinem Knie saß und ihn mindestens ebenso fasziniert musterte wie er sie. Selbst ihre langen Haare schienen gläsern, doch sie bewegten sich, wie normales Haar es getan hätte, und als sie mit ihrer winzigen vierfingrigen Hand hindurchfuhr, fiel es in fließenden Strähnen zurück. Insgesamt war die Fee etwas kleiner als Gwyns Hand und er wagte nicht, sich zu bewegen, aus Angst, sie dann zu verscheuchen. Er wagte nicht mal zu sprechen, weil der Klang seiner Stimme die herrliche Ruhe dieses Ortes sicher zerstört hätte. Das ferne Zwitschern einzelner Vögel klang schon ungewöhnlich laut. Ganz ruhig saß Gwyn da und beobachtete die Feenstadt um ihn herum, die kleinen, kunstvollen Häuser und die zierlichen Bewohnerinnen. Es war so unwirklich schön, dass er es für einen Traum gehalten hätte, hätte er nicht gewusst, dass sein trauerschwerer Kopf schon lange nichts als Albträume mehr zustande brachte.

      Wie viel Zeit verging, in der Gwyn einfach nur still und stumm dasaß und das Lichtspiel in den Bäumen beobachtete, vermochte niemand zu sagen. Doch je länger ihn die Feen beobachteten, desto mehr schienen sie zu glauben, dass er sich nicht im nächsten Moment auf sie stürzen würde. Vorsichtig und zögernd folgten sie dem Beispiel ihrer Schwester und ließen sich langsam bei ihm nieder. Winzige Füßchen trafen seine Schultern und Hände. Sie saßen auf seinen Beinen und seinen Füßen und waren dabei so leicht, dass er ihr Gewicht kaum spüren konnte. Doch jedes der kleinen Wesen schien den Knoten aus Verzweiflung und Schuld in seiner Brust etwas zu lösen. Federleicht waren ihre Berührungen, doch sie brachten gewichtigen Frieden und Trost und für einen Moment fühlte sich alles ein bisschen weniger hoffnungslos an.

      Gwyn kannte sich nicht aus mit Magie, hatte stets nur das Feuer gekannt und das mehr als Talent gesehen und weniger als magische Begabung. Es hatte sich nie angefühlt wie Magie, weil es einfach ein Teil von ihm gewesen war und den Umgang zu erlernen sich nicht anders anfühlte, als einen Radschlag zu üben. Jetzt fühlte er, wie diese Wesen, die reine Magie sein mussten, mit ihren hauchzarten Berührungen winzige Impulse direkt in das Magiezentrum in seiner Brust schickten. Das Feuer, das seit seinem Ausbruch in Om’falo jeden Tag stärker gegen die Unterdrückung rebelliert hatte, kam zur Ruhe, ebenso wie Gwyns aufgewühlter Geist. Es vermochte ihn nicht von seiner schwermütigen Stimmung zu befreien, aber es gewährte ihm einen Moment der Ruhe und des Friedens in all der Verzweiflung.

      Wenn es nach Gwyn gegangen wäre, hätte es ewig so bleiben können. Leider hatte das Leben eine Neigung, sich nicht dafür zu interessieren, was Gwyn wollte. Viel zu spät hörte er die Angreifer kommen. Er hatte in seiner Trance am Vorabend nicht darauf geachtet, ob er Spuren hinterließ, und es hätte ihn wohl auch nicht gekümmert, wenn er es bemerkt hätte. Fünf cecilianische Soldaten standen zwischen den Feenbäumen, bevor Gwyns Hirn ganz verarbeitet hatte, was die Geräusche im Unterholz jenseits des Dorfes bedeuten mochten. Erschrocken stoben die Feen auf, hätten vielleicht sogar den Neuankömmlingen eine Chance gegeben, wären die nicht in fester Erwartung eines Kampfes gekommen.

      Sie brauchten nicht halb so lange wie Gwyn, um ihre Überraschung und Faszination zu überwinden. »Feen«, stieß einer ungläubig hervor. Ein dicker rötlicher Bart wand sich unter seinem Helm hervor und versteckte teilweise das Grinsen, das sich über seine Züge legte.

      Gwyn sprang auf die Füße und wünschte sich eine Waffe, irgendetwas, was er benutzen konnte, um diese Männer von diesem Ort fortzuscheuchen. Der einzige Soldat mit Abzeichen am Helm, das im Volksmund nur als Wedel geschimpft wurde, anstatt es als ranghebende Auszeichnung anzusehen, griff nach Gwyn und der Feuerspucker versuchte auszuweichen. Leider war Gwyn ein miserabler Nahkämpfer und weil er sich nicht überwinden konnte, das Feuer freizulassen, war er leider deutlich unterlegen.

      »Ich habe gehört, es sind lebendige Glücksbringer!«, sagte ein jüngerer Soldat, der nicht aussah, als habe er überhaupt schon Bartwuchs, während der Anführer Gwyn mit Hilfe eines grobschlächtigen weiteren Gardisten zu Boden rang und fesselte. Es war wahrlich aussichtslos, sich zu wehren, und Wut flammte in Gwyn auf. Sie stachelte das Feuer an, das bereits gefährlich nah vor dem Ausbruch stand. Nur der Gedanke, dass dieser wundervolle Ort danach aussehen würde wie die Altstadt von Om’falo, hielt ihn davon ab, es einfach freizulassen.

      Der Letzte machte einen zustimmenden Laut. »Denk an das Vermögen, das Leute mit dem gleichen Aberglauben für ein so‘n Ding blechen würden.« Ältere Soldaten waren häufiger nicht die hellsten Sterne am Himmel. Es hatte einen Grund, dass sie nicht längst in höhere Positionen aufgestiegen waren, aber dieses Exemplar hatte einen ganz besonders dümmlichen Ton. Gerne hätte Gwyn ihm für diese respektlose frevelhafte Aussage kräftig ins Gesicht geschlagen. Leider lag er auf dem Bauch und gefesselt am Boden.

      Der Wedel drehte Gwyn auf den Rücken, was seine gefesselten Hände mit einem stechenden Schmerz quittierten. So konnte Gwyn beobachten, wie der Jungspund erstaunlich flink nach einem der schwirrenden Geschöpfe griff und es beim zweiten Mal schaffte, die Hand um den zarten Körper zu schlingen. Alles in Gwyn zog sich zusammen bei dem Anblick, als die Fee ein leises, empörtes Quietschen von sich gab und sich dann verzweifelt gegen die Hand zu stemmen begann. Um sich selbst kümmerte er sich in diesem Moment am allerwenigsten. Er war sich geradezu egal geworden in den letzten Tagen.

      »Lasst sie in Ruhe!«, rief er, auch wenn er wusste, dass es nichts bringen würde. »Was seid ihr denn für Menschen?!« Der Junge warf Gwyn einen völlig irritierten Blick zu. War der so blöd, oder tat der nur so? Sein bärtiger Kollege stieß dagegen ein kurzes Lachen aus und wie ein kleiner Junge, der hinter einem Schmetterling herlief, sprang er los und griff nach den Feen. Die stoben auseinander, versuchten, sich in die Höhen zu retten, in denen die Soldaten sie nicht erreichen konnten, während nun schon drei Gepanzerte nach ihnen durch die Luft langten. Der junge Soldat wurde mit kleinen Steinen beworfen und das leise Gezeter der zarten Stimmen schwebte durch die Luft. Gwyn, der unbedingt helfen wollte, begann sich umherzuwerfen und an den Fesseln zu zerren und japste im nächsten Moment nach Luft, als ihm ein schwerer Stiefel auf die Brust trat und ihn am Boden fixierte.

      Der Wedel beugte sich etwas vor, sodass er Gwyn direkt ansehen konnte und sein Gewicht noch fester auf den Brustkorb des Zhaki verlagerte. »Wo sind der Messerdämon und die Prinzessin?«, fragte er mit leicht gesenkter Stimme und tat, als würden seine Kollegen nicht wie Wildgewordene hinter ein paar harmlosen Feen her hüpfen oder – wie im Fall des Schrankes – Büsche durchwühlen, als erwartete er ernsthaft, Machairi könnte im Unterholz hocken.

      »Weiß ich nicht«, stieß Gwyn hervor und erwiderte den Blick des Mannes mit Wut. Technisch gesehen hätte Gwyn ruhig die Wahrheit sagen können. Geglaubt hätten sie ihm ohnehin nicht. Natürlich kam Machairi zu verraten trotzdem nicht in Frage. Nicht schon wieder.

      »Ist es nicht deine Aufgabe, zu wissen, wo dein Herr sich aufhält?«, fragte der Soldat und der drohende Tonfall verschärfte sich. Gwyn erinnerte sich an die braunen Kleider und mit jeder Sekunde schwand der Frieden, den die Feen noch eine Weile hinterlassen hatten, rapide weiter.

      Gwyn schob das Kinn vor und weigerte sich, diesem Mann den Respekt entgegenzubringen, den er offensichtlich erwartete. »Wo der ist, weiß ich. Er ist aber nicht Machairi.« Er sah dem Wedel direkt in die Augen und musste nicht