Pralinen unter Palmen. Sandra Kudernatsch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sandra Kudernatsch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754184394
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mein neues Leben.

      Ohne mich oder meine Verfassung weiter zu hinterfragen, startete meine Mutter den Motor und reihte ihren kleinen Flitzer in den Verkehr ein.

      Am Einkaufstempel angekommen, stellte meine Mutter das Auto im Parkhaus akkurat in einer engen Lücke ab. Eines musste man der Frau lassen, einparken konnte sie.

      Ich war unheimlich froh, sie bei meinem heutigen Vorhaben dabei zu haben, denn sie wurde – ganz im Gegensatz zu Anna und mir – nie müde beim Shoppen und war allzeit bereit für das nächste Schnäppchen. Ihr liebstes Hobby war es, stundenlang durch die Läden zu ziehen, vollbepackt mit Bügeln in der Garderobe zu verschwinden und alles anzuprobieren, was ihr zwischen die Finger kam.

      Papa hatte es vor langer Zeit aufgegeben, sie vom Geld ausgeben abhalten zu wollen oder sie zu begleiten, verfügte er doch nicht über dieselbe Ausdauer. So lebte er ruhiger.

      Zusammengefasst hatte es also einen Grund, dass die Frau einen Kombi fuhr. Den Platz brauchte sie.

      Und auch ich hatte heute vor, viel Geld auf den Kopf zu hauen und mehr zu kaufen als jemals zuvor. Die Voraussetzungen dafür waren jedenfalls erfüllt. Ich war guter Dinge, hatte einen Profi an meiner Seite und ein volles Bankkonto. Was konnte schon schief gehen?

      Kaum sah meine Mutter die ersten Geschäfte, war sie nicht mehr zu bremsen. Früher hatte mich ihr Elan total genervt, heute jedoch steckte mich ihr Shoppingwahn regelrecht an. Zum ersten Mal musste ich dabei nicht auf das Geld achten und konnte kaufen, was ich begehrte. Auch der Gedanke, Mike eins auszuwischen, ihn zu bestrafen und ohne ihn zu verreisen, machte mich beinah glücklich und füllte mich mit neuer Energie und Zuversicht.

      „Kati, nun schleich doch nicht so“, rief Mutter mir zu und winkte aus fünf Metern Entfernung. Es war faszinierend, dass sie ausgerechnet beim Shopping ihre chronischen Knieschmerzen vergaß und rennen konnte, wie ein junges Reh.

      „Wo willst du zuerst rein? Schuhladen?“ Ich hatte die Distanz zwischen uns fast aufgeholt, da sprintete sie, ohne eine Antwort abzuwarten, schon wieder los und murmelte: „Ja, Schuhladen. Da gibt es doch auch Koffer.“ In einem Affenzahn bog sie in den Laden ab. „Und Schuhe natürlich.“

      Natürlich, darum hieß es Schuhladen, dachte ich und beeilte mich, hinterherzukommen.

      Als ich sie schließlich eingeholt hatte, hielt sie mir schon ein paar Stiefel unter die Nase.

      „Mutti, ich fahre an den Strand. Brauche ich dort Stiefel?“ Ich rollte mit den Augen. Das konnte heiter werden.

      „Die sind für mich“, antwortete sie, während sie den Karton aus dem Regal zuppelte und nach einem Stuhl zum Anprobieren Ausschau hielt. „Dass du keine Stiefel brauchst, weiß ich.“ Sie setzte sich und streifte ihre Schuhe von den Füßen. „Obwohl ich mich an deiner Stelle für den Flug nach etwas bequemen umschauen würde.“

      Ich gab auf, schüttelte den Kopf und lief ziellos durch die Gänge. Schnell stellte ich fest, dass es ungünstig war, im Winter nach Sommerschuhen zu suchen.

      Während Mutter also nach Herzenslust für sich einkaufte, machte ich mich auf die Suche nach einer Verkäuferin und wurde in der letzten Ecke des Schuhladens fündig. Dort standen nämlich gleich drei von ihnen zusammen, hatten die Köpfe zusammengesteckt und erzählten leise miteinander.

      Ich näherte mich ihnen und räusperte mich laut, um sie auf mich aufmerksam zu machen… und erhielt nicht den Hauch einer Reaktion.

      „Entschuldigung“, versuchte ich es weiter. „Wenn es keine Umstände macht, benötige ich kurz Ihre Hilfe.“

      Die drei jungen Frauen sahen zu mir. Ihre Blicke verrieten eindeutig, dass es sehr wohl Umstände machte, wenn ich sie beim Lästern unterbrach.

      Ohne mich davon beirren zu lassen, nutzte ich die entstandene Stille aus und fuhr fort: „Ich fahre morgen in den Sommerurlaub und brauche unbedingt Sommerschuhe und einen großen Koffer.“ Selbstbewusst und unnachgiebig. Das war mein neues Ich.

      Eine der drei Damen wandte sich sofort ab und begann, Schuhkartons in die Regale zu schieben. Die beiden anderen tauschten einen genervten Blick und drehten sich zu mir.

      „Es tut mir leid, aber die Sommerkollektion kommt erst in ein paar Monaten rein“, stellte dann die eine fest.

      Es tat ihr definitiv nicht leid. Sie warf mir einen jener Blicke zu, der deutlich machte, dass sie an meiner Intelligenz zweifelte.

      Ich reckte mein Kinn in die Höhe und sagte freundlich: „Dessen bin ich mir durchaus bewusst, aber mein Verlobter hat mich vor zwei Tagen, quasi genau vor unserer Hochzeitsreise, betrogen. Nun stehe ich ohne alles da, weil ich ihm in der Verfassung nicht gegenübertreten kann, um meine Sachen zu holen.“ Ich holte tief Luft. „Wenn das kein guter Grund für neue Schuhe ist, weiß ich auch nicht.“

      Man konnte doch ruhig mal die Mitleidskarte ausspielen, oder?

      Ich zog eine Schnute und hoffte, dass mir nicht wieder die Tränen kommen würden.

      Plötzlich kam Leben in die beiden Verkäuferinnen. Sie warfen sich verschwörerische Blicke zu. Verstanden die sich ohne Worte, rätselte ich, bis die eine meine Gedanken unterbrach. „Folgen Sie mir bitte nach vorne, dann zeige ich Ihnen die Koffer, die wir hier haben. Meine Kollegin wird im Lager nachsehen, ob vom letzten Jahr noch Reste an Sommerschuhen da sind. Welche Größe benötigen Sie?“ Im Laufen begutachtete sie meine Hobbitfüße. „36, nehme ich an.“

      Wow, sie war gut!

      Ich nickte nur und beeilte mich heute schon zum zweiten Male, jemandem nachzulaufen. Wie nett Menschen doch sein konnten, wenn sie mitfühlten.

      Als wir vorne neben der Kasse ankamen, zeigte mir die junge Verkäuferin mit einem strahlenden Lächeln die Reisetaschen und Koffer.

      „Ist für Sie etwas dabei“, fragte sie mich nach einigen Minuten der Stille.

      Nach eingehender Betrachtung der Auswahl zeigte ich auf den einzigen auffälligen Koffer. Den würde ich am Flughafen auf dem Kofferband sofort erkennen, denn er hatte ein Giraffenmuster. Die anderen Reisetaschen in Blau und Schwarz würden mir bei meinem Glück fünf Mal vor der Nase entlangfahren, bevor ich sie erkannte.

      „Der Giraffenkoffer soll es sein“, verkündete ich und zeigte notfalls noch mit dem Finger darauf.

      „Gute Wahl“, gratulierte mir die Verkäuferin zu meiner Wahl und brachte den Koffer sofort für mich zur Kasse.

      In diesem Augenblick kam schon die andere Frau mit zwei Kartons unter dem Arm aus dem Lager zurück.

      „Schauen Sie mal, ich habe noch was gefunden“, strahlte sie mich an.Sie überreichte mir die beiden Kartons. In dem oberen befanden sich dunkelgrüne Keilsandaletten, die schon mal nicht schlecht waren. Der Inhalt des unteren Kartons gefiel mir nicht so besonders. Es handelte sich um schwarze Ballerinas mit pinkfarbenen Strasssteinen. Trotzdem probierte ich beide Paare an.

      „Flipflops oder ähnliches haben Sie nicht zufällig auch noch da“, fragte ich vorsichtshalber nochmal nach.

      Das Strahlen der Verkäuferin erlosch und sie schüttelte bedauernd den Kopf.

      „Gut, dann nehme ich die beiden und den Koffer“, beschloss ich und übergab ihr die beiden Schuhkartons. Ich bezahlte und gerade als ich meine Mutter suchen wollte, kam auch sie mit ihrer Ausbeute um die Ecke.

      Mein Vater würde vor Freude Luftsprünge vollführen. Noch mehr Treter.

      Während sie zahlte, verstaute ich meine Schuhe in meinem schicken neuen Koffer.

      Die nächste Station führte uns in ein Unterwäschegeschäft.

      Hier bekam ich die volle Aufmerksamkeit der elegant gekleideten älteren Verkäuferin – auch ohne meine Geschichte erzählen zu müssen. Das lief doch wie am Schnürchen. Okay, der Laden war zugebenermaßen auch gähnend leer. Aber ich ließ mir meine positive Einstellung bestimmt nicht verderben.

      Wir fanden einen hübschen Bikini mit