Der blaue Kavalier. Albert Emil Brachvogel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Albert Emil Brachvogel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754183724
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       Der blaue Kavalier

       Albert Emil Brachvogel

      Inhaltsverzeichnis

       Erster Teil

       Erstes Kapitel

       Zweites Kapitel

       Drittes Kapitel

       Viertes Kapitel

       Fünftes Kapitel

       Zweiter Teil

       Erstes Kapitel

       Zweites Kapitel

       Drittes Kapitel

       Viertes Kapitel

       Fünftes Kapitel

       Dritter Teil

       Erstes Kapitel

       Zweites Kapitel

       Drittes Kapitel

       Viertes Kapitel

       Fünftes Kapitel

       Sechstes Kapitel

       Impressum

      Erster Teil

      Erstes Kapitel

      In der ersten Hälfte der Regierung König Jakobs I. von Britannien »grünte und blühte«, wie die Chronik prunkhaft meldet, Sir William Craven, Gewandschneider Sr. Majestät und Vorsteher jener ehrsamen Gilde, welche mit Nadel, Zwirn und Schere beflissen war, aus den Londonern und Londonerinnen »Leute« zu machen. Er »grünte« gewiss, denn in den Werkstätten seines alten Hauses auf der Drury-Lane, dem vormals berühmten Drury-Hause, lagen über 50 Gesellen und Schneiderinnen diesem löblichen Geschäfte seit langen Jahren ob. Sir Craven hatte ja nicht allein den hohen Leib der großen Elisabeth, welche allein gegen 6000 Staatsroben hinterließ, sondern auch das ganze, nunmehr herrschende Geschlecht der Stuarts und ihre Hofhaltung modisch verschönt, und es gab wenig Leute bürgerlichen Schlages, welche sich reicher nennen durften als er, etwa Sir Thomas Gresham, den Fürsten aller Goldschmiede im Lombard und etliche India-Kaufleute ausgenommen. Er stand also in der City wie Westminster im höchsten Ansehn, war vor drei Jahren Lord-Major gewesen und hatte sich seitdem aus einem simplen Mister Craven in einen Sir William verwandelt, was sich bei dem etwas verdächtigen Nebenbegriffe, welchen sein Name erweckte, allerdings wunderlich genug ausnahm. — Er grünte aber nicht bloß, er »blühte« auch, und zwar in zwei Söhnen und einer Tochter, deren einst zu erhoffende Früchte eine unendliche Fortsetzung des seltenen Geschlechts der Craven und ihrer unsterblichen Kunst in Aussicht stellten. Dies allseitige Glück hatte jedoch, wie alles Menschliche, seine erheblichen Schatten. Das Ominöseste aber war, dass diese Schatten den Blicken des Hofschneiders teils überaus licht und schön vorkamen, ihnen auch teils ganz entgingen, oder doch viel zu gering für seine Sorge erachtet wurden. So demütig kriecherisch er auch den Mächtigen der Erde begegnete, so unedelmännisch behutsam auch sein gewöhnliches Auftreten war und so seinen Namen durch die Tat zu rechtfertigen schien, er hatte doch von seiner Würdigkeit, Klugheit und seinem Reichtume einen sehr erhabenen Begriff, so wie, dass der Schneider eigentlich das unerlässlichste Geschöpf dieser Erde, der nötigste Mann im Staate sei. Er hegte deshalb den starken Glauben, seinen Kindern könne es im Leben gar nicht fehlen.

      Sein ältester Sohn ward gleichfalls William geheißen, aber nicht Sir, weil des Vaters Adel nur persönlich war, sondern einfach Mister William oder — — kurzweg der Mister. Er hatte ziemlich mit dem neuen Jahrhundert und gerade um die Zeit das Dasein erblickt, als Prinz Carl von Wales geboren ward. Mister William war seinem kleinen gedrungenen Papa an Leib wie Seele aber höchst unähnlich, denn er besaß ein schlankes, kavaliermäßiges Aussehen, und es gab wenig Mädchen, die ihn nicht einen »hübschen Burschen« genannt und ihn gar holdselig angelächelt hätten. Eigentlich stolz oder eitel war er nicht, denn er zeigte eine milde Freundlichkeit, eine gesetzte Höflichkeit gegen jedermann, aber dennoch galt er für sehr vornehm und abgeschlossen.

      Sein Wesen erschien nämlich als ein seltsames Gemisch von Träumerei und Feuereifer, nur dass sich beides nicht auf die Schneiderei bezog, sondern auf irgendein Wesenloses, von dem er selber wohl nur einen etwas dunklen Begriff hatte. Eins wusste er indes, dass ihm sein Name Craven in der Seele zuwider war, dieses Synonym einer »feigen Memme« den eigentlichen Gram seines Herzens bildete und ihm zum geheimen Stachel wurde, der schimpflichen Eigenschaft, die seinen Namen bezeichnete, Trotz zu bieten und sie in ihr Gegenteil zu verwandeln.

      Mister Will hatte zeitig über sich nachzudenken begonnen, hatte aus den Büchern mehr gelernt, als ein Schneider braucht, und durch den Anblick von Shakespeares Zauberwerken war jenes holde Gift in seine Seele gekommen, was man Phantasterei nennt.

      Er saß lieber über Sidneys Liedern und Bacons Schriften, als mit gekreuzten Beinen auf dem väterlichen Werktische, galt nicht nur als ein guter Reiter, sondern auch für weit erfahrener in der Kunst, mit dem Rapier seinem Nebenmenschen ein Loch in den Leib, als ihm ein Kleid auf denselben zu machen. Dass dies sehr bedenkliche Eigenschaften für den sonstigen Beruf des jungen Mannes waren, bemerkte Sir William nicht. Im Gegenteil, es freute ihn, dass ein so gebildeter, kavaliermäßiger Sprössling einst seiner unsterblichen Firma vorstehen und bei den »Herrschaften« durch sein nobles Aussehen mehr Glück und »Aufträge« erlangen werde, als man daheim bewältigen könne. Genug für ihn, dass sein Ältester höchst manierlich zu reden und zierlich Maß zu nehmen wusste.

      Zum eigentlichen Betriebe des Geschäfts passte sein zweiter Sohn Edward, ein Jahr jünger als William, aber umso besser. Das war die vollendete Schneiderseele, der wahre Heros von Schere und Lappen, ein dürrer Simpel sonst, dessen kläglich täppisches Wesen und herbe Mienen schlechte Aussichten hatten, einem Lord mit Glück das erste Wams anzulegen, oder eine Herzogin auf gewinnende Weise zum neuesten Schnitt zu überreden.

      Beide Brüder im Verein aber mussten jegliche Rivalität anderer Zunftgenossen auf mindestens ein Menschenalter hinaus unmöglich machen.

      Dass endlich seiner sechsjährigen Maggy eine gute Partie einst gar nicht fehlen könne, bedurfte bei Sir Craven keiner weiteren Erwägung. —

      Diese klugen Familienberechnungen waren vom väterlich hofschneiderlichen Standpunkte aus gar nicht so falsch. Wie sollte es denn anders kommen? War dieser Weg des gemeinsamen Familienwohls nicht der sicherste und natürlichste? Der gute Sir war nur für eins blind, wofür ein Vater nie blind sein darf, für den eigentlichen