Ula stellte die Schüssel mit dem in heißem Fett ausgebackenen Brei auf den Tisch und bat Alto, ein Tischgebet zu sprechen. Alto trat diese Ehre dem jungen Fritilo ab.
Also sprach Fritilo lateinische Worte. Alle lauschten. Isanpert bewegte bisweilen die Lippen, um ein Wort leise nachzusprechen. Alto fragte ihn anschließend: „Hast du denn etwas von dem Gebet verstanden?“
„Nur dies und das“, sagte Isanpert. „Meine Mutter hat mir alle drei lateinischen Wörter beigebracht, die sie kennt.“ Er zählte sie auf: pater, pax und dominus.
„Ich finde das äußerst lobenswert, und die richtigen Wörter waren es auch, denn das Gebet enthielt alle drei“, sagte Alto.
Der Irländer aß wenig, bedankte sich aber ausgiebig. Hucwalt verschlang eine riesige Menge. Ihn scherte es nicht, dass die Hühner eilig gerupft waren. Martilo zog einmal einen Federkiel zwischen seinen Zähnen hervor und warf ihn wortlos auf den Boden. Nur Fritilo schüttelte den Kopf. „Drei magere Hühner“, zischte er.
Gudo bat um Entschuldigung und nannte das Essen unwürdig. Es fehle nicht an der Gastfreundschaft, erklärte er, sondern an den Mitteln, so hohen Besuch zufrieden zu stellen.
Allerdings hätte Gudo die letzte Keule wohl den Gästen reichen sollen, und Engilpert wäre es nicht zugekommen, sie ungefragt zu nehmen. Er hatte den Tag hart gearbeitet und sich seit dem Christfest nicht mehr richtig satt gegessen.
Jedenfalls stand Fritilo auf und schlug Engilpert mit der flachen Hand ins Gesicht, so dass dem die Backe schwoll. „Gieriger Flegel!“, stieß er hervor. Sein bronzenes Kreuz wackelte auf der Brust.
Hucwalt sah belustigt zu. Alto hob sanft die Hand: „Ich bitte dich, Bruder, mäßige deinen Zorn. Im Glauben wird jeder satt, wie uns die Geschichte der Hochzeit zu Kana lehrt. Erst recht hier, wo man uns alles auftischt, was man entbehren kann – und, wie mir scheint, noch etwas mehr.“
Fritilo starrte Gudo wütend an, obwohl der vom Fleisch kaum einen Bissen genommen hatte. „Was man hier Bier nennt, ist doch nur stinkendes Pfützenwasser. Und von einem Hühnerbein wird keiner satt, der im Namen des Erzbischofs den ganzen Tag auf den Beinen war. Jeder kann es in diesem Haus sehen: Es ist nicht gut für Knechte, ihrem Herrn so fern zu sein. Hier fehlt es an einer harten Hand!“
Das Mahl endete in Schweigen. Klackernd stellte Ula Schüssel und Löffel beiseite. Ein Tropfen Regen fand seinen Weg durch das Rieddach und klatschte auf den Tisch. Alto sprach ein Dankesgebet. Sein irischer Tonfall ließ die lateinischen Worte wie Musik klingen.
Gudo bat den Prediger, am nächsten Tag ein Kreuz zu segnen, das man über der Tür aufhängen wolle. „Isanpert hat es geschnitzt. Vielleicht kannst du damit das Haus umschreiten und ein Gebet zum Schutz gegen Diebe und Räuber sprechen. Wir müssten dann nicht den Priester von Sankt Martin bemühen.“
Alto sagte, Gott werde das Haus ohnedies beschützen, aber er werde gern einen Segen sprechen. Er ließ sich das Kreuz zeigen und lobte Isanperts Arbeit. „Wo hast du diese Muster gesehen?“
Isanpert antwortete, er habe sie von der silbernen Spange seiner Mutter übernommen.
„Aber natürlich!“, sagte Alto und verglich das Holz mit dem Silber. „Solche Ornamente sind in meiner Heimat sehr beliebt. Ich glaube, dass sie dort ersonnen wurden.“
Der stille Martilo bat, das Schnitzwerk ebenfalls in Augenschein nehmen zu dürfen. Alto reichte es ihm. Isanpert fragte leise: „Warum hat sich Fritilo über das Essen beschwert, obwohl sogar etwas Gerstenbrei übrig geblieben ist?“
„Nicht jeder ist genügsam“, sagte Alto.
„Aber Vater hat ihm doch nichts weggegessen.“
„Männer können gierig sein, unersättlich und streitsüchtig. Dann suchen sie nach Vorwänden.“
„Ist er wirklich ein Priester?“
„Bonifatius selbst hat ihn zum Diakon geweiht.“
„Von Bonifatius habt ihr viel geredet. Wer ist das denn?“
„Bonifatius ist ein großer Kirchenmann. In jeder Bedeutung des Wortes. Er ist noch größer als ich. Und er ist Erzbischof von Magontium. Es heißt, dass sogar der fränkische Heerführer Pippin und euer Otilo bisweilen auf ihn hören. Aber ich sehe, ich überfordere dich mit all den Namen.“
„Müssen Priester nicht genügsam sein?“
„Sie müssen. Fritilo scheint es vergessen zu haben. Bonifatius wäre nicht zufrieden mit ihm. Er sagt oft, es liegt an den Priestern, wenn die Männer schwach im Glauben sind.“ Alto blinzelte mit schwarz gefärbten Augenlidern. „Priester sollen die zehn Gebote besonders streng befolgen, dem Volk zum Vorbild. Du sollst nicht begehren …“
Während Alto leise zu Isanpert sprach, stand Hucwalt auf, neigte den Kopf vor Gudo und Ula und dankte für das Mahl. „Nach der Reise sind wir müde. Ich weiß, auch unsere Gastgeber haben seit dem Morgen schwer gearbeitet, zu unser aller Vorteil und zum Lob des Herrn Jesus Christus. Ich bitte darum, dass wir uns nun in einem Eck zum Schlafen niederlegen dürfen.“
„Das wollen wir alle tun“, sagte Gudo.
Die Gäste mussten nicht in einem Eck liegen, sie bekamen die besten Betten und die wärmsten Decken. Man rückte zusammen. Heila teilte sich ein Bett mit ihrer Großmutter. Isanpert und Deso machten ihres frei und ließen sich fern der Glut hinter dem Weidengeflecht zwischen den Vorräten nieder. Der Boden war dort mit Bohlen bedeckt. Das hielt die Feuchtigkeit besser ab als gepresster Lehm.
Von der Hintertür ging ein Luftzug aus. Zum Schutz rückte Isanpert eine der Kleiderkisten heran. Deso legte einen Mantel über ihre Decke, und sie wärmten sich gegenseitig.
Noch lange blickte Isanpert in den Rauch, der unter dem Dach herumzog, bevor er durch die Giebelöffnung verschwand. Unruhig drehte er sich von einer Seite auf die andere, hörte seinen Bruder über die Störung murren, fiel in kurzen Schlaf und schreckte wieder hoch, doch es war nur ein weiterer Tropfen gefallen.
Auch ein anderer blieb schlaflos, wie Isanpert durch eine Lücke des Geflechts sah. Mit seinen Armen um die Knie, den Rücken gegen die Wand gepresst, saß hinter einem Stützpfeiler Fritilo. Die flackernde Restglut warf ein schwaches Licht auf seine Züge. Er starrte ins Dunkle, statt sich dem Schlaf zu ergeben.
Vorsichtig öffnete Isanpert die Hintertür. Er musste sich tief bücken, um hindurchzuschlüpfen. Draußen hatte der Sturm die Sommerwärme vertrieben. Er ließ Wasser, bewegte die nackten Füße im kalten weichen Boden. Der Regen hatte vorerst aufgehört.
Dann hörte er etwas und fuhr herum. Sein Bruder stand hinter ihm. „Deso! Warum schläfst du nicht?“
„Siehst du den Räuber irgendwo?“
„Sei leise! Fritilo ist wach, er kann uns hören. Nein, ich glaube, hier heraußen ist kein Räuber.“
„Vielleicht ist dieser Fritilo selbst ein Räuber.“
„Er ist ein Diakon. Das hat mir Alto gesagt. Aber seltsam ist es doch, wie gierig er Mutters Spange ansieht. Selbst jetzt noch in der Nacht starrt er zu ihr hin. Du sollst nicht stehlen, heißt es in den Geboten.“
Deso flüsterte: „Das sind finstere Leute. Alto ist der Einzige, den ich mag.“
„Ich weiß nicht. Alto lacht nie. Ich bin mir nie sicher, ob er ernst meint, was er sagt“, gab Isanpert zurück. „Mit Hucwalt ist es einfacher. Der lacht immer und ist freundlich. Und stark. Aber seine Brüder gefallen mir auch nicht.“
„Schade, dass mein Name nichts bedeutet.“ Deso schlug die Arme um sich. „Wo liegt eigentlich Irland?“
„Weit weg.“ Isanpert dachte nach. „Ich glaube, es liegt hinter den Ländern der Franken.“
„Alto sagt, dass Gott unser Haus schützt. Meinst du, er schickt einen Engel mit brennendem Schwert, wenn uns jemand etwas rauben will?“
„Vielleicht“,