Blutdienst. Stefan Landfried. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Stefan Landfried
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783754169414
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Sohn lebt«, sagte mein Vater unter Tränen und schloss mich in seine starken Arme.

      Er betrachtete mich. In seinem Gesicht war eine Mischung aus Stolz und Unsicherheit zu erkennen. »Du bist kräftig geworden. Schau dich nur an.« Er musterte mich und nach einer kurzen Zeit ruhte sein Blick auf meinem. »Du bist ein Mann geworden. Ich sehe es an deinem Blick. Ja … dich hat eine Schlacht gezeichnet.«

      Wieder füllten sich meine Augen mit Tränen und ich nickte nur. Er umarmte mich erneut und hielt mich fest. Er wusste um die Qualen, die ein Krieg in der Seele eines Mannes auslöste. »Komm. Wir gehen ins Haus.« Horalds Blick erfasste nun auch Borg. »Wen hast du mitgebracht?«

      »Das ist Borg. Ein Freund von mir und mein Schlachtenbruder.«

      Nun schaute ich mich um. Ich sah Sigbart und das etwas kleinere Kind neben ihm stehen.

      »Wo ist Mutter?«, wollte ich wissen.

      Mein Vater ließ den Blick fallen, während er meine Schultern hielt. »Sie starb vor vier Jahren, bei Halefs Geburt.«

      Mein Herz wurde schwer und auch ich nahm meinen Vater bei den Schultern. »Das tut mir leid, Vater. Du hast sie sehr geliebt. Sie hat dir noch einen Sohn geschenkt?«

      Er richtete seinen Blick wieder auf. »Komm, wir gehen alle ins Haus. Lasst uns essen und trinken. Heute ist ein freudiger Tag.«

      Er grinste und drehte sich um. Mit schnellen Schritten ging er ins Haus und im Vorbeigehen sagte er zu den zwei Jungs: »Begrüßt euren Bruder Sigvart. Er hat bestimmt viele Geschichten mitgebracht, die er uns heute beim Essen erzählen wird.«

      Die beiden Burschen kamen auf mich zu. Sigbart, der mich erst nicht erkannt hatte, lief nun mit schnellen Schritten auf mich zu und umarmte mich. »Ich habe dich vermisst, Sigvart.«

      Ich lachte und streichelte seinen Kopf. Er war groß und stark geworden. Damals war er ungefähr sechs. Auch er mochte Abenteuer erleben und vor allem Jungfrauen retten. Das wollte er schon immer.

      »Ich habe dich auch vermisst, Sigbart. Sei so gut und hilf Borg mit den Sachen. Dann können wir schnell essen.« Er nickte und lief zu Borg, um meine Tasche zu holen, und bat Borg hinein.

      Währenddessen ging ich auf den kleinen Halef zu und kniete mich vor ihm hin. »Hallo Halef. Ich bin Sigvart, dein ältester Bruder. Es freut mich, dich kennenzulernen.« Ich streckte ihm eine Hand hin. Etwas schüchtern nahm er sie in seine kleine Hand.

      »Hallo«, piepste er.

      Wir gingen ins Haus. Horald hatte bereits einen Kessel aufgesetzt, in dem Wildfleisch kochte. Es gab Eintopf. Den hat Vater immer gemacht, wenn er eine gute Jagd hatte oder es etwas zu feiern gab. An diesem Tag war wohl beides der Fall. Vater holte ein paar Flaschen selbstgebrauten Bieres und Mets hervor und Sigbart verteilte die Becher auf dem Tisch. Borg roch genüsslich am Topf. Er liebte Eintopf fast noch mehr als Braten.

      Wenig später saßen wir alle am Tisch, aßen und tranken. Ich erzählte Vater von meinen Erlebnissen auf der Straße und im Krieg. Er machte große Augen, als ich ihm erzählte, dass ich nun der Leibwächter von Jarl Thortryg dem Wolf war. Erst wollte er es nicht glauben, also zeigte ich ihm den schwarzen Wolfsmantel. Sein Gesicht verriet mir Stolz und Besorgnis. Besorgnis darüber, dass er vielleicht seinen ältesten Sohn begraben müsste, bevor er selbst sterben würde. Meine Brüder hingen wie gebannt an meinen Lippen. Sie wollten jede Einzelheit wissen. Ich erzählte nicht viel von der Schlacht. Nur, wie ich Jarl Thortryg gerettet habe und Thjodrec mich verletzt hat.

      Mein Vater sah mir allerdings an, dass diese Schlacht meinen Geist sehr schwer belastete. Um das Thema zu wechseln, fragte er mit einem schelmischen Grinsen: »Wie sieht es mit einer Frau aus?«

      Ich musste schmunzeln. »Tatsächlich rettete ich erst heute früh eine junge Frau vor ihrem grausamen Vater. Aber das war es auch schon. Für mehr habe ich momentan keine Zeit. Borg und ich müssen bald wieder zurück sein, um Jarl Thortryg zu dienen.«

      Es war nicht die ganze Wahrheit. Tatsächlich ging mir das Gesicht von Weylef nicht mehr aus dem Kopf. Zwar sprach ich mit Borg viel über den Krieg, doch die Augen der schönsten Frau ließen meinen Geist nicht in Ruhe. Sie überdeckten die schrecklichen Bilder des Krieges.

      Mein Bruder Sigbart zeigte großes Interesse daran, den Jarl kennenzulernen. Vater verwies ihn allerdings auf nächstes Jahr. Es war ein schöner Abend mit vielen Gesprächen und ausgelassener Stimmung.

      Halef schlief schon lange, als Borg in sein Lager ging, das lediglich eine Überdachung neben dem Haupthaus war, um ebenfalls zu schlafen. Sigbart, mein Vater und ich gingen noch kurz nach draußen, um den Abendhimmel zu genießen.

      Während mein Vater zum Mond blickte, sprach er: »Ich bin froh, nicht mehr kämpfen zu müssen. In vier Schlachten habe ich gekämpft für Thortrygs Vater. Alle vier waren grausam. Nur mit viel Glück habe ich sie überlebt.«

      Auch ich hatte nicht vor, ewig zu kämpfen. Ich wollte irgendwann auch einen Hof haben und die Ruhe des Lebens genießen. Aber ich sagte nichts dazu.

      Ein Feuerschein durchdrang die Nacht am gegenüberliegenden Hügel. Mein Vater und mein Bruder sahen es ebenfalls. Es sah aus, als hielte jemand eine Fackel. Dann landete sie auf dem Boden und eine Gestalt fiel neben daneben.

      Mein Vater war der erste auf dem Hügel und beugte sich bereits über die Gestalt. Ich ging an seine Seite und erkannte ihr Gesicht.

      »Wer ist sie?«, fragte mein Vater.

      »Das ist Weylef. Die Frau, die ich heute vor ihrem Vater beschützt habe«, antwortete ich vollkommen erstaunt über ihr plötzliches Auftauchen.

      Da sie bewusstlos war, trugen mein Vater und ich sie ins Haus und legten sie auf mein Lager, direkt rechts neben der Feuerstelle.

      »Lass sie ausruhen, mein Junge«, sprach mein Vater, während seine Hand auf meiner Schulter ruhte. Er spürte meine Unsicherheit. Was sollte ich nur tun? In diesem Moment war mein Vater mein Schiff. Er gab mir Sicherheit und so ließ ich sie schlafen.

      Am Morgen schreckte sie aus ihrem tiefen Schlaf hoch. Verwirrt schaute sie sich um.

      »Ganz ruhig, Weylef. Du bist in Sicherheit«, sagte ich zu ihr. Ihr Blick verriet mir Erleichterung. Offenbar war sie auf der Suche nach mir gewesen.

      »Sigvart.« Ihre Stimme überschlug sich. »Mein Vater war schrecklich wütend, nachdem Ihr ihn in der Gosse habt liegen lassen«, sprach sie weiter. »Er schlug mich erneut und meinte, Ihr könntet es ja versuchen, ihn zu töten. Ich stieß ihn fort und rannte, so schnell ich konnte. Am Tor griff ich schnell nach einer Fackel an der Holzwand. Die Wachen riefen mir zwar nach, doch ich beachtete sie nicht. Einzig das Glück führte mich hierher. Auf dem Hügel war ich allerdings zu erschöpft …« Ihre Stimme war weiterhin ganz aufgeregt.

      Ich legte sie wieder hin. »Schhh … Ist ja gut. Du hast mich gefunden und ich passe auf dich auf. Dein Vater wird ein späteres Problem sein. Ruhe dich aus und komm zu Kräften. Ich schaue später nochmal nach dir.«

      Sie legte sich hin und fiel direkt wieder in den Schlaf. Vor dem Haus hörte ich wie mein Vater Holz hackte. Also stand ich auf und ging hinaus zu meinem Vater.

      »Ein wirklich schönes Mädchen ist das«, sagte er mit einem Augenzwinkern.

      Ich hatte für so etwas keine Zeit. »Vater, ich muss nach Karpgat und ein Versprechen einlösen. Der Vater des Mädchens hat ihr wieder Gewalt angetan. Ich habe versprochen, ihn zu töten, wenn er es noch mal tut.«

      Mein Vater stand aufrecht vor mir. »Ich verstehe. Aber lass dich nicht hinreißen zum Zorn. Handle bedacht und lass niemals das Gefühl der Rache über deinen Geist siegen.«

      Nachdem ich ihn noch einmal umarmt habe, nahm ich mein Wolfsfell, meine Tasche und meine Axt.

      Borg kam von dem Platz, an dem wir einen Tag zuvor stehen geblieben waren, auf mich zu. Der Hüne stolperte noch über einen Erdhaufen, der im höheren Gras versteckt sich erhob, bevor er den Fuß des Hügels