... and there is the mad man. ... Take that naked man with fairness, and bring him to my castle. ... and there they bathed him, and washed him, and gave him hot suppings till they had brought him well to his remembrance; ... blessed be God ye have your life, and now I am sure ye shall be discovered ...
Sarah saß in der langsam hell werdenden Bibliothek und starrte auf den letzten Abschnitt, den sie in ihr Notizbuch übertragen hatte. Es schien, als hätte jemand den verrückt gewordenen Gefangenen gerettet, sich um ihn gekümmert und in Sicherheit gebracht. »... and now I am sure ye shall be discovered ...«
Sarahs Augen waren auf den letzten Satz gerichtet, aber ihr Blick ging ins Leere. Ein Hilferuf. Derjenige, der die Hinweise in den Büchern hinterlassen hatte, wollte gerettet werden.
War ihr Großvater zu demselben Schluss gekommen? Hatte er den Gefangenen gefunden? Oder war er selbst zum Gefangenen geworden? War das die wichtige Mission, auf die er sich begeben hatte und durch die er alles verlor – seine Familie, sein Zuhause, sein Leben? Und wenn ihr Großvater den Gefangenen nicht gefunden hatte, was war dann aus ihm geworden? Das Verschwinden ihres Großvaters lag dreißig Jahre zurück. So lange konnte doch wohl niemand darauf warten, dass er gefunden wurde? Und wer wusste schon, seit wann es diese Hinweise in den Büchern gab! Sarah runzelte die Stirn. Aber auf irgendetwas musste ihr Großvater gestoßen sein. Sonst wäre er doch wohl nicht so plötzlich verschwunden!
Als sie spürte, wie ihr Tränen der Verzweiflung in die Augen stiegen, brach sie ihre Gedankengänge ab. Sie war todmüde und saß am frühen Morgen unerlaubterweise in der Universitätsbibliothek. Das waren wirklich keine guten Voraussetzungen, um tiefgründige Schlussfolgerungen aus den bisherigen Anhaltspunkten zu ziehen.
Mit zitternder Hand knipste sie die kleine Leselampe, die sich vom langen Gebrauch bereits erhitzt hatte, aus und steckte ihr Notizbuch ein. Dann stellte sie Malorys Buch zurück ins Regal und verließ die Bibliothek. Sarah verschloss die Tür mit ihrem Schlüssel und machte sich auf den Weg nach Hause. Es war höchste Zeit für ein bisschen Schlaf. Morgen – oder später am Tag, berichtigte sie sich automatisch – würde sie weiter über die Hinweise nachdenken, auf die sie so unverhofft gestoßen war.
//Trostlosigkeit. Kein Ausweg, kein Entkommen. Alleine würde es niemals fort können. Zurück zu seinem anderen Ich. Zurück in die Freiheit. Freiheit ... das Wort enthielt einen hohlen Unterton, der erschreckend war. Es wurde Zeit, dass es sich irgendetwas einfallen ließ. Irgendeine Möglichkeit musste es doch geben, mit seinem anderen Ich in Kontakt zu treten. Es um Hilfe zu bitten. Hilfe ... die hatte es dringend nötig. Die Tage hier waren dunkel, angefüllt mit Schmerz und Leid. Es konnte bereits spüren, wie sein Wille schwächer wurde. Das Böse weitete seinen Einfluss aus. Das Böse fing an, es zu bezwingen.//
Kapitel 7
Als Dupoit seine Erzählung beendet hatte, war es früher Morgen gewesen; der Himmel vor dem Fenster hatte bereits ein zaghaftes Grau angenommen und Paris, das sowieso nie besonders tief schlief, erwachte im warmen Licht der Straßenlaternen. Der fremde Mann hatte sich auf dem Sofa ausgestreckt und war erstaunlich schnell eingeschlafen. Matthew hingegen hatte kaum Schlaf gefunden, zu aufgewühlt war sein Kopf von den Worten des seltsamen Gastes gewesen. Gegen neun hatte er es nicht mehr in seinem Bett ausgehalten und war ins Badezimmer gegangen.
Dupoit war kurz darauf erwacht und da Matthew nichts im Haus hatte, was für ein Frühstück geeignet gewesen wäre, hatte er ihm vorgeschlagen, gemeinsam ein kleines Café aufzusuchen, das nur ein paar Straßen entfernt lag. Es war seltsam gewesen, Dupoit dabei zu beobachten, wie er mit ihm auf dem Weg zum Café durch die schmalen Gassen gegangen war. Der Weg schien ihm vertraut zu sein, aber er hatte angespannt und etwas verloren gewirkt. Einmal war er deutlich zusammengezuckt, als ein Motorroller grell hupend an ihnen vorbei fuhr, ein anderes Mal, als eine Katze den Deckel einer Mülltonne umstieß und dieser scheppernd auf den Boden fiel.
Paris mochte eine pulsierende Metropole sein, aber auf der Terrasse des Cafés wirkte der Lärm der Autos weit entfernt. Eine kleine Gruppe junger Frauen, die schon ihre Sommerkleider aus dem Schrank befreit hatten, schlenderte lachend an ihnen vorbei und der Postbote ging gelassen von Haus zu Haus. Am Himmel hatten sich inzwischen graue Wolken versammelt, aber die Luft war immer noch angenehm warm.
Matthew hatte das Frühstück kaum wahrgenommen. Auch während der zweiten Tasse Kaffee war er sich noch nicht schlüssig, ob er Dupoits Geschichte glauben sollte oder überhaupt glauben konnte. Rational betrachtet war es natürlich unmöglich und klang wie die Handlung eines Buches, aber irgendetwas war an dem Fremden, das Matthew die Schilderung nicht einfach als Fantasie abtun ließ. Mehr noch, was Dupoit erzählt hatte, vielleicht auch die Art, wie er es erzählt hatte, der Blick in seinen Augen, die weit entfernt zu weilen schienen, hatte ihn seltsam erschüttert; fast so, als hätte eine Hand nach ihm gegriffen und, mit einem einzelnen ausgestreckten Finger, den innersten Kern seines Wesens berührt. Etwas hatte sich verändert, auch wenn er es vorerst nur wie einen leisen Windhauch spürte. Was auch immer es war, Vernunft spielte dabei ganz klar nur eine untergeordnete Rolle.
Glauben oder nicht, er würde dem Mann helfen, seine Familie zu finden, soviel stand für Matthew fest. Und wenn das bedeutete, sich einem Verrückten anzuschließen, war das nur umso besser. Hier war vielleicht das neue Leben, von dem ihm letzte Nacht klar geworden war, dass er es suchen müsse. Dann konnte er mit dem alten auch gleich richtig brechen.
»Ich würde vorschlagen, wir fangen ganz simpel mit dem Telefonbuch an«, sagte er, während er die Tasse zum Mund hob. »Und wenn das nicht hilft, können wir immer noch ein Internetcafé aufsuchen und sehen, ob sich da etwas findet.«
Dupoit sah ihn fragend an. »Entschuldigung, Sie möchten was aufsuchen?«
Matthew hätte sich fast an die Stirn gefasst, aber glücklicherweise fiel ihm die Tasse in seiner Hand noch rechtzeitig ein.
»Ein Computernetzwerk. Da findet sich wirklich ein ganzer Haufen an Informationen. Ich denke, wir sollten damit Glück haben.«
Dupoit nickte und schien sich für den Moment damit zufrieden zu geben, auch wenn er noch immer etwas ratlos aussah.
***
Wie viele Jahre braucht die schiere Stille des Kosmos, die Eintönigkeit der Leere, um einen Geist zu zermürben?
Er vollendet mit einem Strich ein Rechteck im Erdreich, steht auf und tritt einen Schritt zurück. Eine neue Seite unter vielen. Fein säuberlich hat er jeden Grashalm auf diesem Feld herausgezogen und es dann mit dutzenden Seiten gefüllt. Er schreibt auf den Knien vornübergebeugt und gibt den Buchstaben und Zeichen behutsam mit einem Zweig ihre Gestalt. Am Anfang waren es nur kurze Sätze, nicht mehr als zwölf Wörter, die er immer neu zusammensetzte. Nach der vierten Seite schrieb er einige einfache Rechnungen dazu. Dann zeichnete er Formen, erst Figuren, dann Körper. Inzwischen ist er bei der zweiundsiebzigsten Seite angelangt. Der Wind hat bereits Löcher in den ersten Seiten hinterlassen. Aber er hat Zeit; er kann sie später erneut füllen. Wie viel Zeit? Sicher nicht genug, um die ganze Bibliothek von Babel hier zu seinen Füßen in den Staub zu bannen.
Dann geschieht das unmöglich Geglaubte. Als er zu der Ruine blickt, sieht er eine lange Reihe aus fremdartigen Tieren, die ihn an Bisons erinnern und vor hölzerne Wagen gespannt sind. Und bei ihnen, teils zu Fuß, teils auf den Wagen oder Pferden sitzend, sind Menschen.
Nachdem der erste Schock verflogen ist, möchte er rufen, aber der staubige Wind hat seine Stimme längst in Sand verwandelt.
***
Die Suche im Telefonbuch hatte nichts ergeben; nirgends hatte sich der Name Dupoit gefunden. Sie hatten es mit dem Mädchennamen von Dupoits Ehefrau versucht, aber auch eine Marie Martin war nicht verzeichnet gewesen.
Der Weg ins Internetcafé erschien Matthew vielversprechender. Als sie durch die Tür in den modernen Raum traten, der so gar nicht zu der Fassade des alten Gebäudes