Der Schundfilm meines Lebens. Emmi Ruprecht. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Emmi Ruprecht
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742742551
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unterbreche den Ruhemodus meines Rechners, indem ich den Bildschirmschoner mit der Maus zur Seite schubse. Dahinter zeigt sich sogleich die niederschmetternde Mail von Herrn Hansen. Noch einmal überfliege ich das vermaledeite Dokument, doch keine andere Nachricht als die bereits vernommene offenbart sich mir: Es ist immer noch eine Ablehnung meines Skripts. Und noch immer finde ich keine Begründung dafür!

      Nach dem dritten Klingeln wird am anderen Ende der Leitung abgehoben.

      „Hansen“, ertönt die Stimme des Producers.

      Besonders zugänglich hört er sich nicht an, finde ich. Ich denke mit Sehnsucht an seine Vorgängerin. Vermutlich wäre das alles nicht passiert, wenn ich weiterhin mit Brigitte zu tun gehabt hätte. Vermutlich? Ganz sicher sogar! Brigitte hatte schließlich ein Händchen für Qualität! Und dieser Herr Hansen – wer ist das überhaupt? Wahrscheinlich nur der Praktikant vom Praktikanten, der auch einmal ein Drehbuch anfassen darf!

      Ich fange an, Herrn Hansen nicht zu mögen, doch das muss warten. Schließlich, denke ich, sollte ich jetzt etwas sagen – vermutlich wartet er darauf.

      „Hanna Wupper“, flöte ich ins Telefon. „Ich habe gerade Post von Ihnen bekommen.“

      Ich meine ein Seufzen durchs Telefon zu hören, aber vielleicht täusche ich mich.

      „Guten Tag, Frau Wupper“, höre ich ihn nach einer kurzen Pause sagen. „Es tut mir leid, dass wir Ihnen keine günstigere Antwort geben konnten.“

      „Sie konnten mir keine günstigere Antwort geben“, verbessere ich ihn und betone damit, dass ich ihn und nicht das gesamte Filmproduktionsunternehmen für die Absage verantwortlich mache. Dann fällt mir ein, dass das vermutlich nicht ganz fair ist. Hat seiner Mail nach nicht das ganze Team über das Drehbuch diskutiert?

      „Doch deswegen rufe ich nicht an. Oder eigentlich doch“, ich verhaspele mich, „also nicht wegen der Absage an sich, sondern wegen der Begründung. Die fehlt mir nämlich!“

      Erneut meine ich ein nur unzureichend unterdrücktes Seufzen zu hören, und ich kann ihn verstehen. Mag sein, dass sogar Herr Hansen manchmal ein ganz netter Mensch ist und lieber Zu- als Absagen verteilt. Aber darauf kann ich jetzt keine Rücksicht nehmen, denn schließlich höre auch ich lieber Zu- als Absagen! Und da ich vorhabe, auch zukünftig Drehbücher zu schreiben, ist mir nun einmal daran gelegen zu verstehen, warum mein neuestes abgelehnt wurde. Wieder einmal!

      „Liebe Frau Wupper, es tut mir wirklich leid, aber wie ich Ihnen bereits mailte, können wir … und ich natürlich auch“, betont er, „uns nicht vorstellen, dass wir einen Sender von den Vorzügen Ihres Stoffes überzeugen können. Außerdem wissen Sie ja, wie der Markt aussieht. Eine Anstalt für ein Drehbuch zu interessieren – noch dazu für eines von einem Neuling – ist nur mit viel Überzeugungs-arbeit möglich und …“

      „Ist mir bekannt“, schneide ich ihm das Wort ab.

      Hält er mich für so bekloppt, dass ich nicht weiß, wie umkämpft dieses Gewerbe ist, wie viele Drehbuchautoren es gibt und auf wie wenig Filme die sich verteilen müssen? Hier zu überleben gelingt nur den Besten der Besten der Besten – und oft nicht einmal denen.

      „Aber bitte haben Sie Verständnis dafür, dass mir das als Begründung unmöglich ausreichen kann, um meine zukünftigen Skripte – und ich hoffe, Sie verstehen das nicht als Drohung“, setze ich scherzhaft hinzu, „so zu gestalten, dass Sie diese bei einem Sender platzieren können. Also, woran genau liegt es, dass Sie mein Drehbuch ablehnen?“

      Stille am anderen Ende. Ich warte ungeduldig. Wenn er mein Skript gelesen hat, dann muss er doch jetzt auch etwas dazu sagen können!

      Tatsächlich meldet er sich nach einer Weile wieder zu Wort: „Es ist eine subjektive Entscheidung, die wir gefällt haben. Dabei spielt natürlich unser Portfolio eine Rolle und auch die Bedarfe der Anstalten, mit denen wir hauptsächlich zusammenarbeiten. Das möchte ich betonen! Bei einer anderen Filmproduktionsgesellschaft hätten Sie vielleicht mehr Erfolg. Sie könnten es einfach mal probieren …“

      Für wen hält sich dieser Mensch eigentlich? Oder für was? Für unwiderstehlich? Glaubt er wirklich, dass ich das nicht versucht habe? Doch, wie Herr Hansen ganz richtig bemerkt, sind die Chancen, als Neuling irgendwo ein Drehbuch verkaufen zu können, ziemlich bescheiden. Bei der Firma, bei der unglückseligerweise Herr Hansen meine liebe Brigitte auf ihrem Posten abgelöst hat, habe ich wenigstens schon einmal mit einer Arbeit überzeugen können – mit einer ziemlich gelungenen, wie ich finde! Dass dieses Werk nicht verfilmt wurde, lag schließlich weder an mir noch an der Qualität meines Drehbuchs, sondern vielmehr an der Hasenfüßigkeit des Chefredakteurs des Senders! Möge er dafür in der Hölle schmoren!

      Außerdem finde ich, dass Herr Hansen vom eigentlichen Thema ablenkt. Wütend falle ich ihm ins Wort.

      „Selbstverständlich könnte ich das“, antworte ich spitz. „Verzeihen Sie bitte meine Begriffsstutzigkeit, aber warum wollen Sie mich unbedingt zu Ihrer Konkurrenz abschieben, wenn ich doch angeblich so gelungene Drehbücher verfasse? Wenn ich Ihre Mail richtig gelesen habe, dann sprechen Sie von einem professionell geschriebenen Skript, bei dessen Lektüre der Film bereits im Kopf abläuft. Soweit ich weiß spricht das für eine überzeugende Arbeit! Warum, um Himmels willen, wollen Sie sie dann nicht haben? Ist Professionalität für einen TV-Sender ein unzumutbares Qualitätsmerkmal oder haben Sie mich einfach angelogen?“

      Ich gebe zu – der letzte Halbsatz klingt auch in meinen Ohren etwas unhöflich, aber so langsam reißt mir der Geduldsfaden.

      „Nein, natürlich nicht“, gibt der Producer zurück und klingt jetzt selbst ein wenig ungeduldig. „Also gut, ich sage Ihnen, wie es ist.“

      Er macht eine Pause. Ich warte gespannt – und auch ein bisschen ängstlich. Will er mir mitteilen, dass er meine Drehbücher so grottenschlecht findet, dass er lieber nie wieder etwas von mir hören, geschweige denn lesen möchte, und mir deshalb in seiner Verzweiflung andere Filmproduktionsfirmen schmackhaft macht? Habe ich meine Qualitäten so falsch eingeschätzt? Aber warum wurde mein erstes Drehbuch dann angenommen? Etwa aus Mitleid???

      Herr Hansen unterbricht meine Gedanken.

      „Sehen Sie – ich weiß nicht, was Brigitte geritten hat, sich so für Ihr erstes Skript einzusetzen. Ich meine das über diese Reisegruppe in Italien, deren Mitglieder plötzlich alle den Sinn ihres Lebens erkennen und sich in endlosen Selbstreinigungsprozessen ergehen, und das ganz ohne eine nennenswerte Handlung …“

      Ich ziehe deutlich hörbar die Luft durch die Nase ein.

      „Sie haben mich gefragt!“, verteidigt sich Herr Hansen energisch. Dann überlegt er es sich anders und seine Stimme nimmt eine weichere Färbung an.

      „Vielleicht ist das zu hart formuliert“, gibt er zu. „Aber wie dem auch sei: Solche, die Psyche erforschenden Filme … wie soll ich sagen … die gibt es natürlich auch. Doch in den seltensten Fällen lassen sich damit Quotenerfolge erzielen, und das wissen die Sender. Deshalb ist es extrem schwierig, einen Interessenten für einen – na, ich sag’s mal vorsichtig – ‚anstrengenden‘ Stoff zu finden.“

      Ich stoße die Luft geräuschvoll wieder aus.

      „Besonders, so lange Sie noch nicht etabliert sind. Da gehen solche Themen gar nicht! Das nimmt Ihnen keine Redaktion ab.“ Nach einer kurzen Pause ergänzt er: „Jedenfalls nicht noch einmal. Keine Ahnung, wie Brigitte das hinbekommen hat, dass Ihr Reisegruppen-Psycho-Drama überhaupt beim Sender diskutiert wurde!“

      Ich fühle mich wie vom Lastwagen überfahren. Herr Hansen hält meine Drehbücher scheinbar ganz generell für unverkäuflich? Ich bin sprachlos. Ist der irre? Was glaubt er denn, was Brigitte und ich gemacht haben, damit die Redaktion bei meinem ersten Versuch Interesse zeigte? Nackig Handstand? Eine Hochschwangere und … und ich? Ich schüttele mich kurz. Wie krank muss jemand sein, um so etwas für möglich zu halten? Das muss ich erst einmal verdauen!

      Nach einer Weile höre ich von Ferne eine Stimme zu mir sprechen.

      „Sind